Die Schweiz ist auf den ersten Blick ein sehr erfolgreiches Exportland. Wenn man sich aber die Beispiele genauer anschaut, erkennt man schnell viele Höhen und Tiefen in der Geschichte. Wir haben dazu ein Interview mit dem Praktiker Willi Glaeser geführt, der das Buch «Faszination Export»verfasst hat.

Das Thema Export und Schweizer Unternehmen ist eine lange Geschichte. Sie begann mit der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts und war nicht einfach. Die Schweiz war damals ein eher armes Land und hatte mit Grossbritannien einen übermächtigen Player, der global aufgestellt war. Warum gewann die Textilindustrie in der Schweiz trotzdem an Bedeutung?
Grundsätzlich war damals die Textilbranche die Grundlage für industrielle Aktivitäten. Hier gab es eine Nachfrage, die mithilfe von neuen Technologien, zum Beispiel der -mechanischen Webstühle, bedient werden konnte. Die Schweiz hat sich schon damals einen Ruf geschaffen, stabile Qualität zu liefern. Das wurde dann im Ausland registriert. Wie so oft in solchen historischen Wechselsituationen braucht es aber auch einige positive Zufälle. Es gab immer wieder politische Blockaden. Am Anfang des 19. Jahrhunderts war dies die Seeblockade von Napoleon gegen England, bei der die schwächeren Volkswirtschaften wie die Schweiz, plötzlich mehr Bewegungsspielraum bekamen. Neben Grossbritannien gab es damals auch auf den europäischen Märkten noch die Niederlande und Belgien, die auch sehr stark im Textilbereich waren. Es war nicht einfach.

In solchen schwierigen Situationen braucht es sicher auch unternehmerische Persönlichkeiten. Können Sie uns dazu ein Beispiel verraten?
Allen voran ist da Hans Caspar Escher und Alfred Escher zu nennen. Die anderen -Unternehmer segelten da eher in ihrem Windschatten.

Warum?
Sie blickten über den betriebswirtschaft-lichen Tellerrand hinaus. Alfred Escher war der Erste der die Bedeutung von Logistik erkannt hat, die Verbindung von Kommunikation, Transport und Verkehr. Für die Schweiz war damals die Eisenbahn sehr wichtig. Nur gab es Mitte des 19. Jahrhunderts nur wenige befahrene Strecken, und über die Alpenpässe quälten sich noch die Pferdefuhrwerke. Die Schweiz drohte abgehängt zu werden, da es noch keine Süd-Nord-Route auf der Höhe der Zeit gab. Da kam der Visionär Escher genau richtig.

Später kamen dann die Maschinenher-steller wie Sulzer oder Georg Fischer dazu, die weitere wettbewerbsfähige Cluster entwickeln konnten.

Ende des 19. Jahrhunderts kopieren die Schweizer Maschinenbauer nicht mehr, sondern überzeugen durch Innovationen. Kann man das mit der heutigen Situation einiger Schwellenländer vergleichen?
Da sind grosse Unterschiede festzumachen. Die Schweiz war damals in einer Wendesituation. Früher wanderten viele Schweizer aus Armutsgründen aus, und nur wenige Arbeitsmigranten kamen in die Schweiz. Ende des 19. Jahrhunderts kam es zum Wendepunkt. Die Schweiz wurde zum Nettoimporteur von Arbeitskräften. Die -Zuwanderung hat der Schweiz ökonomisch viel gebracht. Das kann man historisch bei den unterschiedlichsten Einwanderungswellen beobachten. Ob das die Hugenotten aus Frankreich oder später im 19. und 20. Jahrhundert aus Deutschland oder Italien waren, die Volkswirtschaft hat davon profitiert. Das gibt es heute bei den Schwellenländern viel weniger oder gar nicht. Das ist der zentrale Unterschied zwischen damals und heute. Die Schweiz war durch ihre Neutralität, die Stabilität und einer Situation ohne Kriege schon Ende des 19. Jahrhunderts ein sehr attraktives Land. Dabei geht es nicht nur um die -Abwesenheit von klassischen Kriegen, sondern auch um die Gewährleistung des inneren Friedens durch weniger ausgeprägte Klassenunterschiede und gelebte Sozialpartnerschaft.

In Ihrem Buch stellen Sie Schweizer -Unternehmen vor, die im Ausland Erfolg haben. Fast immer ist dies aber keine lineare Erfolgsgeschichte, sondern eine Berg-und-Tal-Fahrt. Lernen Unternehmen erst durch Krisen?
Die 16 Unternehmensgeschichten aus dem Buch weisen alle Unterschiede aus. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten. Krisen, wie von Ihnen angeführt, ist da ein wichtiges Stichwort. Wenn es eher schlecht läuft, werfen innovative Persönlichkeiten nicht die Flinte ins Korn, sondern suchen und finden Ideen, die man in gut laufenden -Zeiten eher nicht aufgenommen hätte. Es braucht aber immer Leute, die unternehmerisch denken. Sonst hat man keine Chance. Der Wohlstand fördert solche wegweisenden Innovationen eher nicht. Und das ist die ganz grosse Herausfor-derung, vor der wir stehen.

Eine weitere ganz grosse Herausfor-derung liegt im Hochwährungsland der Schweiz. Wie viele Ereignisse wie der SNB-Entscheid im vorletzten Januar und den Brexit verträgt die Schweizer Exportwirtschaft noch?
Die Hammerschläge der Aufwertung des Frankens zwingen Schweizer Unternehmen noch mehr dazu, lukrative Nischen zu suchen und Teilmärkte zu öffnen.

Können Sie uns ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit vorlegen?
Bestes Beispiel ist der Visionär Nicolas Hayek, der der Schweizer Uhrenindustrie Beine gemacht hat. Das Resultat war dann nicht die Swatch, das ist ein nettes Gadget, sondern die Renaissance der Macht der Schweiz im Bereich der Luxusuhren. Es gibt oft Initialzündungen, die dann aber in eine ganz andere Richtung führen, als ursprünglich angedacht. Es braucht diese unternehmerischen Weckrufe. Wir können keine Maschinen auf den Markt bringen, die andere billiger produzieren – unsere müssen mehr können.

Die nächste Generation bei Hayecks knüpft mit der Errichtung einer Fabrik für neuartige und effizientere Batterien für die Elektromobilität herzustellen, hier wieder an.
Genau. In einigen Jahren werden diese Batterien auch andere produzieren. Dann braucht es eine neue Erfindung. Wir sind immer wieder aufgefordert, einen immensen Aufwand zu betreiben, um mit neuen Technologien spannende Produkte, die dann auch nachgefragt werden, zu entwickeln.

Dazu braucht es dann auch immer wieder Persönlichkeiten. Hayeck ist hier sicher mit Escher vergleichbar. Vor allem aber braucht es die Goldgräberstimmung bei den KMU, damit diese Neues schaffen.

Faszination Export
Wie Schweizer Unternehmen im Ausland Erfolg haben
von Willi Glaeser
160 Seiten 1. Auflage 2016
Verlag: Orell Füssli Verlag AG, Zürich

Weitere Informationen:
www.glaeser.ch