Die Frage nach der Struktur und Organisation, bei der im Geschäftsleben die Kreativität am besten zum Zug kommt.

Holokratie hat den Anspruch, agile Arbeitsweisen im gesamten Unternehmen organisatorisch besser zu bündeln. Es geht um ein Organisationsmodell. Organisationsstrukturen befinden sich nun in Holons – den Kreisen. Ein Holon besteht aus Organisationsteilen (Kreise), die jeweils wieder in einem anderen Organisationsteil enthalten sind, der selbst im nächsten enthalten ist. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können so sehr unterschiedliche Rollen ausfüllen. Wir sprachen mit Pascal Meyer, dem CEO von QoQa. Dort ist das Modell Holokratie eingeführt.

Das Wort Holokratie ist in Kreisen von Geschäftsführern der Schweiz bisher nicht ein geflügeltes Wort. Wir sollten zunächst Aufklärung betreiben. Holon stammt aus dem Griechischen und bedeutet Teil des Ganzen.
Ich bin nicht wirklich die richtige Person, um einen historischen oder ethymologischen Standpunkt zu vertreten, ich bin der praktische Typ. Für uns war der Hauptgrund, uns für die Holokratie zu entscheiden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den entsprechenden Ehrgeiz haben, den Raum zu geben, den sie brauchen und wollen, um sich entwickeln zu können. Für uns passte die Philosophie, die Methodologie, die hinter dem Stichwort Holokratie steht, sehr gut zu unserer Denkweise. Wir wollen Menschen, die wachsen wollten, die Chance geben zu wachsen – und dies mit ihren Kolleginnen und Kollegen.

Wann, wo und warum wurden Unternehmensverantwortliche darauf aufmerksam?
Seit etwa fünf Jahren kommt diese Organisationsform immer mehr in Fahrt und sie entwickelt sich seitdem weiter. Für mich ist diese Art von Managementstruktur äusserst interessant, da sie viele Fehler erklären kann und Gründe aufzeigt, warum Unternehmen scheitern können, das heisst, auch wie ein Scheitern vermieden werden kann.

Grafisch wird das Organisationsmodell in Kreisen dargestellt. Was hat dies für einen praktischen Nutzen?
Der Grundgedanke ist, dass Menschen sich entwickeln und ihre Fähigkeiten weiterentwickeln können, wenn sie dies wünschen. Wenn jemand die Führung für ein bestimmtes Projekt oder eine Initiative übernehmen will, dann gibt ihm die Holokratie die Chance, dies zu tun. Sie hilft auch, schnell die richtige Person mit den richtigen Fähigkeiten und Kenntnissen innerhalb des Unternehmens zu finden – mit nur wenigen Klicks im Tool.

Und wie funktioniert die Verknüpfung dieser Kreise?
Das kann man am besten an einem Beispiel verdeutlichen. In der Vergangenheit
mussten wir immer die Personalabteilung einbeziehen, wenn wir jemanden rekrutieren wollten. Jetzt haben wir in jedem Kreis eine Person, die als HR-Vertreter fungiert. Er oder sie ist kein HR-Experte im eigentlichen Sinne des Wortes, hat aber die Kompetenz zu entscheiden, ob jemand eingestellt werden kann oder nicht.

Das gibt jeder Abteilung innerhalb des Unternehmens mehr Flexibilität. Und ein
einziger Mitarbeiter kann in vielen verschiedenen Kreisen tätig sein. Letztendlich
geben wir mit dem Modell der Holokratie den Menschen die Möglichkeit zu
wählen: Wollen sie in ihrer Blase bleiben oder wollen sie wachsen?

Wo liegen die zentralen Gründe, das Organisationsmodell in kleineren Unternehmen einzuführen?
Für kleinere Unternehmen ist es noch einfacher, Holokratie einzuführen, als für
grosse Unternehmen mit rigiden Strukturen und dem klassischen Silodenken. Auch unter Holokratie liegt die endgültige Entscheidung beim CEO. Er oder sie hat die Legitimation für bestimmte Dinge, er hat die Verantwortung, aber nicht für einzelne Abteilungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Experten in den anderen Bereichen. Aus diesem Grund wurden sie ja auch eingestellt. Der CEO entscheidet folglich über die Gesamtvision des Unternehmens, den Wert und das Budget, aber bei allen anderen Fragestellungen kann er sich auf seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen. Bisher hätte man gesagt, der Chef delegiert Aufgaben seinen Mitarbeitern. Wir arbeiten nicht mehr in klassischen,
sondern in flachen Hierarchien. Jetzt haben wir das Organisationsmodell dazu. Holoktratie trägt dazu bei, die Fähigkeiten jedes Einzelnen widerzuspiegeln. In  Unternehmen liegen sehr oft viele Fähigkeiten schlicht brach, die Sie nicht in der
richtigen Weise nutzen. Das ist eine völlige Verschwendung von Ressourcen.

Wir sehen es gerne, wenn unsere Mitarbeiter bei Projekten die Führung übernehmen, es ist sehr lohnend und beweist uns, dass wir in die richtige Richtung gehen.

Jetzt sprechen wir in HR-Welten seit einigen Jahren von flachen Hierarchien und der Abkehr vom Silodenken und der Verabschiedung des klassischen Patrons. Sie haben die Stichworte schon erwähnt. Wo gibt es hier durch das Modell der Holokratie eine konkrete Weiterentwicklung?
In unserem Hause hatten wir bereits eine flache Struktur, wir waren zu der Zeit, als wir zum ersten Mal über Holokratie nachdachten, nicht riesig. Aber wir sind ständig gewachsen, und wir haben den Kontakt zueinander, auch in Bezug auf das Thema Effizienz, verloren. Holokratie gibt den Akteuren eine grosse Transparenz zurück. In dem Tool können Sie sich registrieren lassen, wofür Sie verantwortlich sind und was Ihre wichtigsten Fähigkeiten sind. Wenn Sie also zum Beispiel neu im Unternehmen sind, können Sie leicht, die für ein bestimmtes Projekt vorgesehene Person finden. Zudem sind die Kreise alle miteinander verbunden,
was bedeutet, dass Informationen viel einfacher und schneller weitergeleitet
werden. Der wichtigste Faktor war für uns aber die Akzeptanz der Mitarbeiter. Wir haben beschlossen, dass sie höher als 90 Prozent sein muss – wir haben glücklicherweise die Marke erreicht. Daher trieben wir das Konzept der Holokratie bei uns voran.

Klassische Hierarchien sind oft hinderlich, aber sie sind wenigstens klar
definiert. Bei informellen Hierarchien, die es sicher auch in dieser Philosophie gibt, ist das alles viel intransparenter. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um?
Nur weil es keine klassischen Hierarchien gibt, heisst das noch lange nicht, dass wir in Anarchie leben (lacht) Es liegt nicht an der Holokratie, dass jeder tun kann, was er will. Aber es kann den Mitarbeitern helfen, ihre Fähigkeiten besser zu definieren und zu entwickeln. Wir haben einfach eine andere und klarere Art der Kommunikation eingeführt. Und jeder kann seinen eigenen Kreis für eine bestimmte Aufgabe gründen. Der Auftrag ist für jeden und für alle klar.

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