Dr. Jean-Philippe Kohl

Das Wohlergehen der EU kann uns nicht unberührt lassen, zu vielfältig sind die ökonomischen Abhängigkeiten zwischen der EU und der Schweiz. Die schweizerische Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) exportiert 58 Prozent in die EU. Aufgrund dieser starken wirtschaftlichen Verflechtung schlägt die konjunkturelle Entwicklung der EU direkt auf unsere Branche durch. Zudem ist der Euro die für uns bedeutendste Fremdwährung. Die starke Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro seit Mitte Januar 2015 ist denn auch ein wichtiger Grund für den Rückgang unserer Exporte um 5.8 Prozent in den EU-Raum im letzten Jahr.

Die Schweiz hat ein vitales Interesse an einer wirtschaftlich
prosperierenden EU: je stärker die Konjunktur in der EU, desto
höher die Nachfrage auch nach schweizerischen Investitionsgütern der MEM-Industrie. Und je eher die Staaten der Euro-Zone ihre strukturellen Probleme sowie ihre Staatsschulden in den Griff bekommen, desto geringer ist der Druck auf den Schweizer Franken, als «sicheren Hafen» zu fungieren.

Wirtschaftliche Prosperität gelingt am besten in einem Umfeld mit stabilen politischen Rahmenbedingungen. Viele Unsicherheiten in der EU kann die Schweiz jedoch nicht beeinflussen, wie etwa die Flüchtlingsproblematik oder das Risiko eines Austritts Grossbritanniens aus der Union.

Wir können aber sehr wohl zur Schaffung von politisch stabilen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU beitragen. Dazu gehören geordnete Verhältnisse mit der EU als unserem Hauptabsatzmarkt.

Mit den bilateralen Abkommen (die auf dem Freihandelsabkommen von 1972 und weiteren Verträgen mit der EU aufbauen) liegen diese klaren Verhältnisse bereits heute vor. Sie haben die zuvor bestehenden Zugangshürden zum EU-Binnenmarkt für Schweizer Unternehmen praktisch weitestgehend eliminiert und bieten heute einen sicheren Raum für die unternehmerische Tätigkeit und neue Perspektiven zu einem Markt mit 500 Millionen Konsumenten.

Wie eine jüngst von economiesuisse publizierte Studie feststellte, haben die bilateralen Abkommen mit der EU das wirtschaftliche Wachstum der Schweiz stärker positiv beeinflusst als bisher angenommen. Ohne den Wachstumseffekt der bilateralen Verträge würde das Schweizer BIP pro Kopf sich heute auf einem um 5.7 Prozent tieferen Niveau bewegen. Damit würden jedem Einwohner jährlich rund 4 400 CHF weniger zur Verfügung stehen. Auch eine von Swissmem in Auftrag gegebene Studie bei BAK Basel belegt eindeutig, dass die bilateralen Abkommen den Schweizer MEM-Firmen entscheidende Vorteile bringen:

  1. Sie erhöhen die Innovationskraft – weil die Firmen an europäischen Forschungsprogrammen mitarbeiten und die bestmöglichen Fachkräfte rekrutieren können.
  2. Sie senken die operativen Kosten – weil sie Bürokratie abgebaut haben und die Geschäftsprozesse vereinfacht werden konnten.
  3. Sie sichern Arbeitsplätze in der Schweiz – weil die Unternehmen ihre Standorte in der Schweiz halten konnten und diese sogar ausbauen.
  4. Sie begünstigen Investitionen in der Schweiz – weil hohe
  5. Innovationskraft auch risikofähiges Kapital anzieht.
  6. Sie öffnen den Zugang zu neuen Märkten und Kunden – weil die Bilateralen fast alle Handelsbarrieren eliminiert haben.

Es ist deshalb auch wenig erstaunlich, dass 78 Prozent der in der Studie befragten Unternehmerinnen und Unternehmer der MEM-Industrie das Vertragswerk für ihren Betrieb als «wichtig» bis «unverzichtbar» einschätzen.

Angesichts dieser Evidenz sollten wir alles daran setzen, unsere guten und stabilen Beziehungen zur EU aufrechtzuerhalten. Dazu gehören insbesondere die bilateralen Verträge. Alles andere wäre wirtschaftspolitisch töricht.

Weitere Informationen: www.swissmem.ch