Seit seiner Kindheit entwickelte der passionierte CEO von Blancpain eine echte Liebe zur Mechanik – sei es für BMX, Motorräder oder Uhren. In Letzterem fand Marc A. Hayek seine endgültige Berufung, die ihn an die Spitze des renommierten Unternehmens führte.

PRESTIGE BUSINESS: Herr Hayek, die Familie Blancpain verdiente vor der Gründung der Firma zu Beginn des 18. Jahrhunderts ihr Geld in der Landwirtschaft. Wie kam es zur Gründung einer Firma in der Uhrmacherei?
Marc A. Hayek: Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Uhrmacherei in der Schweiz, zunächst in Genf. Die Hugenotten, die in Scharen aus Frankreich vertrieben wurden, fanden in der reformierten Stadt eine Heimat. Als talentierte Handwerker verfügten sie über ein besonderes Gespür für Goldschmiedearbeiten und brachten das Wissen und Können mit, das die Grundlage für den Aufschwung der Uhrmacherei in der Schweiz bildete. Auch in das Waadtland, das Neuenburger Land oder das Vallée de Joux strömten zahlreiche Hugenotten. Neben der Landwirtschaft, von der sie lebten, widmeten sie ihre Zeit während der langen und harten Winter der Herstellung und dem Verkauf von Uhren. Wir sprechen hier noch nicht von Industrie, sondern von der Herstellung einiger weniger Stücke als Nebenbeschäftigung. Als Jean-Jacques Blancpain sich 1735 in den offiziellen Registern von Villeret als Uhrmacher eintrug, machte er damit einen Beruf offiziell und etablierte eine Marke, aber es sollte noch fast ein Jahrhundert dauern, bis eine richtige Manufaktur entstand.

1926 brachte Blancpain die erste Armbanduhr mit automatischem Aufzug auf den Markt. Welche Entwicklungen erfolgten nach diesem Erfolg für die Marke?
Diesem Ausflug in die Welt des automatischen Aufzugs – der aus einer Zusammenarbeit zwischen Blancpain und dem britischen Uhrmacher John Harwood hervorging – folgten zahlreiche Entwicklungen. 1930 präsentierte Blancpain die «Rolls» und perfektionierte damit ein System für den automatischen Aufzug von Damenuhren, die damals noch zu klein für einen Rotor waren. 1953 brachte Blancpain mit der «Fifty Fathoms» die erste moderne Taucheruhr auf den Markt; 1956 folgte die kleinste runde Uhr der Welt, die «Ladybird». Diese beiden Meilensteine in der Geschichte von Blancpain wurden von Jean- Jacques Fiechter und seiner Tante Betty Fiechter erreicht, einer treuen Mitarbeiterin von Frédéric-Émile Blancpain, dem letzten Familienmitglied, welches das Unternehmen leitete. Betty Fiechter übernahm die Marke Anfang der 1930er Jahre, als Frédéric-Émile verstarb, und war damit die erste Frau, die ein Uhrenunternehmen besass und leitete. 1950 folgte ihr Neffe, der das Erbe von Blancpain von ihrem Tod an in den frühen 1970er Jahren bis 1980 allein weiterführte.

Sie sind neben dem CEO von Blancpain nicht nur Rennsportler, sondern auch passionierter Taucher. Blancpain unterstützt bei verschiedenen Projekten besonders die Reinhaltung der Weltmeere sowie Expeditionen in gefährdete und schützenswerte Regionen. Gibt es ein aktuelles Projekt, das Sie gerne erwähnen würden?
Wir haben viele Projekte in der Pipeline. Wir unterstützen weiterhin unsere wichtigsten Partner, wie Laurent Ballesta und den von der Wochenzeitung «The Economist» organisierten «World Ocean Summit», und fördern die globalen Partnerschaften, die wir für 2020 und 2021 initiiert haben, darunter unsere Zusammenarbeit mit der «Mokarran Protection Society», «Oceana» und den «Ocean Photography Awards». Ausserdem werden wir in ein paar Tagen zwei neue Projekte vorstellen, die wir unterstützen. Das erste Projekt mit dem Namen «Sea Academy» konzentriert sich auf die Entwicklung einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Meeresressourcen in Pangatalan, Philippinen, in Zusammenarbeit mit den örtlichen Gemeinden. Es wird von der «Sulubaaï Environmental Foundation» durchgeführt, einer philippinischen Non-Profit-Organisation, die sich für die Erhaltung, den Schutz und die Wiederherstellung der natürlichen Ressourcen Palawans durch ökologisch nachhaltige Praktiken und die aktive Wiederherstellung des Ökosystems einsetzt. Das zweite Projekt konzentriert sich auf das Great Barrier Reef. Blancpain geht eine Partnerschaft mit der «Biopixel Oceans Foundation» und der australischen audiovisuellen Produktionsfirma Biopixel ein, um die Einzigartigkeit, die Vielfalt und die Erhaltung der Natur durch die Entwicklung von unterhaltsamen, ansprechenden und lehrreichen visuellen Inhalten zu fördern. Im Laufe von zwei Jahren werden sechs Filme produziert, die einem weltweiten Publikum positive Botschaften der Hoffnung in Bezug auf die Erhaltung des Great Barrier Reef vermitteln sollen. Das Projekt umfasst auch Forschungsarbeiten, bei denen Megafauna markiert und verfolgt wird, um die Migration der Meerestiere zu analysieren und zu verstehen, wie sie sich infolge des Klimawandels verändern werden.

Als passionierter Taucher liegt Ihnen der Ozean sehr am Herzen. Was haben Sie über den Ozean dank Blancpain und dessen Engagement gelernt?
Ich würde eher sagen, dass das Gegenteil der Fall war: Die Leidenschaft, die ich seit meinem sechsten Lebensjahr für das Tauchen und die Ozeane hege, hat dazu beigetragen, die Identität zu formen, die wir heute von Blancpain kennen. Als ich zur Marke stiess, verliebte ich mich sofort in die «Fifty Fathoms», die jedoch nicht mehr in der damaligen Kollektion war. Diese Uhr wiederzubeleben und sie im 21. Jahrhundert zu verankern, war eines meiner ersten Projekte. In diesem Zusammenhang hatte ich das Glück, ausführliche Gespräche mit Jean-Jacques Fiechter zu führen, der von 1950 bis 1980 CEO von Blancpain war und mir viel über die Geschichte und die Entwicklung von Taucheruhren beibrachte. Jean-Jacques Fiechter war ein Pionier und leidenschaftlicher Taucher. Nachdem er bei einem seiner Unterwasserabenteuer keinen Sauerstoff mehr zur Verfügung hatte und zu einem Notaufstieg gezwungen worden war, erkannte er, dass das Leben eines Tauchers von einem zuverlässigen Zeitmesser abhing. Er schuf die «Fifty Fathoms», die erste moderne Taucheruhr, und trug damit zur Sicherheit beim Tauchen und folglich zur Öffnung der Unterwasserwelt bei. Um der Geschichte und dem Erbe der «Fifty Fathoms» treu zu bleiben, hielt ich es für wichtig, die Verbindung von Blancpain mit der Meeresgemeinschaft wiederzubeleben. Es begann mit Fiechter in den 1950er Jahren, der die «Fifty Fathoms» als Unterwasser-Zeitinstrument zur Verfügung stellte, mit dessen Hilfe man die Welt des Ozeans erkunden konnte. Das war der erste Schritt, aber ich wollte dem Ozean etwas zurückgeben: versuchen zu helfen, versuchen aufzuklären und die Menschen zu motivieren, seine Schönheit zu schützen und zu bewahren. So entstand das «Blancpain Ocean Commitment». Die Geschichte wiederholt sich, und es erfüllt mich als leidenschaftlichen Taucher mit grossem Stolz, dass ich die Fackel von Jean-Jacques Fiechter übernehmen und mein Engagement für die Ozeane mit Blancpain teilen konnte.

Das Element Wasser ist für Blancpain auch bei den Zeitmessern ein Thema wie bei der «Fifty Fathoms». Auch hier waren Sie Leader und haben 1953 damals die erste moderne Taucheruhr entwickelt mit drehbarer Tauchzeitskala. Ende letzten Jahres wurden zwei neue Modelle der Reihe «Tourbillon 8 Jours» gelauncht. Gehört die Uhr auch heute noch zu Ihren erfolgreichsten Modellen?
Die «Fifty Fathoms» ist nicht «immer noch» eines unserer renommiertesten Modelle, sondern «wieder». Tatsächlich wurde die Kollektion über zwanzig Jahre lang auf Eis gelegt, bevor wir sie Anfang der 2000er Jahre wiederbelebten. Inzwischen ist sie eine der wichtigsten Säulen von Blancpain und generiert mehr als 40 Prozent unserer Verkäufe. Zu unseren Bestsellern gehören mehrere Versionen der Dreizeiger-Bathyscaphe sowie die «Fifty Fathoms Automatique» aus Titan. Die «Fifty Fathoms Tourbillon» ist ihrerseits eine Statement-Uhr, die das Know-how von Blancpain im Bereich der uhrmacherischen Komplikationen mit unserer Expertise auf dem Gebiet der Taucheruhren vereint.

Neu ist auch die «Ladybird Colors»- Kollektion. Welchen Anteil nehmen die Damen Ihrer Käuferschaft ein?
Frauen machen ein Drittel unserer Kundschaft aus, und zwar über alle Kollektionen gesamt gesehen. Übrigens werden wir im Laufe des Jahres neue Stücke für Damen in den Linien «Fifty Fathoms», «Air Command» und «Ladybird» auf den Markt bringen.

Sie sind ein CEO, der seinen ganz eigenen Weg gegangen ist. Vom Marketingstudium, über Schweizer Meister im BMX-Fahren, über das Führen eines eigenen Restaurants bis hin zurück zu Ihrem Familienunternehmen 2002. Was hat Sie zurück in die Welt der Uhren gelockt?
Unternehmer zu sein, ist eine Sache. Das ist nur ein Teil von mir. Seit meiner Kindheit habe ich eine echte Liebe zur Mechanik entwickelt, sei es BMX, Motorrad oder Uhren. Ich habe sogar ein Semester lang Maschinenbauingenieur studiert. Das war schon immer eines meiner Interessen. Ich mag Details und Perfektion. Es ist faszinierend, wenn man in der Lage ist, winzige, sorgfältig bearbeitete Teile zusammenzusetzen, um ein Objekt herzustellen, das zum Leben erweckt wird, wie eine Uhr. All diese Details und die Qualität, die sich daraus ergibt, wecken Emotionen. Genau aus diesem Grund habe ich mich Blancpain angeschlossen und nicht einer Volumenmarke. Die mechanische und uhrmacherische Leidenschaft ist wirklich jeden Tag da – und sie hat mich nie verlassen. Aus
dieser Leidenschaft erwächst der Wunsch, sich ständig selbst zu übertreffen.

Inzwischen sind mehr als 20 Jahre vergangen. Können Sie behaupten, angekommen zu sein und mittlerweile Ihre wahre Berufung gefunden zu haben?
Ich habe eine echte Berufung, aber ich denke, dass ich nie am Ende der Suche ankommen werde. Ich erreiche natürlich Ziele, aber ich werde nie an einen Punkt gelangen, an dem ich denke, dass ich alles erreicht habe. Ich habe mein ganzes Leben lang das Glück gehabt, Dinge erschaffen zu können. Ich habe mir Ziele gesetzt, die sich im Laufe der Jahre verändert haben, die aber alle aus meinen lebenslangen Leidenschaften entstanden sind. Mit elf Jahren wurde ich Schweizer-Meister im BMX-Fahren. Ich habe schon früh das Tauchen praktiziert und konnte mich in diesem Bereich weiterentwickeln. Es gibt die Leidenschaft für Mechanik, die Ozeane, aber auch den ständigen Willen, sich selbst zu übertreffen. Besser zu sein, ist immer möglich.

Was waren Ihre grössten Learnings und Herausforderungen der vergangenen Jahre?
Solange ich lebe, werde ich immer etwas dazulernen. Die letzten zwei Jahre waren eine grosse Herausforderung, da es eine beispiellose Situation war. Alles wurde in Frage gestellt, und wir mussten in kürzester Zeit unsere gewohnte Arbeitsweise überdenken, indem wir unsere Kontakte einschränkten und stattdessen Fernbesprechungen abhielten. Ich ziehe viele Lehren aus dieser Erfahrung. Generell sind das Lernen und die Entwicklung von Wissen glücklicherweise ein ewiger Kreislauf. Das Leben wäre sonst sicherlich langweiliger.

In einem Interview sagten Sie einst: «Ich repräsentiere einen kleinen Abschnitt im Leben von Marken, die Jahrhunderte überlebt haben. Meine einzige Aufgabe ist es, deren Geist am Leben zu erhalten.» Wie schaffen Sie es, genau diesen Geist am Leben zu erhalten?
Man muss den Geist der Marke respektieren, ohne das zu wiederholen, was in der Vergangenheit getan wurde. Es geht also darum, die Marke weiterzuentwickeln und gleichzeitig ihre Werte am Leben zu erhalten. Die Entwicklung, von der ich spreche, ist nicht quantitativ. Blancpain zu einem Massenprodukt zu machen, würde gerade bedeuten, ihren Geist zu töten. Wenn man heute eine Grande Complication mit einer «Fifty Fathoms»-Uhr vergleicht, stellt man fest, dass sie vom selben Geist beseelt sind. Ebenso vermitteln eine «Fifty Fathoms» aus den 1950er Jahren und eine zeitgenössische «Fifty Fathoms» ähnliche Werte. Ich muss zugeben, dass es mir nicht schwerfällt, den Geist von Blancpain
weiterzuführen, denn ich habe das Gefühl, mit der Marke verschmolzen und eins mit ihr zu sein.

Sie führen die Swatch Group nun in der dritten Generation Ihrer Familie. Für welche Werte steht die Hayek-Familie?
Unsere Werte, für die wir uns immer wieder einsetzen werden, sind das Unternehmertum, die Ehrlichkeit, sich selbst übertreffen zu wollen und der Familienspirit: Der Mensch steht im Vordergrund.

Was tun Sie als Ausgleich zu Ihrem stressigen Job? Ist Tauchen und BMX-Fahren immer noch Ihr Hobby?
Ich fahre heute nicht mehr so oft BMX. Stattdessen fahre ich ab und zu Mountainbike und Motocross. Ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie und in der Natur. Und natürlich das Tauchen. Wasser ist mein Element, sowohl unterhalb als auch oberhalb. Bootfahren und Angeln sind daher weitere Aktivitäten, die ich besonders liebe.

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