Der Begriff der «digitalen Transformation» ist derzeit in aller Munde. Viele sprechen in diesem Zusammenhang gar von einer Revolution – und damit verbunden vom grössten Umbruch seit der Industrialisierung. Einem Umbruch, der alle Branchen und alle Bereiche entlang der Wertschöpfungskette massgeblich beeinflusst und auch in Zukunft weiter beeinflussen wird. Doch welchen Einfluss hat dieser Transformationsprozess auf Schweizer KMU? Wo liegen die Chancen, wo die Risiken? Ein Klärungsversuch.

von Tanja Regli

Als Konsumenten in unserem privaten Alltag haben wir die Veränderungen längst antizipiert. Jederzeit online verfügbare Informationen und Dienstleistungen, intelligente Smartphones und soziale Netzwerke sind zur Selbstverständlichkeit geworden und verändern unser Konsumverhalten grundlegend. Der digitale Wandel hat unseren Alltag fest im Griff. Der moderne Kunde ist vernetzt, umfassend informiert und mobil. Damit erhält er eine nie zuvor dagewesene Marktmacht. Diese Marktmacht der Konsumenten bekommen auch die Schweizer KMU zu spüren. Der Kunde 2.0 will auf neuen Kanälen mit Anbietern in Kontakt treten und seine Bedürfnisse sofort befriedigt sehen. Die Kundenloyalität nimmt dabei stetig ab. Gelangt der Kunde mit einem Anliegen an den Markt, erwartet er einen hervorragenden und schnellen Service, den er notfalls auch bei der Konkurrenz findet. Und diese schläft bekanntlich nicht.

GeKommen, um zu bleiben
In Zeiten, in denen sich die digitalen Möglichkeiten und damit auch die Anforde­rungen der Konsumenten schneller denn je verändern und beinahe täglich neue ­Anbieter mit fundamental neuen Geschäftsmodellen in den Markt eintreten, stellt eine Vogel-Strauss-Taktik keine Alternative dar. Schweizer KMU sind gefordert, sich mit der digitalen Realität auseinanderzu­setzen und einen auf sie und ihre Budget- und ­Ressourcensituation zugeschnittenen ­digitalen Fahrplan zu entwickeln. Verpassen sie diese Chance, wird die Konkurrenz letztendlich als Sieger hervorgehen.

Neue Erfolgsmodelle gesucht
Tatsächlich profitieren gerade auch KMU massgeblich von den neuen digitalen Technologien. Technologien wie Social Media, Mobility, Data Analytics und Cloud-Computing befähigen Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle, operativen Prozesse und Kunden­interaktionen zu überdenken und neu zu gestalten. Durch den ­Einsatz einer modernen und flexiblen IT-Infrastruktur werden Prozesse und Betriebsabläufe ­optimiert und automatisiert. Als Resultat werden die wertvollen Ressourcen dort eingesetzt, wo sie einen effektiven Mehrwert in der Wertschöpfungskette erzielen. Und sie erhalten Freiraum, um sich um das Wichtigste zu kümmern: die Kunden. Durch neue Kanäle wie Online-Marketing und soziale Netzwerke kann die Kundenansprache denn auch persönlicher, zielgerichteter und kostengünstiger gestaltet werden.

Das veränderte Informations- und Kommunikationsverhalten in der Gesellschaft beeinflusst auch die Zusammenarbeit zwischen den Teams und Abteilungen eines Unternehmens. Neue Communication- und Collaboration-Tools leisten einen massgeblichen Beitrag an die Qualität der Zusammenarbeit und einen schnellen, einfachen Informationsaustausch. Ein Punkt, der speziell in modernen, ­mobilen Arbeitsumgebungen an Relevanz gewinnt. Im Jahr 2020 werden die sogenannten «Digital Natives» – also diejenigen Fachkräfte, die mit Internet und digitalen Technologien aufgewachsen sind – die Mehrheit ihrer Belegschaft stellen. Auch hier gilt es, gerade mit Blick auf den akuten Fachkräftemangel, diesen wertvollen Personalressourcen genau die Arbeitsbedingungen zu ­ermöglichen, unter denen sie in puncto Produktivität zur Höchstform auflaufen können.

Marode IT-Landschaften – die angezogene Handbremse
«Sie ist historisch gewachsen»: Wenn es um die IT- und Software-­Landschaft von KMU geht, eine häufig anzutreffende Aussage. Viele Unternehmen sehen sich mit veralteten Software-Systemen konfrontiert, deren Schnittstellen längst nicht mehr einen ­«Single point of truth», also eine vollständige Transparenz über alle ­Geschäftsdaten, ermöglichen. Zudem gestalten sich auch die Wartung und Aktualisierung ­zusehends schwierig, wenn sich verschiedene Anschaffungsjahre, Anbieter und Marken im Laufe der Jahre ansammeln. Die Resultate einer maroden IT-Landschaft sind ineffiziente Prozesse, manuelle Arbeitsschritte mit grosser Fehleranfälligkeit, ­gesetzliche Risiken, wenn beispielsweise die Compliance nicht mehr gewährleistet werden kann, und sicherlich Einbussen bei der Qualität der Kundenbetreuung. Anstatt sich mit den veränderten Bedürfnissen ­ihrer Kunden zu befassen, verlieren KMU Zeit mit historisch gewachsener IT und punktuellen Optimierungen, die den zunehmenden Anforderungen nicht gerecht werden.

Dem Status quo Flügel verleihen
Die Zeiten der Insellösungen im «Neuland» sind vorbei. Schweizer KMU sind gefordert, ihre Digitalstrategie grundlegend zu überdenken und auf ein solides Fundament zu stellen. Dabei geht es zunächst um eine Auslegeordnung der für das Unternehmen relevanten digitalen Möglichkeiten. Wie soll unsere Arbeitsumgebung zukünftig  ausgestaltet werden? Welche Prozesse müssen beschleunigt und automatisiert werden, um die vom Kunden geforderte Qualität und Schnelligkeit zu erfüllen? Auf welchen Kanälen wollen die Kunden mit uns in Kontakt treten? Welche Informationen und Tools benötigen wir, um unsere Kunden umfassend und persönlich zu beraten und betreuen? Die Antworten auf alle diese Fragen legen schlussendlich den Grundstein für eine erfolgreiche und unternehmensübergreifende Digitalstrategie. Eine Strategie, die im Angesicht des sich stetig verändernden Markt- und Technologie-Umfelds nicht in Stein gemeisselt wird. Sondern sich vielmehr in einem kontinuier­lichen Analyse- und Veränderungsprozess widerspiegeln soll. Sind die digitalen Prioritäten festgelegt, gilt es diese – in einem mit Blick auf die individuelle Ressourcen- und Budgetsituation realistischen Fahrplan – zielgerichtet und unter Einbezug aller relevanten Anspruchsgruppen im Unternehmen anzupacken und umzusetzen. Nur mit diesem «Top-Down»-Ansatz werden Schweizer KMU in der Lage sein, sich selber die notwendige digitale Fitness anzueignen und sich damit langfristig einen Erfolg ­versprechenden Wettbewerbsvorteil zu schaffen.

Vom Buzzword zur Erfolgsposition
Hier ein ERP-Tool, da eine Webseite mit Kundenportal, dort eine App und irgendwo vielleicht auch ein Social-Media-Auftritt auf Facebook & Co: Die digitale Präsenz von Schweizer KMU ist noch immer häufig ­geprägt von Insellösungen, schwerfälligen Schnittstellen und starren Organisationsstrukturen innerhalb der involvierten Abteilungen. Von einer echten Digitalstrategie kann da nicht die Rede sein.

Unternehmen sind angesichts des sich schnell verändernden Markt- und Technologieumfeldes gefordert, eine solide Digitalstrategie mit enger Verzahnung in die Unternehmensstrategie aufzusetzen. Gelingt dies nicht, verpassen sie die Chance, sich gegenüber der Konkurrenz abzuheben, und setzen mittel- und langfristig ihren ­Unternehmenserfolg aufs Spiel. Wir haben hier die neun wichtigsten Tipps für eine erfolgreiche Digitalstrategie zusammengefasst.

1. Digitalisierung ist Chefsache
Eine echte Digitalstrategie kann nicht in den Händen einer einzelnen Abteilung liegen – weder bei der IT noch bei Marketing oder Verkauf. Der Erfolg der Digitalstrategie hängt davon ab, dass diese von den übergreifenden Geschäftszielen des Unternehmens – und nicht denjenigen einer einzelnen Abteilung – abgeleitet wird. Hinzu kommt, dass die Umsetzung einer Digitalstrategie nicht eben von heute auf morgen erledigt ist. Vielmehr geht es um eine kontinuierliche und konsequente Verfolgung der gesteckten Ziele und Prioritäten. Diesen Fokus auch im hektischen Arbeitsalltag zu behalten, ist eine grosse Herausforderung. Und sie ist nicht selten auch verbunden mit «Trade-offs». Wenn es darum geht, im Sinne der Digitalisierung auch schwierige Entscheidungen zu Budget- und Personalressourcen zu treffen, kann diese Verantwortung nur in den Händen der Geschäftsleitung liegen.

2. Das grosse Ganze sehen
Digitale Projekte, die punktuell und ohne Blick aufs «grosse Ganze» angestossen werden, sind von Beginn weg zum Scheitern verurteilt. Die Digitalisierung eines ­Unternehmens muss alle Bereiche eines Unternehmens miteinschliessen: von der Ausgestaltung des eigentlichen Leistungsangebotes, über die Vermarktung, den ­Verkauf, bis hin zur Auftragsabwicklung und zu den Serviceleistungen. Eine erfolgreiche Digitalstrategie muss alle Aspekte des digitalen Unternehmens umfassen und integrieren.

3. «First things first»
Auch wenn der interne und externe Druck hoch ist, digitale Initiativen schnellst­möglich umzusetzen: Setzen Sie sinnvolle Prioritäten und denken Sie an Punkt 2 ­unserer Liste. Das grosse Ganze. Allzu oft verfallen Unternehmen – haben sie einmal die Dringlichkeit der Situation ­erfasst – in einen ungesunden und wenig zielführenden Aktionismus. Damit erreichen sie jedoch nur eines: Die ohnehin schon historisch gewachsene, schwerfällige und komplexe IT-Landschaft wird um ein weiteres Puzzle ergänzt, das sich nie richtig integrieren und das Unternehmen mittelfristig in seiner ­digitalen Entwicklung weiter ausbremsen wird.

4. Kommunikation ist matchentscheidend
Mit der digitalen Transformation eines Unternehmens werden nicht nur Strategie, sondern auch Struktur und Kultur massgeblich verändert. Ohne das Verständnis, den Rückhalt und die Unterstützung von Mitarbeitenden und Führungskräften kann keine Digitalstrategie langfristig erfolgreich etabliert werden. Es ist für Unternehmen daher essenziell, die Belegschaft frühzeitig mit «ins Boot» zu holen und den Mitarbeitenden ihren individuellen Beitrag zum Gelingen des digitalen Vorhabens aufzuzeigen.

5. Realistische Ziele definieren
Die Umsetzung einer Digitalstrategie ist für viele Schweizer KMU eine Herkules-­Aufgabe. Umso wichtiger ist es, dass rea­listische Ziele definiert und konkrete Kennzahlen entwickelt werden, die eine Mes­sung des erzielten digitalen Erfolges zulassen. Phasenpläne mit konkret messbaren ­(Zwischen-)Zielen ermöglichen es dem KMU, seinen individuell definierten Digital-Fahrplan regelmässig zu überprüfen und sicherzustellen, dass die definierten Ziele mit den getroffenen Massnahmen erfüllt werden.

6. Geeignete Strukturen schaffen
Damit Mitarbeitende die Digitalstrategie ­erfolgreich vorantreiben und die erwarteten Ergebnisse erzielen können, müssen die benötigten Ressourcen bereitgestellt werden. Es gilt, neue Strukturen aufzubauen und sie mit den notwendigen finanziellen Mitteln und den benötigten Kompetenzen auszustatten. Durch gemeinsame Ziele werden (Denk-)Silos überwunden und Mitarbeitende unterschiedlicher Fachbereiche miteinander verbunden.

7. Der Weg ist das Ziel
Die digitale Transformation ist gekommen, um zu bleiben. Deshalb müssen Schweizer KMU alle ihre digitalen Elemente kontinuierlich auf den Prüfstand stellen. Welche neuen Markt- und Technologietrends sind relevant für unsere eigene Leistungser­bringung? Welchen Einfluss haben sie auf unsere operativen Prozesse? Wo steht ­unser Mitbewerb? Wie können wir mittels neuen digitalen Innovationen unsere Wertschöpfungskette optimieren, ein noch besseres Kundenerlebnis generieren und damit weitere Wettbewerbsvorteile realisieren?

8. Externe Expertise einholen
Welche Digitalstrategie für Ihr Unternehmen die Richtige ist, können letztendlich nur Sie entscheiden. Im anspruchsvollen operativen Tagesgeschäft eines KMU fällt es aber oftmals schwer, sich selber die benötigten Freiräume zu schaffen, um fundierte Entscheidungsgrundlagen zu erarbeiten und die Strategieentwicklung konsequent voranzutreiben. Unternehmensunabhängige Experten können Sie dabei unterstützen, die benötigte Expertise in den Diskurs miteinzubringen, neue Lösungen zu kreieren und Auswege aus strategischen Sackgassen zu finden. Sie erhalten einen wertvollen Sparringspartner, der Sie aktiv in der Verfolgung und Realisierung Ihrer Ziele begleitet.

9. Starten Sie jetzt in Ihre digitale Zukunft
Wer im digitalisierten Wettbewerb überleben will, muss jetzt handeln. Gemäss einer Studie der HWZ wird die digitale Transformation bereits 2017 für über 50 Prozent der KMU erfolgskritisch. Es gilt für Unternehmen also, schnellstmöglich eine Auslegeordnung des eigenen digitalen Reifegrades und der relevanten digitalen Technologien zu machen und die gewonnenen Erkenntnisse zeitnah in einen realistischen, ziel­orientierten Strategie- und Umsetzungsplan zu überführen.

Weitere Informationen:
www.passion4it.ch