Statt Befehlsgeber sind nun Teamplayer gefragt.

In guten Zeiten ist es einfach, über Sinn zu sprechen und zu schreiben. In unternehmerischen Leitbildern, Ethik-Reports und Nachhaltigkeitsberichten stehen deshalb auch meistens die schönsten Absichtserklärungen. Wenn die Nerven in schwierigen Zeiten blank liegen, zeigt sich, wer es ernst damit meint. Gerade in oder nach Krisen ist es wichtig, über «Sinn» zu sprechen und zu schreiben – und vorher darüber nachzudenken. Denn nach diesem Coronavirus brauchen wir jetzt vor allem eines: positive «Moti-Viren».

Es wird gerade viel darüber philosophiert, dass die Post-Corona-Zeit begonnen hätte. Ich denke allerdings, dass wir nur in eine neue Phase der Corona-Krise gekommen sind. Von einer Post-Corona-Phase zu sprechen, halte ich um Monate zu früh. Die wahren Aus- und
Nebenwirkungen werden wir wohl erst mit der Zeit erkennen.

Wenn das Unmögliche plötzlich möglich ist
Corona fungiert wie ein Katalysator. Ein Katalysator erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit.
Genau das ist in unserer Gesellschaft durch Corona passiert. Die «Zwangsdigitalisierung
» war wie ein Knall in der schon schnellen digitalen Entwicklung. Jeder Schreibmaschinen-Fetischist und jeder CEO mit einer ärztlich attestierten Home-Office- Intoleranz hat spätestens jetzt bemerkt, dass das Unmögliche gar nicht so unmöglich ist. Die Mitarbeiter wurden innerhalb weniger Tage mit Laptops, Zugangsdaten und Software ausgerüstet und arbeiteten per sofort im Home Office. Corona hat in wenigen Tagen das geschafft, was die Berater-Branche in den letzten Jahren nicht geschafft hat: die Digitalisierung der Arbeitswelt. Auch im Privatbereich wurde «zwangsdigitalisiert». Grosseltern nahmen Veränderung und technische Hürden in Kauf, um die Enkelkinder zumindest digital wiederzusehen. Insgeheim ist man stolz, die Hindernisse der digitalen Neuzeit gemeistert zu haben. Die Gewohnheit, online einzukaufen oder per Videochat zu kommunizieren, hat sich bei vielen Menschen  damit fest etabliert. Dies wird massive Auswirkungen auf den stationären Handel und viele Branchen haben. Gerade wenn Unternehmen sparen müssen, macht es sich gut, auf teure Reisen zu verzichten und unter dem Label des Umweltgedankens PRwirksam auf Online-Meetings umzusteigen.

Wo bleibt der Sinn?
Wenn etwas so Tiefgreifendes wie die Covid-19-Pandemie passiert, ist es ratsam, kurz innezuhalten und zu analysieren, was wirklich geschehen ist und was man daraus lernen könnte. Krisen als Chancen auszurufen, mag inhaltlich oft stimmen, kommt jedoch bei Menschen mit akuten existenziellen Problemen, die durch diese Krise entstanden sind, schlecht an. Wir sind aktuell immer noch in der Krise und sie wird uns wahrscheinlich noch eine längere Zeit beschäftigen. Weil die Stimmung kippt und die Rufe nach schnellen Lösungen zunehmen, lohnt es sich, früh nach dem SINN IN DER (POST-) CORONA-ZEIT
WARUM WIR GENAU JETZT «MOTI-VIREN» BRAUCHEN von Stefan Dudas In guten Zeiten ist es einfach, über Sinn zu sprechen und zu schreiben. In unternehmerischen Leitbildern,
Ethik-Reports und Nachhaltigkeitsberichten stehen deshalb auch meistens die schönsten Absichtserklärungen. Wenn die Nerven in schwierigen Zeiten blank liegen, zeigt sich, wer es ernst damit meint. Gerade in oder nach Krisen ist es wichtig, über «Sinn» zu sprechen und zu schreiben – und vorher darüber nachzudenken. Denn nach diesem Coronavirus brauchen wir jetzt vor allem eines: positive «Moti-Viren». Sinn zu suchen und zu hinterfragen, wie Corona die Arbeitswelt und damit auch unser Leben nachhaltig verändert hat und weiter verändern wird.

Kultur des Vertrauens
Zukünftig wird das Home Office einen höheren Stellenwert einnehmen. In den Niederlanden
gibt es bereits seit fünf Jahren ein «Recht auf Home Office». Auch deutsche Politiker diskutieren im Moment darüber. Ob dieser Eingriff der Politik in die Unternehmenswelt richtig und nötig ist, ist eine andere Frage. Daraus resultiert aber eine neue Disziplin für Führungskräfte: die Führung auf Distanz. Dies bedingt zwingend, dass man über Begriffe wie Vertrauen, Selbstdisziplin und Empathie in den Unternehmen sprechen muss.

Ist kein gegenseitiges Vertrauen da, wird Home Office nicht funktionieren. Im Home
Office zählen die Resultate – und weniger, wie lange man dafür am Schreibtisch sass.
Obwohl auch dieser Mythos, dass im Home Office (also, ohne Kontrolle des Vorgesetzten)
weniger gearbeitet wird, aus der Welt geschafft gehört. Laut einer repräsentativen Studie von Prof. Michael Beckmann von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel arbeiten Angestellte bei Vertrauensarbeitszeit pro Woche durchschnittlich 80 Minuten länger als Angestellte mit festen Arbeitszeiten. Also nichts mit Faulenzen.

Trotzdem ist die Präsenz der Mitarbeiter vielen Führungskräften heute immer noch enorm wichtig. Es ist auch eine alte Weisheit, dass sich Arbeit zeitlich ausdehnen kann und lässt. Es ging also weniger darum, was in dieser Zeit wirklich gemacht wurde, sondern eher, wie lange man anwesend war. Hier muss und wird sich die Führungskultur verändern. Hin zu weniger Kontrolle, dafür mehr Vertrauen.

Ein neues Bewusstsein
In der akuten Krise wurde viel geklatscht. Menschen auf Balkonen haben für die tolle (und sehr günstige) Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger in den Krankenhäusern und den Menschen an den Supermarktkassen geklatscht. Ein schönes Zeichen zwar, aber wenn wir schon über systemrelevante Berufe sprechen, sollte auch über einkommensrelevante
Verbesserungen für diese gesprochen werden. Ob diese Berufsgruppen eine starke Lobby haben, um dies durchzusetzen, wird sich zeigen. Gewisse Berufsbilder sind allerdings aufgewertet worden. Viele Menschen haben vielleicht (wenn auch nur sehr kurz) darüber nachgedacht, welche Berufe «wichtig» und welche Berufe eben nicht systemrelevant sind.

Unternehmen begehen kommunikativen Suizid 
Kommunikation war schon immer die Königsdisziplin, die aber in vielen Unternehmensleitungen unterrepräsentiert ist. Kommunikation ist kein ausführendes
Organ, sondern muss in jeder Geschäftsleitung persönlich vertreten sein. Einige Grosskonzerne haben sich in dieser Krise die Finger und vielleicht auch ihren guten
Ruf verbrannt. Man wollte die Miete stunden, weil es möglich war. Das Unmögliche daran war, dass man mit knapp zwei Milliarden Euro Gewinn im letzten Jahr überhaupt auf so eine Idee gekommen ist. Wenn dann noch im Leitbild dieser Unternehmung etwas von «Team», «Gesellschaft » und «Verantwortung» steht, ist der Shitstorm vorprogrammiert. In vielen Köpfen ist diese Marke für eine lange Zeit negativ markiert: markiert mit drei Streifen.

Es ist entscheidend, dass man alles, was man in Leitbildern, Ethik-Richtlinien oder Nachhaltigkeitsberichten von PR-Profis schreiben lässt, auch zu 100 Prozent lebt. Dass man selber – die Geschäftsleitung wie auch alle Mitarbeiter – daran glaubt. Weil es den eigenen Werten entspricht. Dann kann so ein «Mehr Profit zu jedem Preis»-Lapsus nicht mehr passieren.

Das mag «banal» klingen, ist aber eine revolutionäre Änderung zum bisherigen Modell.
Alles, was ich vorgebe zu sein und nicht wirklich lebe, kann und wird öffentlich gegen mich verwendet werden. Das bedingt ein neues Bild von Führung. Leadership muss sich wandeln. Weg vom Befehlsgeber hin zum Teamplayer. Eine Führungsperson ist Dienstleister seiner Mitarbeiter. Ist man als Führungskraft an alte Denkmodelle gebunden, wird es in neuen Strukturen eng. Die Strukturen verlangen nach weniger Führung, dafür nach echten inhaltlichen Autoritäten. Anführer, die es schaffen, Menschen hinter sich zu vereinen, um ein Ziel zu erreichen, das wirklich Sinn macht und Werte verkörpert. Man könnte sie vielleicht «Sinnfluencer » nennen.

Fokus auf die Zukunft
«Alles lächerlich», «Alles nur eine Modeerscheinung». Diese Begriffe höre ich oft von Unternehmern oder Führungskräften. Kann man so natürlich denken. Auch Nokia hat über Apple gelacht, als bekannt wurde, dass Apple mit einem Mobiltelefon in den Markt einsteigen möchte. Swatch hat gelacht, als Apple mit einer Uhr kommen sollte. Veränderungen scheinen oft unmöglich. Bis jemand kommt und es einfach (vor-)macht.
Und wer sind nun die Gewinner der Krise?

Es geht nicht darum, Branchen aufzulisten, die von dieser Krise profitiert haben. Es geht vielmehr darum aufzuzeigen, dass diejenigen, die jetzt ihren Fokus richtig setzen, die Chance auf eine gute Zukunft haben. Diejenigen, die jetzt die Verantwortung übernehmen und konstruktiv ins Handeln kommen. Diejenigen, die ihr Geschäftsmodel, ihre Kommunikation und ihren Führungsstil selbstkritisch hinterfragen. Denn Corona kann Unternehmen zu Innovationssprüngen zwingen. Sprünge, für die man vorher «zu satt» oder zu ängstlich war.

Liest man bei Facebook die Schuldzuweisungen und was alles falsch gelaufen ist, hilft das im Moment niemandem. Der Fokus muss weg vom Coronavirus hin zu einem «Moti-Virus». Dieser spezielle Virus darf ansteckend sein und kann unglaubliche Nebenwirkungen haben. Unser Fokus bestimmt unser Energielevel und unsere Motivation. Motivation benötigt ein Motiv. Legen wir den Fokus also auf die Möglichkeiten: Es geht schliesslich nicht nur
um unsere eigene Zukunft, sondern auch um die Zukunft aller Mitarbeiter in den Unternehmen und um die Zukunft unserer (Arbeits-)Welt. Das alles sollte es uns wert
sein, mutig in die Zukunft zu blicken und Veränderungen wirklich anzugehen.

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