Wer die Persönlichkeit seines Unternehmens nicht kennt, kann sie auch nicht sichtbar machen. Wichtig ist zu wissen, dass bei der Beurteilung eines Unternehmens die gleichen Kriterien wie bei der Beurteilung eines Menschen angewendet werden. Die drei Elemente der Persönlichkeitswahrnehmung sind: Erscheinungsbild, Verhalten und Kommunikation.

Gründe, auf Filme als Mittel der Wahl in der Unternehmenskommunikation zu setzen, gibt es viele. Dazu gehört zum Beispiel, dass drei von vier Kaufentscheidungen von digitalen Inhalten beeinflusst werden, die Mehrheit der Social-Media-Nutzenden Video-Content bevorzugt oder Millennials täglich mehrere Stunden online sind.

Hat sich ein Unternehmen entschieden, auf das Medium Film für die Unternehmenskommunikation zu setzen, gilt es, diverse Fragen zu beantworten, bis das Endprodukt entstehen kann.

ZIELGRUPPE
An wen richten sich die Kommunikationsmassnahmen? Diese Frage ist von elementarer Wichtigkeit, da verschiedene Zielgruppen verschiedene Gewohnheiten des Medienkonsums haben. Hier gilt es Parameter zu setzen wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Familienstand, Haushaltsgrösse, Kaufkraft, Wohnort und demografische Zugehörigkeit.

WIRKUNGSABSICHT
Sind die Fragen zur Zielgruppe geklärt, muss die Wirkungsabsicht definiert werden.
Das kann unter anderem sein: Bekanntheit steigern, Image stärken oder ändern, konkretes Produkt verkaufen, Leads generieren oder Konversion (zum Beispiel Umwandeln von Interessenten in Kunden).

Sind diese Fragen geklärt, können das Format der Kommunikationsmassnahmen,
die Dauer und die Verbreitungskanäle daraus abgeleitet werden. Doch wie soll das Unternehmen überhaupt kommunikativ dargestellt werden? Welche Geschichte
soll erzählt werden?

Geschichten werden genutzt, um die Persönlichkeit und das Handeln eines Unternehmens, dessen Wurzeln, Vision, Ziele, Strategie und Werte zu beschreiben. In der Regel gibt es eine Vielzahl von Geschichten, die all das greifbar macht. Werte zum Beispiel, die auf der Unternehmenswebseite aufgelistet sind, kann sich niemand merken. Geschichten, die diese Werte illustrieren, dagegen schon.

Thomas Pyczak (Speaker, Consultant) beschreibt dies wie folgt: «Jedes Unternehmen erzählt Geschichten von Gründern, von CEOs, von wichtigen Kunden, von Mitarbeitenden, von Partnern, Marken und Produkten. Diese Geschichten reflektieren die Seele der Firma viel authentischer als ein Handbuch mit dem Leitbild. Corporate Storytelling hilft, ein Unternehmen als lebendigen Organismus darzustellen. Es geht um die Kunst, eine Kerngeschichte zu variieren und zu wiederholen. Und zwar so, dass sich möglichst viele Menschen im Umfeld des Unternehmens darin wiederfinden.»

FÜR WELCHE WERTE STEHT DAS UNTERNEHMEN?
Werte können sein: Fortschritt, Tradition, Stärke, Nachhaltigkeit, Ehrlichkeit, Ästhetik, Kultur, Menschlichkeit, Humanismus, Offenheit, Toleranz, Respekt et cetera. Beim Entwickeln der zu erzählenden Geschichte muss darauf geachtet werden, dass sie die richtigen Attribute beleuchtet. Dabei spielt eine grosse Rolle, in welcher Bildwelt sich meine Geschichte abspielt. Auch hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten: Natur, Technik, Wissenschaft, Lifestyle, Fashion, Luxus, Einfachheit, Askese, Reinheit, Unschuld et cetera.
Wichtig ist, dass sich die Persönlichkeit des Unternehmens darin wiederfindet. Dabei gilt es, sich nicht von Trends beeinflussen zu lassen. Der Kern der Marke oder des Unternehmens sollte sich nicht ständig verändern, je nachdem, was kulturell oder gesellschaftlich gerade aktuell ist.

Nun kommt ein Punkt, mit dem sich einige Unternehmen noch schwertun: Information
ist der Feind der Emotion. Die Meinung, ein Unternehmen oder Produkt gut erklären zu müssen, damit es vom Kunden angenommen wird, scheint logisch, ist aber ein Trugschluss. Fakten allein berühren die Menschen nicht. Damit eine Geschichte beim Kunden Eindruck hinterlässt, muss sie Emotionen erzeugen. Der Hirnforscher und Autor Lutz Jäncke schreibt dazu: «Die Analyse der Gehirntätigkeit zeigt, dass im Alltag nicht Logik, sondern Heuristiken die Vielfalt unserer Entscheidungen regeln. Heuristiken sind Strategien, um mit begrenztem Wissen und in kurzer Zeit zu guten Lösungen zu gelangen. Sie sind also eine Art Interpretations- und Vorhersagestrategie, mit der man auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen Schlussfolgerungen ableiten kann.

Solche Heuristiken sind biologisch äusserst sinnvoll, denn man muss bedenken, dass
pro Sekunde über zehn Millionen Bit an Informationen auf unser Sensorium einprasseln. Davon nehmen wir lediglich einen Bruchteil wahr. Und wir wissen, dass wir erheblich mehr unbewusst als bewusst wahrnehmen. Entscheidend ist, dass wir die unfassbar grosse Informationsmenge, mit der wir ständig konfrontiert werden, gar nicht verarbeiten können. Aus diesem Grunde müssen wir die Menge der Informationen beschränken.

Schon die Wahrnehmung ist interpretiert und gefiltert. Wir wählen aus, welche Informationen wir unseren Entscheidungsprozessen zuführen. Welche das sind, hängt von vielen Aspekten wie etwa unserem aktuellen Gefühlszustand oder unseren Motiven ab. Interessanterweise können wir Entscheidungen, die wir mittels unvollständiger Informationen und Heuristiken getroffen haben, im Nachgang sehr intelligent erklären. Dabei stellt sich dann oft das Gefühl ein, diese Ex-post-facto-Erklärungen waren die Ursache unserer Entscheidungen. Sie sind aber lediglich die Selbstbestätigung, die uns die Sicherheit gibt, gute und sinnvolle Entscheidungen getroffen zu haben.»

Das heisst, dass Menschen aus emotionalen Beweggründen kaufen. Die getroffenen Kaufentscheidungen werden erst danach rational begründet und legitimiert – nach dem Motto «erst entscheiden, dann erklären». Das gilt übrigens nicht nur im Bereich
Business-to-Customer, sondern auch bei Business-to-Business, denn Menschen kaufen von Menschen.

Wecke Emotionen! Das klingt einfacher als es ist, denn wie erzeuge ich Emotionen? Wichtig ist, dass das Publikum mit den Protagonisten «connecten» kann, sie sympathisch findet. In
der Filmlehre gibt es diverse Mittel, um eine Figur sympathisch erscheinen zu lassen. Die Figur vollbringt zum Beispiel eine selbstlose Tat, erfährt unverdientes Leid oder zeigt menschliche Schwächen.

Dann geht es darum, die Figur in eine Situation mit möglichst viel emotionaler Fallhöhe zu bringen. Das heisst, man erzeugt Spannung, indem man sie in eine Situation bringt, in der etwas auf dem Spiel steht, die Figur also etwas verlieren kann. Kommt die Figur schadlos aus der Situation heraus, ist das Publikum erleichtert.

Diese und weitere Mechanismen des Erzählens einer Geschichte sind in der Filmlehre unter dem Begriff Dramaturgie zusammengefasst. In Unternehmensfilmen hat man für das Erzählen einer Geschichte aber nicht wie im Film 90Minuten zur Verfügung, sondern nur 90 Sekunden. Die Lösung hierfür heisst: Verdichtung durch die Nutzung von Symbolen, die im kollektiven Bewusstsein verankert sind. Was darunter genau zu verstehen ist, erfahren sie im nächsten Teil von «Visuelle Kommunikation für Unternehmen».

Andy Klossner ist Geschäftsführer der Filmproduktionsfirma Instinct Pictures. Er hat als Regisseur unter anderem Projekte für Peugeot, Ricola oder Oris umgesetzt.

www.instinct-pictures.com