von Jan Mischke

Europa und die Eurozone durchlaufen seit Jahren vielfältige Krisen: Die Euro-Krise und Grexit, die Immigrationskrise, die Abstimmung über Brexit. Eine schwache Wirtschaftslage belastet den Euro, und spätestens seit dem Nationalbankentscheid im Januar 2015 ist auch die Schweiz in Mitleidenschaft gezogen: KMU leiden, Exportunternehmen erhöhen Wochen-arbeitszeiten oder streichen Arbeitsplätze ganz.

So zumindest das Bild, das weitläufig gezeichnet wird. Aber ist die Situation tatsächlich so vertrackt? Zunächst entwickelt sich Europa besser als oft angenommen. Das BIP pro Kopf wächst – mit Ausnahme von 2012 und 2013 – seit 1990 parallel zu den USA. Die Beschäftigung hat sich vor der Krise sehr positiv entwickelt und ist seitdem stabil geblieben, da steigende Arbeitsmarktbeteiligung – im Gegensatz – zu den USA – höhere Arbeitslosigkeit überschattet. Die Schere von Lohnstückkosten und Leistungsbilanzen zwischen Nord- und Südeuropa hat sich weitgehend geschlossen. Und der Euro hat sich – bis zur weitgehend expliziten Abwertung durch QE – gegenüber den Weltwährungen stabil entwickelt.

Auch in der Schweiz hat sich die Wirtschaft besser entwickelt, als von vielen befürchtet. Zum einen steht der Schweizer Franken seit Jahrzehnten nicht zuletzt aufgrund struktureller Leistungs-bilanzüberschüsse unter kontinuierlichem Aufwertungsdruck, und Schweizer Unternehmen haben damit umzugehen gelernt. Die jüngste Aufwertung treibt den Wechselkurs nur etwa zehn Prozent über den langfristigen Trend. Die Ausschläge werden aber heftiger. Nach einer kleinen Schwächephase, erleben wir nun seit anderthalb Jahren eine etwa 40-prozentige Aufwertung.

Auf Seiten der Unternehmen zeigt sich immer wieder, dass für die Schweizer Exportbranche wirtschaftliches Wachstum in den Absatzmärkten entscheidender ist als der jeweilige Wechselkurs. 2015 hat sich die Wirtschaft in den wichtigsten Märkten – EU, USA und selbst China – solide entwickelt.

Daneben gibt es deutliche Branchenunterschiede. Erwartungsgemäss stark getroffen hat es Maschinenbau und Elektrotechnik mit sieben respektive fünf Prozent Exportrückgang 2015. In eher mässig preissensitiven Branchen wie Pharma, die darüber -hinaus durch Innovation und Patente über viele Alleinstellungsmerkmale verfügen, sind die Ausfuhren dagegen sehr stabil -geblieben, und nach China und in die USA sogar 2015 zweistellig gewachsen. Auch im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen oder im – für die Schweizer Exporte mittlerweile noch wichtigeren – Transit- und Rohstoffhandel sind die Exporte stabil geblieben. Letztlich können einheimische Dienstleister – insbesondere wenn sie auf Importe angewiesen sind – sogar vom starken Schweizer Franken profitieren.

Auch die nächsten Jahre werden voraussichtlich von Unsicherheit – und damit von einem eher starken Schweizer Franken – geprägt sein. Unternehmen sollten daher weiterhin in ihre Wettbewerbsfähigkeit investieren – sei es durch Kostenprogramme, verstärkte Innovation, flexiblere Prozesse, Verlagerung von Geschäftsteilen ins Ausland oder Erschliessung neuer Wachstumsmärkte.

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www.mckinsey.com