Andreas Kreutzer ist Gründer des Beraternetzwerks KREUTZER FISCHER & PARTNER.

Am Höhepunkt der Corona-Krise sassen Hunderttausende Arbeitnehmer im Home Office. Zwar sind mittlerweile die meisten wieder an ihren Arbeitsplatz im Büro zurückgekehrt, trotzdem hat Teleworking als Arbeitsform voraussichtlich dauerhaft an Bedeutung gewonnen. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sehen darin eine Reihe von Vorteilen, sodass die Bundesregierung diesbezüglich nun auch das Arbeitsrecht
nachschärfen will.

Interessanterweise standen vor Corona die meisten Arbeitgeber einer breiten Verwendung von Home Office eher skeptisch gegenüber. Abgesehen von datenschutzrechtlichen Gründen gab es Einwände hinsichtlich des Funktionierens von organisatorischen Abläufen
und einer im Home Office sinkenden Produktivität. Zumindest Letzteres scheint nun kein Thema mehr zu sein. Ganz im Gegenteil: In einer Befragung eines Personaldienstleisters unter knapp 700 im Home Office arbeitenden Dienstnehmern gaben rund 40 Prozent
an, dass sie zu Hause mehr Arbeit bewältigen als im Büro, kurzum produktiver
sind.

Dieser subjektiven Wahrnehmung stehen allerdings empirische Studien gegenüber, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen. So führten wir selbst im Jahr 2017 im Auftrag eines  deutschen Chemiekonzerns eine umfangreiche Evaluierung der Arbeitsproduktivität
im Home Office durch. Das Ergebnis war – für die damalige Einschätzung – wenig überraschend: Im Home Office sinkt die Arbeitsleistung signifikant. Im Durchschnitt lag die  Fehlleistung bei knapp 30 Prozent. Davon ausgenommen waren im Wesentlichen lediglich Arbeitnehmer, die sich von Berufs wegen wenig im Büro aufhielten, etwa  Vertriebsmitarbeiter mit Schwerpunkt im Aussen-dienst. Je stärker die Tätigkeit indessen  mit der Büroorganisation verwoben war und je mehr Platz die Koordinationsfunktion einer Position einnahm, desto grösser fielen die Produktivitätsverluste aus. War der Dienstnehmer zu Hause auch mit Betreuungspflichten konfrontiert, sank die Arbeitsleistung auf bis zu 40 Prozent der Produktivität am Büroarbeitsplatz.

Doch wie ist es möglich, dass zwischen Wahrnehmung und empirischer Evidenz eine derart grosse Lücke klafft? Das Problem bei der Messung von Arbeitsproduktivität von Büroarbeitsplätzen, also im nicht produktiven Bereich ist, dass diese in kaum einem
Unternehmen institutionalisiert gemessen wird. Während in der Produktion REFA
und andere die Produktivität messende Verfahren selbst in Mittelbetrieben regelmässig
eingesetzt werden, erfolgt die Leistungsmessung im Verwaltungsbereich eher subjektiv. Dabei gibt es mit Activity Based Costing (ABC) seit den 1990er-Jahren ein hierfür gut funktionierendes Instrument. Dass dieses jedoch kaum in der Praxis zum Einsatz kommt,
liegt am Umstand, dass sich der Verwaltungsapparat bis hinauf zum Mittelmanagement
zumeist erfolgreich gegen dessen Einsatz zur Wehr setzen konnte. Denn offensichtlich ist eine evidenzbasierte Leistungsmessung zwar in der Produktion und im Verkauf völlig in Ordnung, nicht aber in den unterstützenden Unternehmensfunktionen wie etwa in der Verwaltung, im Einkauf, im Rechnungswesen oder im Marketing. Wenn es um die Quantifizierung der Arbeitsleistung im nicht produktiven Bereich geht, sind die meisten Unternehmen daher im Blindflug unterwegs. Die dauerhafte Verlängerung des durch Covid-19 bedingten Experiments «Home Office» könnte demzufolge mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährden.

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