von Martina Römmelt-Fella

Gegenwärtig werden verschiedene grosse Freihandels-abkommen ausgehandelt, die auch für die Schweiz -unterschiedliche Auswirkungen haben können. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) ist dabei in Europa ein umstrittenes Projekt.

Im Eindruck der öffentlichen Wahrnehmung steht «die Wirtschaft» geschlossen hinter den Verhandlungen – immerhin bringe Freihandel Wachstum. Dieser Eindruck wurde von grossen Industrieverbänden mit teuren Werbekampagnen gefördert. Tatsächlich stehen aber gerade viele kleine Unternehmen TTIP kritisch oder sogar ablehnend gegenüber. Zum einen weil sie das geplante Abkommen mit Amerika als nicht vereinbar mit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung als Unternehmer ansehen: In Zukunft müssten Gesetzesvorhaben auf Vereinbarkeit mit dem Handelsabkommen überprüft werden, durch Gremien, die sich der demokratischen Kontrolle entziehen. Notwendige Entwicklungen, etwa beim Umwelt- oder Verbraucherschutz, würden massiv erschwert. Zum anderen aber auch aus handfesten wirtschaftlichen Gründen. Denn dass TTIP europäischen KMU Vorteile bringt, ist ein Märchen und Teil einer geschickten TTIP-Marketingstrategie der Kommission. Dazu einige Beispiele:

Regulatorische Kooperation: Befürworter argumentieren, dass Doppelzertifizierungen für technische Produkte wegfallen und damit Exporte erleichtert werden. Aber: Der US-Markt ist bis heute höchst fragmentiert, mit regulativen und normativen Unterschieden in den 50 Bundesstaaten. Daran wird auch TTIP nichts ändern. Im schlimmsten Fall wird US-Unternehmen der europäische Marktzugang erleichtert, europäische Unternehmen müssen aber weiterhin unüberschaubare regionale Besonderheiten erfüllen. TTIP würde zur Einbahnstrasse mit Vorteilen für amerikanische Firmen.

Öffentliches Beschaffungswesen: Mit TTIP sollen Unternehmen beiderseits des Atlantiks einen leichteren Zugang zum jeweiligen öffentlichen Beschaffungswesen des Partnerlandes bekommen. «Buy local»-Regelungen sollen abgebaut werden. Das ist nicht nur ökologisch fragwürdig. Allein aus Logistik- und Kapazitätsgründen wird es für mittelständische Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks schwer, sich mit international operierenden Unternehmen zu messen. TTIP führt zu unfairem Wettbewerb.

Internationale Schiedsgerichte: Sie werden den KMU-Verantwortlichen als notwendiges Instrument angepriesen, um ihre Investitionen zu verteidigen. Das ist bei durchschnittlichen Verfahrenskosten von acht Millionen Euro mehr als zynisch. Welcher mittelständische Betrieb kann sich das leisten?

Ein völkerrechtlicher Vertrag wie TTIP ist das falsche Instrument für die zweifelsohne bestehenden Herausforderungen: Normen werden am besten global in den einschlägigen Institutionen (ISO) festgelegt. Gesetzliche Vorgaben sollten von den jeweiligen Ländern selbst im Rahmen ihrer sozialen und ökologischen Präferenzen festgelegt werden. Gegenseitige Anerkennung von Richtlinien ist, wenn es in der Sache sinnvoll ist, auch ohne TTIP möglich. Das zeigen Beispiele wie das Äquivalenzabkommen für Bioprodukte zwischen den USA und Europa.

Die geleakten Verhandlungsdokumente vom 2. Mai 2016 decken ein zentrales Problem auf: Bei einer branchenübergreifenden Verhandlung drohen weniger starke Lobbygruppen zu Bauernopfern der Platzhirsche zu werden. Wenn am Verhandlungstisch die Interessen der Automobilindustrie gegen die der Agrarwirtschaft aufgewogen werden, dann besteht die Gefahr, dass ganze Branchen zur Verhandlungsmasse werden. Die USA verfolgen dabei eine «End-GAME-Strategy»: Strittige Fragen werden zunächst zurückgestellt, und beim TTIP-Verhandlungsfinale wird auf Zugeständnisse gehofft. Das Risiko ist gross, dass dabei unter politischem Druck Lösungen durchgeboxt werden, die fachlich nicht sinnvoll sind. Zum Nachteil der europäischen KMU.

Weitere Informationen:
www.kmu-gegen-ttip.de