In Zeiten der Renaissance von Denken im nationalen Rahmen, ist es wichtig zu wissen, wo es Möglichkeiten gibt, privates Unternehmertum auch in ganz anderen Gesellschaften zu fördern

Interview mit Willi Helbling von Georg Lutz

Das ökonomische Erfolgsmodell der Schweiz basiert unter anderem auf erfolgreichen KMU. Wie sieht dieses Erfolgsmodell aus Ihrer Sicht aus, was macht es so erfolgreich?
Der duale Bildungsweg ist sicher ein erster wichtiger Baustein dieses Modells. Viele Länder um uns herum beneiden uns, da wir Fachkräfte ausbilden, die auch eine praktische und aktuelle Grundlage haben. Gesellschaften, die nur auf Akademisierung setzen, fehlt dieser praktische Pfeiler. Zweitens sind Schweizer KMU, die zwischen drei und bis zu 200 Mitarbeitende haben, meistens traditionelle Familienbetriebe, die aber sehr modern aufgestellt sind.

Ihr Haus, die Stiftung Business Professionals Network (BPN), versteht sich als Brückenbauer. Das finde ich in Zeiten, in denen wir oft nicht mehr über den nationalen Tellerrand hinausschauen, positiv. Die Unternehmen sind aber in sehr unterschiedlichen Gesellschaften wie der Mongolei, Ruanda oder Nicaragua. Wie kommen Sie mit den Unternehmen zusammen? Können Sie diesen Prozess skizzieren?
Das ist zunächst ein klassischer Rekrutierungsprozess. Wenn Sie als Unternehmer einen Produktionsleiter suchen, erstellen Sie ein Positions- und Anforderungsprofil. Ähnlich machen wir das. Wir sind in diesen Ländern mit eigenen Büros vor Ort und erstellen ein Profil für ein meist bestehendes Unternehmen. Wir sind in diesen Ländern keine Start up-Förderer oder Business-Angels. Die Verantwortlichen der Unternehmen kommen mit ihren Businessplänen zu uns, müssen gewisse Standards erfüllen, kommen dann in einen Rekrutierungsprozess und werden dann in unser Programm aufgenommen. Es handelt sich um ein vierjähriges Programm, in dem wir an Programmteilnehmende Wissen zu universeller Betriebswirtschaftslehre vermitteln und ihnen zu bestimmten Themen Coaching anbieten.

Das hört sich nach einem langen Zeithorizont an?
Ja, aber es geht um Programme, die auf Weiterbildungsmodulen über zirka viermal fünf Tagen aufgebaut sind. Wir sind bestrebt, über einen langen Zeithorizont mit diesen Unternehmen zusammen arbeiten zu können. Nur so kann man nachhaltige Erfolge generieren.

Wie können Schweizer Modelle in einen völlig anderen gesellschaftlichen Kontext implementiert werden? Nehmen wir nur das Beispiel Nicaragua. Dort ist die korrupte Elite, einer ehemaligen nationalrevolutionären Befreiungsbewegung, an der Macht und die Gesellschaft leidet unter einer ineffizienten Wirtschaft und Gewalterfahrungen. Wie gehen Sie mit diesen völlig anderen Stakeholdern um? Sind nicht schon diese Hürden zu hoch?
Da liegen Sie richtig, solche Situationen sind eine grosse Herausforderung. Es braucht ohne Frage eine gewisse Rechtssicherheit und die Möglichkeit der Entfaltung von Unternehmertum muss da sein, sonst können wir gar nicht starten. Es geht um universelle betriebswirtschaftliche Ansätze, die wir als Grundlage brauchen. Das betrifft eine Gewinnorientierung, die eine korrekte Buchhaltung und die Förderung von Mitarbeitern braucht. Hier kann es in Teilen immer wieder zu Situationen kommen, die für unsere Projektpartner neu sind. Business-Ethik und Wertvorstellungen sind hier die zentralen Stichworte. Oftmals prallen kulturelle Unterschiede aufeinander. Auch daher gibt es einen vierjährigen Prozess, der viele Coaching-Momente enthält. Das will ein Unternehmer, oder er will es nicht. Solche Kommunikationsprozesse sind aber keine Einbahnstrasse. Wir treten nicht als Besserwisser auf. Im Gegenteil, auch wir können von anderen kulturhistorischen Situationen lernen. Mit diesem Ansatz haben wir in den vergangenen Jahren mehr positive als negative Erfahrungen gemacht.

In der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit fasst man die negativen und positiven Erfahrungen oft in zwei konträren Bildern zusammen. Auf der einen Seite geht es um «Leuchttürme», die positiv in die Gesellschaft hinein strahlen, auf der anderen Seite spricht man von «Kathedralen in der Wüste» die nur so lange funktionieren wie die Zusammenarbeit von aussen unterstützt wird und dann im Sande verlaufen.
Leider ist das so. Viele Ansätze in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit bewirken eher das Gegenteil, von dem was sie vorgeben zu bewirken. Da gibt es auch bei uns immer wieder Gesprächsbedarf mit Unterstützern und Spendern, die uns hier «auf Herz und Nieren» abklopfen. Mit folgender Frage sind wir fast täglich konfrontiert: «Wie könnt Ihr sicherstellen, dass der Partner auch das macht, was ihr ihm beigebracht habt». Kirgisien war das erste Land in dem wir tätig waren. Damals war das Land gerade aus der Sowjetunion entlassen worden. Das waren nicht gerade beste Einstiegsvoraussetzungen. Wir machen von Anfang an deutlich, dass es bei uns nicht um einen Projektanfang und ein Projektende geht. Das ist in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit oft der Fall. Es gibt bei uns kein Projektende. Wir bleiben da, wenn andere schon lange wieder gegangen sind. Das sagt man uns teilweise bis auf die jeweiligen Regierungsebenen nach.

Kommen wir auf die Schweizer Seite. Wie können hier Unternehmen unterstützend tätig werden?
In erster Linie geht es um Geldspenden. Es ist aber auch möglich, dass ein Unternehmer selbst tätig wird und seine Kompetenzen, beispielsweise aus dem HR-Bereich, in einen Seminarblock einfliessen lässt. Bei Spenden geht es entweder um Aufbauspenden, wenn wir uns wie jetzt gerade in Georgien neu aufstellen, oder andere unterschiedliche Investitionen bei BPN.

Auf Ihrer Webseite bieten Sie auch Patenschaften an. Führt das nicht in die falsche Richtung? Wir kennen den Begriff in der Entwicklungspolitischen Community von den Kinderpatenschaften her, die heftig umstritten sind, da im Mittelpunkt nicht die kleinen Kulleraugen von Kindern, sondern gesellschaftliche Verhältnisse stehen sollten
Bei uns haben die Patenschaften folgenden Hintergrund. Oftmals wollen Schweizer Unternehmen direkt ein anderes Unternehmen im Zielland unterstützen, von der Branche die zu ihrem Hause passen. Der Begriff Patenschaft ist aber bei uns nicht in Stein gemeisselt. Wir kennen die Auseinandersetzungen. Für uns ist es wichtig eine Plattform anbieten zu können, wo ein Garagist in der Schweiz sagen kann, ich will aus meiner Branche etwas Anverwandtes unterstützen. Damit kann er auch seine Mitarbeitenden motivieren «mit im Boot zu sein».

Über BPN
Das Business Professionals Network (BPN) fördert Kleinunternehmer und schafft damit Arbeitsplätze für Menschen in Entwicklungsländern. Seit seiner Gründung 1999 konnte BPN weltweit über 970 Unternehmer­Innen unterstützen und schuf so über 18’000 Arbeitsplätze. Das BPN-Förderprogramm basiert auf Vier-Säulen: Coaching, Ausbildung, Kredite und lokale Vernetzung. Ein Projekt dauert typischerweise vier Jahre und wird von einem Schweizer KMU oder einer Privatperson durch eine Patenschaft finanziell gedeckt. Aktuell ist BPN in Kirgisien, Ruanda, Nicaragua, Mon­golei und Georgien tätig.

Weitere Informationen:
www.bpn.ch