Prohaska Sabine ist Inhaberin des Wiener Beratungsunternehmens seminar consult prohaska.

Die Corona-Pandemie trifft die Anbieter im Bildungs- und Beratungsmarkt unterschiedlich hart, denn ihre Geschäftsfelder sind teils verschieden. Zudem haben manche schon die nötigen Schlüsse aus der digitalen Transformation der Wirtschaft für ihre Produktentwicklung gezogen, andere müssen diesbezüglich noch die ersten Schritte gehen. 

Wer hätte gedacht, dass sich der Markt so schnell dreht? Noch zur Jahreswende waren alle Berater für das Jahr 2020 sehr zuversichtlich und der Präsident des Verbands der Unternehmensberater (BDU) in Deutschland, Ralf Strehlau, sagte der Branche für 2020 ein Wachstum von über fünf Prozent voraus. Zudem verkündete er: «Besonders die mittelgrossen Marktteilnehmer erwarten im ersten Halbjahr 2020 gute Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum.»

Mitte März klang dies in einer Pressemitteilung des BDU schon deutlich nüchterner. Ihr zufolge hielten in einer BDU-Blitzumfrage zwar – «trotz der bereits spürbaren CoronaVirus-Auswirkungen» – noch 72 Prozent der Unternehmensberatungen an ihren ursprünglichen Umsatzprognosen für 2020 fest. «Doch gut ein Viertel der Marktteilnehmer erwartet schon einen Umsatzrückgang.» Dessen ungeachtet verbreitet der BDU-Präsident in der Pressemitteilung noch Zuversicht und rechnet sogar zum Beispiel bei solchen Beratungsthemen wie Supply Chain Management und Sanierungsberatung mit einer «Sonderkonjunktur» – was nachvollziehbar ist, wenn die Lieferketten der Unternehmen zusammenbrechen und nicht wenigen aufgrund von Liquiditätsengpässen eine Insolvenz droht.

Berater ist kein Coach
Dass der BDU-Präsident bezüglich der Auswirkungen der Corona-Pandemie noch so gelassen ist oder sich gibt, liegt vermutlich daran: In seinem Verband sind weitgehend die klassischen Unternehmensberatungen zu Hause. Und ob zum Beispiel eine Prozessberatung unter der Überschrift «Wachstum und Innovation» oder «Cost-Cutting», also Kosten- und Personaleinsparung, oder gar «Sanierung» ihr Geld verdient, ist für deren Inhaber meist sekundär, denn: «pecunia non olet.»

Anders sähen die Befragungsergebnisse vermutlich aus, wenn ein Verband wie der Berufsverband für Training, Beratung und Coaching (BDVT), der Speakerverband GSA oder die Vereinigung der Businesstrainer Österreich (VBT), deren Vorstand ich angehöre, ihre Mitglieder befragen würde, die weitgehend Trainer, Coaches und / oder Speaker sind. Dann wäre das Stimmungsbild düsterer. Zumindest hatte ich bei meinen zahlreichen Telefonaten in den zurückliegenden zwei Wochen mit Trainern in Österreich, Deutschland und der Schweiz diesen Eindruck. In ihnen berichteten meine Gesprächspartner durchgängig von Auftragsstornierungen und Trainingsverschiebungen – vermutlich auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.

Je überregionaler das Business der Anbieter ist und je stärker dieses davon lebt, dass Menschen sich persönlich treffen und miteinander kommunizieren, umso grösser sind die Auswirkungen der CoronaPandemie auf ihr Geschäft. So klagten zum Beispiel die Coaches, deren Business primär ein lokales oder regionales ist, eher selten über Auftragsstornierungen. Und wenn doch? Dann primär weil ihre Coachees aktuell Dringlicheres zu tun haben, als sich mit ihrem Coach zu treffen – was nachvollziehbar ist, wenn die Gefahr besteht, dass ihr Unternehmen in eine finanzielle Schieflage gerät.

Speaker spüren Krise
Anders sieht die Situation bei den Trainern und Speakern aus. Sie berichteten reihenweise von der Absage von Veranstaltungen und Events. Dies ist ebenfalls nachvollziehbar. Denn wenn die Mitarbeiter der Unternehmen, um die Infektionsgefahr zu reduzieren, weitgehend von zu Hause aus arbeiten, wäre es geradezu absurd, sie für ein Training zusammenzutrommeln, bei dem sie zum Beispiel professionell zu präsentieren lernen. Ähnlich verhält es sich bei den Vortragsrednern. Wenn keine Veranstaltungen wie Tagungen und Kongresse, Kickoffs und Kunden-Events mehr stattfinden, braucht man auch keine Keynote-Speaker.

Besonders hart scheint es jedoch die Beratungs- und Trainingsunternehmen zu treffen, die grenzüberschreitend oder gar weltweit agieren. So berichtete mir ein namhaftes Trainingsunternehmen, dessen Spezialität internationale Roll-outs von Trainingskonzepten zum Beispiel im Bereich Führung und Vertrieb sind: Unsere Trainings- und Qualifizierungsmassnahmen wurden – so weit sie nicht online stattfinden – ausnahmslos storniert. Nicht nur wegen des erhöhten Infektionsrisikos, das mit Fernreisen und wenn Menschen aus mehreren Ländern sich treffen verbunden ist, sondern auch wegen der (Ein-)Reisebeschränkungen, die inzwischen für viele Länder gelten.

Online Boomt 
Dessen ungeachtet sind die Aussagen des Inhabers des Trainingsinstituts typisch für die aktuelle Situation im Trainings- und Beratungsmarkt: Fast alle Anbieter berichten von einer verstärkten Nachfrage, inwieweit sie ihre Leistung auch netzgestützt erbringen könnten – zum Beispiel in Form von Webinaren, Video- und Telefonkonferenzen oder Online-Coachings.

Die geringsten Umsatzeinbussen und geringste Zukunftsangst haben denn auch die Anbieter, die in der Vergangenheit bei ihrer Produktentwicklung bereits recht stark auf Online-Beratungen und BlendedLearning-Angebote setzten, die Präsenzveranstaltungen mit einem Online-Lernen verknüpfen. Sie können, wenn ein Kunde einen Auftragsstorno ins Spiel bringt, sagen: «Dann lassen Sie uns die Trainingsmassnahme doch als Webinar mit einem anschliessenden Online-Coaching durchführen. Die nötige Infrastruktur und Erfahrung hierfür haben wir ja schon.

Markt formiert sich neu
Diese Anbieter sehen in der Corona-Krise sogar eine Chance zu wachsen, also bei neuen Kunden einen Fuss in die Tür zu bekommen und mittelfristig deren angestammte Berater beziehungsweise Trainingspartner zu verdrängen, denn klar ist für sie: Zwar galt auch schon in den zurückliegenden Jahren die Maxime «Die digitale Transformation der Wirtschaft macht vor der betrieblichen Personalarbeit nicht halt – doch manche HRler sowie viele Trainer und Berater zogen hieraus nicht die nötigen Schlüsse.»

Im Zuge der Corona-Pandemie wird sich jedoch auch eine Bewusstseinsänderung einen Paradigmenwechsel in Unternehmen vollziehen. Die Pandemie wird wie
ein Brandbeschleuniger wirken in dem Prozess, der sich eigentlich seit Jahren vollzieht, nämlich dass die Unternehmen bei ihrer Personalarbeit beziehungsweise -entwicklung immer stärker auf OnlineLösungen beziehungsweise Blended-Learning-Konzepte setzen.

Insofern macht die Corona-Krise auch die Versäumnisse mancher Beratungs- und Trainingsanbieter beim (Weiter-)Entwickeln ihrer Produkte in der Vergangenheit sichtbar. Und klar ist schon heute: Sie wird zu Strukturveränderungen im Beratungs- und Weiterbildungsmarkt führen. So werden zum Beispiel in naher Zukunft viele etablierte Beratungs- und Traineranbieter mit ganz neuen, innovativen Mitbewerbern zu kämpfen haben, die sie heute noch gar nicht auf dem Monitor haben – ähnlich wie dies im Handel und in der Finanzwirtschaft bereits der Fall war. Denn wie lautet ein alter Beraterspruch? In der Krise formiert sich der Markt neu.

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