Unternehmen müssen mit sehr unterschiedlichen Situationen umgehen lernen.

«Wie sicher sind die Märkte? Herausforderungen im internationalen geschäft»: Das ist der titel der Studie Unternehmensperspektiven der Commerzbank. Die Studie stellt die ergebnisse einer Befragung von über 100 Unternehmen aus der deutschsprachigen Schweiz vor. Wir führten dazu ein interview mit dem Ceo der Commerzbank Schweiz, Marc Steinkat.

Der Grad der Internationalisierung von Schweizer Unternehmen ist auch im Vergleich zu den direkten Nachbarn hoch – und er nimmt weiter zu. Was haben Sie in der Studie genau untersucht?
Lassen Sie mich zunächst zwei Sätze zum Ausgangspunkt der Studie selbst sagen.
In unserer Studienreihe «Unternehmerperspektiven» – hier in der Schweiz ist es mittlerweile die siebte Studie – gehen wir von den aktuellen Bedürfnissen von Unternehmen aus. Was beschäftigt sie, was treibt sie um? Das ist die Basis. In diesem Jahr haben wir das Thema Internationalisierung gewählt.

Aus welchen Gründen?
Weil Schweizer Unternehmen sehr stark exportabhängig sind – in manchen Branchen nahezu zu 100 Prozent. Das Auslandsgeschäft ist das Herzstück der Schweizer Wirtschaft. Zugleich steigt die Verunsicherung. Das Bild von der sich bruchlos linear entwickelnden globalen Wirtschaft der letzten drei Jahrzehnte hat Risse bekommen. Auch politische Rahmenbedingungen, Akteure wie Trump oder Bolsonaro verdeutlichen dies. Auch Handelskriege und Brexit schaffen neue Risiken.

Da könnte ich auch noch einige Stichworte und Namen anfügen. Können Sie noch weitere Faktoren aufzählen, die dazukommen?
Ein starker Treiber ist die Digitalisierung, die ja ganze Wertschöpfungsketten in Unternehmen verändert. Eine richtig gewählte Strategie kann hier zu höherer Wettbewerbsfähigkeit und Innovation führen. Das ist sehr wichtig für Schweizer Unternehmen, da sie immer wieder den Aufwertungsdruck der eigenen Währung spüren. Eine weitere Rolle spielen die weltweiten potenziellen Absatzmärkte. Dabei geht es aber nicht nur um den Absatz, sondern auch um die Internationalisierung des Handels, der jetzt wie gesagt politisch unter Druck kommt.

Das sind dann aber die seit Jahren bekannten Herausforderungen.
Vorsicht. Es kann immer ein Schwarzer Schwan, wie aktuell das Coronavirus, auftauchen. Auf jeden Fall werden verlässliche Planungen, die einige Jahre Bestand haben, immer schwieriger. Genau diese brauchen Unternehmensverantwortliche aber, um Strategien umsetzen zu können. Und genau darauf zielt unsere Studie ab. Die zentrale Frage lautet: Wie stellen sich die Schweizer Unternehmen diesen Rahmenbedingungen, um weiter ein erfolgreiches Exportgeschäft betreiben zu können?

Das sollten wir noch vertiefen. Haben Sie eine Idee, wie man diese in Teilen gegensätzlichen Entwicklungen zusammenfassen kann?
Volatilität und Planungsunsicherheit sind ein Stück unseres Arbeitsalltags geworden. Feste Planungsparameter sind heute seltener geworden. In der Zukunft dürften sich diese Entwicklungen fortsetzen. Die neue Normalität ist keine stetige Entwicklungslinie mehr, sondern ein Bild mit vielen Ausschlägen und Kurven.

Die weltwirtschaftlichen Beziehungen sind auf den ersten Blick stabil. Nehmen wir den ungewöhnlich langen positiven Konjunkturzyklus in den USA, welcher sich aber Ende des Jahres – ich vermute mal bis nach den Präsidentschaftswahlen – oben halten wird. Gleichzeitig wird Europa fast schon mal wieder abgeschrieben. Erleben wir nicht in optimistischen wie auch pessimistischen Szenarien extreme Ausschläge? Und was macht dies mit unseren strategischen Entscheidungen, wenn wir die Tendenz der Renationalisierung mit einbeziehen? 
Verantwortungsträger in Unternehmen kommen in Zwickmühlen. Wir können mit althergebrachten Handelspartnern nicht mehr einfach nur Handel treiben.

Warum nicht?
Nehmen wir ein Schweizer Unternehmen, welches mit Firmen in den USA Geschäfte betreibt und auch Exporte nach China realisiert. Es kann schnell in die Mahlsteine der Handelskonflikte kommen. Von der amerikanischen Seite her wird hier inzwischen ein Stück weit verlangt, sich zu positionieren. Entweder man ist ProAmerika oder Pro-China. Und wenn man dann auch Niederlassungen oder Produktionsstandorte in Ländern wie den USA, China und Europa hat, kommt man fast schon automatisch – auch als Schweizer Unternehmen – in eine Bredouille.

Zudem gibt es Verschiebungen und Paradigmenwechseln bei der Beurteilung der Handelspartner. Schweizer Unternehmer bewerten Grossbritannien oder Italien, als Kernländer der Eurozone, schlechter als das ehemalige Schwellenland China. Auch dies ist ein Ergebnis der Studie Ihres Hauses.
Die Tendenz ist seit einigen Jahren klar erkennbar. China hat die Transformation von einem billig produzierenden Standort – der verlängerten Werkbank der Weltwirtschaft – in Richtung einer Wirtschaftsmacht, die mit den Kernstaaten Europas und den USA im Wettbewerb ist, geschafft China ist ein Handelspartner auf Augenhöhe. Das gilt inzwischen nicht nur für Luxusgüter – Stichwort Uhren –, sondern eben auch für Maschinen und verschiedenste Dienstleistungen.

Auch der Zusammenhang von Risiken und Chancen verändert sich. Das kann man vielleicht am besten an unterschiedlichen Branchen festmachen. Auf der einen Seite haben wir die Schweizer Automobilzulieferer, die sich jetzt, ich sag mal so, auf den Punkt gebracht, neu erfinden müssen. Der Verbrennungsmotor wird in zehn Jahren sicher eine weniger wichtige Rolle spielen. Auf der anderen Seite ist die Energiewende im Zeichen des Klimawandels voll im Gange. Sie bietet doch auch unternehmerische Chancen? 
Absolut. Unsere aktuelle Studie zeigt auf, dass Schweizer Unternehmen wesentlich flexibler auf die Veränderungen reagieren. Das heisst nun aber nicht «Alles ist möglich». Man muss eine gewisse Stabilität aufweisen, darf aber gleichzeitig die Flexibilität nicht vergessen. Ich verwende an dieser Stelle der Argumentationskette ein Bild aus der Schifffahrt. Früher war man als Unternehmensverantwortlicher der Kapitän auf einem Dickschiff. Es gab einen klaren Kurs, der oft auf den nationalen Rahmen beschränkt war, und von dem wich man nicht gerne ab. Heute sind Unternehmensverantwortliche eher auf Schnellbooten unterwegs. Sie haben einen klaren Kurs, können diesen bei Bedarf aber schneller verändern. Schweizer Unternehmen sind in ihrer Mehrzahl schon Schnellboote. Sie ergreifen die Chancen schneller als beispielsweise in Deutschland. Auch diese These belegt die Studie.

Die makroökonomischen Daten, die wir in der Weltwirtschaft aktuell sehen, deuten nicht in Richtung Volatilität. Wir haben niedrige Zinsen und eine niedrige Inflation. Auch der Welthandel und das Wachstum sind kümmerlich. Welches Szenario sehen Sie denn so mittelfristig für dieses Jahr? Kommen wir in eine japanische Situation einer langen Stagnationsphase hinein? Oder was für Szenarien sehen Sie am Horizont?
Ich glaube, dass erst einmal diese klassische Bewertung von Wachstum einen veränderten Stellenwert bekommen wird. Was meine ich damit konkret? Nur nach der Profitabilität eines Unternehmens zu schauen, ist nicht mehr ausreichend. Stärker kommen dafür Themen wie Nachhaltigkeit auf die Agenda. Es geht um Produktionsstandards und Qualitätsfragen. Auch ethisch-moralische Punkte wie beispielsweise Kinderarbeit kommen dazu. Für mich hat daher ein japanisches Modell nicht nur negative Seiten. Wachstum braucht es, ist aber nicht das alleinige Kriterium.

Wagen wir ein Zwischenfazit. Was beinhaltet die Strategie von exportierenden Unternehmen in der Schweiz?
Erstens passen Unternehmen ihre Internationalisierungsstrategien den sich veränderten Rahmenbedingen an. Zweitens gibt es heute keine Patentrezepte mehr. Die Anpassungen der weiteren Geschäftsstrategien sind eher heterogen. Und ganz wichtig: Agilität zählt!

Kommen wir konkret zu Ihrem Hause, der Commerzbank in der Schweiz. Es gibt ja jetzt unterschiedliche Institutionen und auch Anbieter, die beim Thema Export-Dienstleistungen Hilfestellung anbieten. Wie sind Sie hier aufgestellt?
Wir als Bank begleiten Schweizer Unternehmen auf ihren internationalen Wegen. Dies betrifft zunächst den klassischen Handel, im Rahmen von klassischen Exportstrategien. Es geht aber auch um Unterstützung, wenn man als Schweizer Unternehmen ein Unternehmen im Ausland erwerben oder eben seine Produktion ins Ausland verlagern möchte. Als vor 150 Jahren in Deutschland gegründete Handelsbank liegt das quasi in unserer DNA. Heute wickelt die Commerzbank über 30 Prozent des gesamten deutschen Exports ab. Unser weltweites Netzwerk kommt uns dabei zugute. Für unsere Schweizer Kunden sind wir vor Ort präsent. In Zürich und an fünf weiteren Standorten.

Sie sehen jetzt aber auch Defizite von Schweizer Unternehmen. Es geht um die Abfederung oder die Sicherung von Risiken – insbesondere von Finanz- und Währungsrisiken. Da gibt es offensichtlich aus Ihrer Sicht noch Luft nach
oben. Was müssen die Unternehmen da aus Ihrer Sicht tun?
Es gibt keine absolute Sicherheit. Aber man kann Geschäftsprozesse absichern. Wir haben die volatilen Verhältnisse angesprochen. Währungsschwankungen sind ein grosses Thema, auch dies belegt die Studie. Diese abzusichern, machen aber die wenigsten Unternehmen. Das Gleiche gilt für den Rohstoffhandel, der auch sehr volatil ist. Im Auslandsgeschäft der Schweizer Unternehmen machen Währungsrisiken und Einfuhrzölle besonders oft Probleme, zudem bürokratische Anforderungen und schwankende Rohstoffpreise. Hier können wir mit unserem Know-how ansetzen.

www.commerzbank.ch