Der Begriff «Coach» ist erstmals circa 1556 in der englischen Sprache nachgewiesen und
bedeutet Kutsche. Der Chef jetzt als Kutscher? Als Coach ist er Teil des Teams, er führt seine Mannschaft wie ein Coach im Sport. Coaching wird auch mit der Hebamme verglichen, die zur Geburtshilfe da ist – die Mutter muss die Arbeit selbst leisten.

Mitarbeiter der Generation Z erwarten einen anderen Führungsstil als die Generation vor
ihnen. Von Autorität und Respekt im Betrieb halten Jüngere nicht viel, das überrascht die
reifen Jahrgänge. Den meisten ist es egal, wie man den Führungsstil nennt: «kooperativ», «situationsbezogen», «teamorientiert», «effektiv» oder jetzt «agil». Die Rolle des Chefs ist wichtiger. Mitarbeiter sind nur so gut, wie er sie führt. Agile Führung beinhaltet aber auch Merkmale der vergangenen Führungsstile, ist also ein Mix. Der Arbeitgeber ist jedoch weniger der Manager, sondern mehr der Coach, und bindet seine Mitarbeiter stärker als bisher in den Alltag ein. Für Coaching ist der Sport das beste Vorbild. Besonders im Mannschaftssport wie im Fussball geht es gar nicht ohne Coaching. Der Coach ist Leader und Teamplayer zugleich.

Diese Rolle wird besonders von der Generation Z anerkannt, sogar gefordert. Anordnungen gibt es erst, wenn das Thema vorher gründlich mit dem Team diskutiert wurde. Bei Fehlleistungen der Mitarbeiter gibt es nicht wie früher Kritik, sondern ein Feedbackgespräch. Vieles aus dem bisherigen Führungsstil kann übernommen werden. Es muss nicht alles neu definiert und umgestellt werden. Die meisten Betriebe sind gut aufgestellt und müssen nur die Stellschrauben der Führung etwas ändern.

Mitarbeiter sollen wissen, dass sie gebraucht werden und einen wesentlichen Beitrag zum Betriebserfolg leisten. In vielen Betrieben bemüht sich der Coach erfolgreich, seinen Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen, und stellt die herkömmliche Hierarchie nicht mehr in den Vordergrund. Nach wie vor gilt, die Mitarbeiter durch den persönlichen Umgang zu motivieren. Man kommuniziert offen und ehrlich, vollständig und rechtzeitig miteinander. Wichtige Informationen für den Einzelnen werden nicht vorenthalten. Idealerweise begegnet der Vorgesetzte, oder seit Neuestem der Coach, seinem Team auf Augenhöhe, er darf auch mal «menscheln». Auch in schwierigen Situationen ist seine
optimistische Einstellung gefragt, ohne dabei die Realität aus den Augen zu verlieren. Gleichzeitig zeigt der Coach als Verantwortlicher für den Betrieb auch Stärke und Souveränität, wenn Probleme entstehen.

Durch Coaching zeigt das Team die Bereitschaft, private Interessen auch mal zurückzustellen und Mehrarbeit ohne Frust zu leisten. Erfolgreich führen heisst, auch Sympathien und Vertrauen generationsübergreifend zu gewinnen. Mit einem grossen
Punktestand an Sympathien wird er von allen akzeptiert und darf auch nach aussen hin Loyalität des Teams erwarten. Richtig motiviert ist, wer sagt: «Ich möchte ihn nicht vermissen, möchte keinen anderen.» Nicht umsonst heisst es für das Unternehmen:
«Das gute Personal ist des Unternehmens Kapital.»

Heute werden von einer Führungskraft andere Persönlichkeitswerte erwartet als früher in einer Zeit von Befehl und Gehorsam. Gute Kommunikation hat einen grossen Stellenwert und neben dem Begriff «Kundenorientierung» hat die «Mitarbeiterorientierung» auch das gleiche Level. Einem Coach gelingt der Perspektivenwechsel, er kann sich schnell in die Rolle seines Teams versetzen und trifft aus diesem Blickwinkel Entscheidungen. Besondere Leistungen werden ausdrücklich anerkannt und in bestimmten Fällen prämiert. Als Coach sorgt er für gutes Betriebsklima und bevorzugt nicht bestimmte Personen, die Ja-Sager, die Lieblingsmitarbeiter werden wollen.

FRÜHER CHEF, HEUTE COACH
Im Coaching erhält jeder Mitarbeiter eine auf seine Situation und seine fachlichen sowie sozialen Fähigkeiten angemessene Führung. Merkmal ist der individuelle Bezug auf den einzelnen Mitarbeiter im Gegensatz zu anderen Führungsstilen, die pauschal vorgeben, was zu tun ist, ohne die Situation des Einzelnen zu bedenken. So wie im Mannschaftssport der Coach auf jeden einzelnen Sportler individuell eingeht, um bei ihm Leistungsreserven zu wecken, stehen jetzt die individuellen Eigenarten des Einzelnen im Vordergrund. Das erfordert grosse Flexibilität des Coaches und eine grosse Portion Einfühlungsvermögen.

Coaching ist effektiv, wenn es für jeden Mitarbeiter im Team erkenn- und erlebbar ist. In der Praxis kann Coaching oft nicht in Reinform, also zu 100 Prozent, angewendet werden, sondern im Mix mit autoritärer Führung. Bestimmte Elemente der autoritären Führung sind heute noch aktuell. Manche Mitarbeiter wollen noch so geführt werden, weil sie für sich nicht Verantwortung übernehmen wollen. Dann geht andere Führung eben nicht.

DAS WIR-GEFÜHL
Je mehr sich der Mitarbeiter als Teil des Betriebs fühlt, desto grösser ist sein Engagement. Zufriedene Mitarbeiter unterscheiden sich von begeisterten Mitarbeitern. Wer begeistert ist, geht bis an seine Leistungsgrenze. Begeisterung zu schaffen, erfordert selbst Begeisterung zu zeigen und nicht Alltagsprobleme oder die Wirtschaftslage nur negativ zu beurteilen. Motivierte Mitarbeiter entwickeln Eigeninitiative, Engagement, Schwung und Begeisterung. Ein Mitarbeiter ist motiviert, wenn er von sich aus den «Antrieb» zeigt, die Arbeitsziele möglichst gut zu erreichen. Ein gutes Gehalt motiviert jeden, daneben sind auch die immateriellen Motive zu beachten: Anerkennung, Lob, Mitspracherecht, Vertrauen,
Freude an der Arbeit und Lust auf Leistung.

Wichtige Voraussetzung beim Coaching ist es, Mitarbeitern Handlungsspielräume zu geben, dabei aber die Grenzen der Überforderung zu beachten. Bei aller Wertschätzung sind für
Mitarbeiter manche Entscheidungen eine Nummer zu gross, sie fühlen sich überfordert. Mitarbeiter wollen rechtzeitig über organisatorische Änderungen informiert und eingebunden werden. Informationsdefizite wirken sich negativ aus und werden immer
wieder beklagt, seltener ist ein Overkill an Informationen.

Zu den Aufgaben der Führung gehört es, die Mannschaft mal zum Essen einzuladen oder sich auf einem regionalen Volksfest zu treffen, eine Sportveranstaltung zu besuchen oder mit dem Team einen Grillabend zu veranstalten. Das zeigt Gemeinschaft und stärkt das «Wir-Gefühl». Manchmal sind gerade die kleinen Dinge wichtig, zum Beispiel die Gratulation zum Geburtstag oder die Feier zum Arbeitsjubiläum. Perfektes Coaching führt zu Mitarbeiterbindung (Retention) und reduziert die Fluktuationsrat.

Coaching heisst nicht nur, auf harmonisches Miteinander zu achten, der Betrieb ist kein Streichelzoo, ein Kuschel-Management wird von Mitarbeitern kritisch betrachtet und sogar abgelehnt.

Mitarbeiter wollen das Gefühl haben, dass sie einen für den Betriebserfolg notwendigen Beitrag erbringen, Tag für Tag. Für den Coach sind Mitarbeiter genauso wichtig wie die Kunden. Mitarbeiter haben auch Verständnis dafür, dass es für den Chef oder Coach nicht leicht ist, dies alles in die Praxis umzusetzen. Und sie wissen, dass man es nicht jedem recht machen kann. Hauptsache, sie werden öfter gehört und verstanden als früher.
Und immer ernst genommen.

FÜHRUNGSSTIL: AUTORITÄR ODER AGIL?
Merkmale autoritärer Führung

  • Einzelentscheidungen bei der Arbeitsplanung treffen
  • Von oben her anordnen, wer was macht
  • Sich im Alleingang bei Diskussionen durchsetzen
  • Fehler des Mitarbeiters in destruktiver Weise kritisieren
  • Kontrollen in Abwesenheit des Mitarbeiters
  • Besondere Leistungen ignorieren, als selbstverständlich ansehen
  • Abwehr von Einwänden eines Mitarbeiters
  • Mangelndes Vertrauen, vieles selbst erledigen
  • Häufiges Überfordern, enge Terminfenster
  • Zurückhaltung von Informationen

    Merkmale agiler Führung

  • Entscheidungen im Team besprechen
  • Erst besprechen, dann anweisen
  • Überzeugen durch Argumente
  • Hilfe zur Fehlervermeidung bieten
  • Konstruktiv kritisieren
  • Kontrollen im Beisein des Mitarbeiters
  • Anerkennung von Einsatz und Mühe durch Benefits
  • Zuhören, Meinungen hinterfragen, nach Kompromissen suchen
  • Delegation nach internen Grundsätzen
  • Anerkennung von Leistungsgrenzen der Mitarbeiter
  • Offene Kommunikation

LITERATUREMPFEHLUNG
Agiles Führen
von Jörg Preussig und Silke Sichart.
Haufe-Lexware Verlag
ISBN 978-3-648-17316-9

Rolf Leicher ist Diplom-Betriebswirt in Heidelberg.

www.haufegroup.com