Die Vermögensverwaltungsbranche befindet sich im Krisenmodus. Lokale, regionale und globale Anbieter von «Vermögensverwaltungsdienstleistungen» (private unabhängige Vermögensverwalter, Privatbanken, nationale Banken und ähnliche Institute) bemühen sich verzweifelt darum, das von ihnen verwaltete Vermögen zu erhöhen. Gleichzeitig versuchen sie, ihre Betriebskosten auszugliedern sowie ihre Effizienzquote und ihre Rentabilität zu verbessern. Unterdessen haben sich die Kunden scheinbar damit abgefunden, dass sie den Unsicherheiten und Risiken der Finanzmärkte schutzlos ausgesetzt sind. Und das, obwohl sie ihr hart verdientes Geld Dienstleistungsanbietern anvertrauen, die ursprünglich den täglichen Kampf ­gegen ebendiese Gefahren aufnehmen wollten. Es hat sich herausgestellt, dass dieses Versprechen nicht eingehalten werden kann. Die Krise lässt sich daran ablesen, dass die meisten Firmen durch Akquisitionen wachsen, Kosten senken oder sogar ganz aus dem Markt aussteigen möchten. Dieser Trend basiert auf den Folgen und den negativen Auswirkungen sinkender Umsätze und Margen. Zurzeit liegt der Fokus scheinbar überwiegend auf ­Bemühungen, die Rentabilität dieser Institute zu verbessern oder zumindest zu erhalten. Dabei sollten doch die Verbesserung der angebotenen Dienstleistungen und ein besserer Schutz der Kundenvermögen als wesentliche Aufgabe unserer Branche an erster Stelle stehen. Das Kosten-­Ertrags-Verhältnis der Branche liegt zwischen 75 und 95 Prozent, was nur einen geringen Puffer für sinkende Umsätze bietet. Ironischerweise ist eine der Ursachen für die erhöhte Volatilität an den Märkten der anhaltende Rückzug der grösseren Dienstleistungsanbieter aus dem Market Making und dem Investmentbanking. Die Anbieter konzentrieren sich lieber auf das (theoretisch) stabilere Vermögensverwaltungsgeschäft. In der Realität hat diese Abkehr vom Market Making indirekt die Volatilität erhöht. Gleichzeitig sank die ­Ertragskraft in genau den Segmenten, welche die Verkleinerung des Investmentbankings schützen sollte. Es ist ein Nullsummenspiel.

Worin liegt also die Zukunft der Vermögensverwaltung? Wird sich das Wachstum durch Akquisitionen und die Kostensenkungen fortsetzen und der Erhalt des ­Kundenvermögens dem Schicksal der Märkte überlassen? Wird die Branche das Vermögen künftig nur noch verwahren statt verwalten? Oder gibt es einen Königsweg, bei dem der Hauptfokus auf dem Kunden liegt?

Vergangenheit ist keine Option
Die meisten Dienstleistungsanbieter versuchen, ihre Rentabilität um jeden Preis zu steigern. Erkennbar ist dies an ihrer ­Suche nach Übernahmen sowie dem Wunsch, Kosten auszulagern und sich aus unrentablen Divisionen oder Regionen ­zurückzuziehen. Die Anbieter räumen – unabhängig von den Folgen – Gewinnerhaltung und Wachstum die höchste Priorität ein. Dieser mangelhafte und kurzsichtige Ansatz konzentriert sich nicht auf die ­zugrunde liegenden Kunden, die letztlich immer noch das Überleben der Branche finanzieren, sondern auf die eigene Rentabilität der Dienstleistungsanbieter. An erster Stelle müssen aber die Kunden ­stehen, falls sich die Anbieter deren Loyalität sichern möchten und längerfristig überleben wollen. Wie aber soll das funktionieren?

Künftige Herausforderungen
Die Branche steht vor zahlreichen Herausforderungen. Eine besteht darin, dass die eigenen Aktionäre glauben, dass es sich um eine sichere und rentable Branche mit einem geringen Kapitalbedarf handelt. Denn genau das Gegenteil ist wahr: Die Kosten steigen ungeachtet der anhaltenden Sparmassnahmen, und die Rentabilität dürfte in den kommenden Jahren weiter zurückgehen, sofern keine drastischen ­Änderungen vorgenommen werden und der Kunde nicht wieder in den Mittelpunkt rückt. Im Allgemeinen zahlen die Kunden ihre Gebühren unabhängig vom Erfolg. Das ist ein gutes, aber kurzsichtiges ­Modell. Es ist unausgewogen und führt letztlich dazu, dass unzufriedene Kunden nach Alternativen suchen. Viele Kunden, deren Vermögen kaum erhalten wird (ganz zu schweigen von einem angemessenen Vermögensaufbau), erleben, dass sich ­Investitionen ihres Vermögens in konkrete Geschäfte wesentlich mehr rentieren, als zuzuschauen, wie ihr Vermögen schmilzt – und dafür auch noch zu bezahlen. Diese Herausforderungen lassen sich kaum quantifizieren, weil sie im Laufe der Zeit und in kleinen Schritten auftreten. Aber: Sie sammeln sich an und sind ebenso ­unausweichlich wie überzeugend. Die ­traditionelle Vermögensverwaltung erkennt dieses Problem nicht und ergreift daher auch keine Gegenmassnahmen.

Die grösste Schwierigkeit besteht darin zu erkennen, dass der Kundenfokus (anstelle eines auf das Unternehmen ausgerichteten Ansatzes) ein fundamentales Ziel ist und auf dieses langfristige Ziel hingearbeitet werden muss.

Mögliche Lösungen und Strategien
Vielleicht können die Unternehmen ebenso wie Billigfluggesellschaften und bestimmte Segmente der Finanzbranche abermals  ihre Vergangenheit hinter sich lassen und einen Neuanfang wagen.

Eines der grössten Probleme der Vermögensverwaltungsbranche ist die fehlerhafte Überzeugung, dass dauerhaft hohe Gehälter und Boni gerechtfertigt und notwendig sind, um Vermögen zu erhalten und zu mehren. Dafür gibt es überhaupt keine ­aktuellen Belege, und die Performance der Kunden ist nicht an laufende Kosten (besonders die Personalkosten) gebunden. Die Branche befindet sich in einem inhärenten Widerspruch.

Eine Möglichkeit wäre ein ganz neues ­Geschäftsmodell mit einem Anbieter, der geringe Kosten bietet und gleichzeitig ­sicher ist. Die überlegene oder unterlegene Wertentwicklung von Fonds war selten an höhere Gebühren geknüpft. Man könnte über eine Parallelorganisation nachdenken, die Neugelder und bereits verwaltete Vermögen anziehen soll. Der Erhalt des Vermögens müsste wissenschaftlich abge­sichert ein, während nominale Gebühren in Rechnung gestellt würden. Das Vermögen der Kunden wäre geschützt, und die ­Kunden würden ihre Anbieter mit einer ­angemessenen Marge für das positive Wachstum entlohnen. Der für einen solchen Ansatz erforderliche Mut müsste aus dem Engagement für den Kunden sowie dem Wunsch nach einer langfristigen Bindung von Kunden (und dem Überleben des Anbieters) geschöpft werden.

Andere Möglichkeiten umfassen einen vollständigen Rückzug aus der Vermögensverwaltung und der Anlageberatung. Ein solcher Anbieter könnte sich als reiner Verwahrer positionieren. In dem Fall behielten Kunden die vollständige Entscheidungsgewalt und hätten Zugang zu allen Instrumenten und Anlageklassen. Dann wären sie jedoch auch alleine für die Ergebnisse verantwortlich. Ein derartiger Makleransatz würde die Anbieter vor hohen Kosten schützen, und bei einer dürftigen Performance wären sie gegen Kritik gefeit.

All diesen Optionen ist ein Punkt gemeinsam: Der Kunde – und nicht der Dienstleistungsanbieter – steht im Zentrum des Geschäfts.

Fazit
Die Branche befindet sich in einer Krise. Kunden sind verzweifelt auf der Suche nach Möglichkeiten zum Erhalt und Aufbau ihres Vermögens. Die Branche muss sich mit neuen und effizienten Modellen neu erfinden, damit Kunden wahrlich wieder im Zentrum der Aktivitäten stehen. Kunden sind vernünftig und wünschen sich erfolgreiche Ergebnisse in einem Modell mit ­fairen Preisen. Für die Mutigen und Kühnen gibt es Lösungen. Der Rest wird weiter mit den Launen der Märkte kämpfen und ­entweder langsam zugrunde gehen oder verkauft werden. Vermögen wird immer verwaltet werden müssen. Wenn die Dienstleistungsanbieter oder ihre neu gegrün­deten Nachfolger jedoch nicht zu einer guten Verwaltung und Handhabung fähig sind, werden die Kunden alternative Wege finden, um diese Intermediäre der Branche auszuschalten.

Es lebe die neue Vermögensverwaltungsbranche. Es lebe die Macht der Kunden. 

Weitere Informationen:
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