Die Schweiz ist eine Drehscheibe des globalen Rohstoffhandels. Die Geschichte des Schweizer Transithandels begann im 19. Jahrhundert, wie Historikerin und Journalistin Lea Haller in einem Webinar der Stiftung zur Förderung des Schweizerischen Wirtschaftsarchivs erläuterte.

Ein Fünftel bis ein Viertel des weltweiten Rohstoffhandels wird heute über die Schweiz abgewickelt. Das sind riesige Mengen, wenn man bedenkt, wie klein unser Land ist. Die Historikerin und Journalistin Lea Haller befasste sich in ihrem Buch «Transithandel. Geld- und Warenströme im globalen Kapitalismus» umfassend mit der Geschichte dieser Wirtschaftsbranche. In einem Webinar der Stiftung zur Förderung des Schweizerischen Wirtschaftsarchivs (SWA) diskutierte sie nach der Begrüssung von Markus von Escher, Präsident des Stiftungsrats des SWA, mit dem Historiker Alexis Schwarzenbach und mit dem Publikum darüber, wie die Schweiz zu einer Drehscheibe des globalen Handels werden konnte und wieso die Zwischenhändler so lange kaum sichtbar blieben.
Die Geldströme im Blick

Um dieses Geschäft zu verstehen, müsse man die Geschichte der Geldströme in den Blick nehmen, so Haller. «Transithandel bedeutet, dass die Waren von ihren Herkunftsländern direkt in die Abnehmerländer verschifft werden, lediglich die Kapitalströme gehen durch das Land der Handelsfirma». Die Geschichte des Transithandels geht auf das 19. Jahrhundert zurück, als in der ersten grossen Globalisierungsphase viele Schweizer Firmen gross wurden. Schaut man auf die Warenströme, hatten Schweizer Handelsfirmen keinen Wettbewerbsvorteil – ja sie waren im kleinen Binnenland eher benachteiligt. Bei der Handelsfinanzierung, beim transnationalen Zahlungsverkehr, bei der Konvertierbarkeit der Währungen und beim Schutz des Kapitals aber ergaben sich in der Schweiz immer wieder Standortvorteile.

Die Erläuterung des Transithandels im Handbuch der Schweizerischen Volkswirtschaft, 1939.
Erste Zahlen erst in der Weltwirtschaftskrise erhoben

Nach dem Ersten Weltkrieg geriet der transnationale Zahlungsverkehr ins Stocken, was zur Einführung des gebundenen Zahlungsverkehrs zwischen der Schweiz und einer Reihe europäischer Länder führte – eine Innovation, wie Haller ausführte. In der Weltwirtschaftskrise wurden auch zum ersten Mal Zahlen zum Schweizer Transithandel erhoben. Eine weitere Phase begann während des Zweiten Weltkriegs, als viele Schweizer Handelsfirmen aus Angst vor Sanktionen der USA Holding-Strukturen aufbauten. So konnten sie Management-Kompetenzen ins Ausland verlegen und gleichzeitig die Kontrolle über die Finanzen in der Schweiz behalten. Unternehmen aus den USA wiederum gründeten in den 1950er-Jahren Niederlassungen in der Schweiz, wo sie von Steuervorteilen und der Neutralität profitierten.

Rolle der Wirtschaftsanwälte noch wenig erforscht

Alexis Schwarzenbach fragte Lea Haller, welches Thema sie gern noch genauer anschauen würde, wenn sie könnte. «Der juristische Aspekt des Transithandels ist noch sehr wenig erforscht», sagte sie. Die Rolle der Wirtschaftsanwälte sei zentral: Sie würden im Hintergrund ihren Mandanten aufzeigen, wie sie durch juristische Konstrukte Kapital vermehren und schützen können.

hkbb.ch