von Dominique Keith

Routine und Verbesserung – passt das zusammen? Das bei Toyota entwickelte Kata Coaching bewirkt durch eine gezielte Entwicklung von Lern- und Verhaltensroutinen systematische Veränderungen und nachhaltige Verbesserungen bei den Mitarbeitern und im gesamten Unternehmen.

Unternehmen können sich heute nicht mehr auf einmal erreichten «Lorbeeren» ausruhen. Hierfür verändert sich das Unternehmensumfeld zu rasch. Nötig ist es vielmehr, den Ist-Zustand permanent zu hinterfragen und zu optimieren – und gegebenenfalls sogar ganz neue Problemlösungen zu entwerfen. Die Fähigkeit hierzu entwickelt sich zu einer Kernkompetenz von Unternehmen. Denn den Zielzustand‚ bei dem alles «gut» ist und es keiner Verbesserung mehr bedarf, gibt es nicht mehr. Unternehmen, die dieser Illusion noch nachhängen, überleben auf Dauer am Markt nicht.

Verbesserungskultur entwickeln
Um von einem formalisierten Streben nach Verbesserung auf die nächsthöhere Ebene des Lean Managements zu gelangen, bedarf es einer Veränderung des Denkens und Handelns der Mitarbeiter. Das Streben nach Verbesserung muss ihnen in Fleisch und Blut übergehen. Diesen Musterwechsel nicht nur bei einzelnen Mitarbeitern, sondern in der gesamten Organisation herbeizuführen, ist die Königsdisziplin beim Lean Management. Hier ist das Management mehr denn je gefordert. Ein Instrument zum Erreichen dieses Zieles ist das bei Toyota entwickelte Kata Coaching. Es zielt darauf ab, bei den Mitarbeitern die Denk-, Verhaltens- und Lernroutinen zu entwickeln, die ein permanentes Streben nach Verbesserung erfordert; des Weiteren, bei den Mitarbeitern und in der Organisation die Kompetenz zu entwickeln, mit Unsicherheiten, Problemen und Veränderungen produktiv und kreativ umzugehen. Oder anders formuliert: Das Unternehmen soll sich zu einer lernenden Organisation entwickeln, die weil sie ihre Performance permanent erhöht, nachhaltig mit Erfolg im Markt agiert. Der Begriff Kata stammt aus dem asiatischen Kampfsport. So werden in ihm Denk- und Verhaltensweisen bezeichnet, die sich durch stetiges Üben und Anwenden zu Routinen entwickelt haben, die beinahe reflexartig ausgeführt werden. Und genau dies ist auch das Ziel des Kata Coachings: Die Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten und das Streben nach Verbesserung sollen in den Köpfen der Mitarbeiter so verankert sein, dass sie ein integraler Bestandteil ihrer Alltagsarbeit sind, so dass von der Führung und Unternehmensleitung hierfür nicht permanent neue Impulse gesetzt werden müssen, was letztlich auch zu einer Entlastung der Führungskräfte führt. Beim Kata Coaching wird zwischen der Verbesserungskata und der Coachingkata unterschieden.

Die Verbesserungskata
Die Verbesserungskata zielt darauf ab, bei den Mitarbeitern (und ihren Führungskräften) schrittweise eine Lernroutine zu entwickeln, wie man sich einem definierten Ziel-Zustand nähert. Dabei ist der Weg zum Ziel nicht vorgegeben. Er wird vielmehr im Rahmen eines experimentellen Vorgehens Schritt für Schritt gefunden. Wichtige Voraussetzungen hierfür sind eine möglichst genaue Beschreibung des Ist- und des Ziel-Zustands. Ein  Verbesserungskata-Zielzustand zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus: Der angestrebte Zustand ist herausfordernd. Er ist erreichbar und die Lösung ist noch unbekannt. Sie muss in einer regelmässigen Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun und den gegebenen Rahmenbedingungen gefunden beziehungsweise allmählich entwickelt werden. Was auf den ersten Blick sehr pragmatisch erscheint, ist in der Umsetzung nicht einfach. Denn das Streben nach einer (Lern-)Routine beim Streben nach Verbesserung erfordert von den Mitarbeitern, dass sie sich bewusst und ohne Scheu mit ihrem (Noch-)Nicht-Wissen beziehungsweise ihren noch bestehenden Inkompetenzen befassen. Sie müssen sich zum Beispiel fragen: Was steht einer Verbesserung im Weg? Beispielsweise unsere Angst vor Veränderung? Oder unsere Tendenz bei neuen Herausforderungen reflexartig zu sagen «Das kann ich nicht», statt sich zu fragen: Wie und unter welchen Voraussetzungen könnten wir das ‹Problem› doch lösen? Das Entwickeln einer solchen Denk-Haltung fällt Menschen nicht leicht. Trotzdem führt beim Versuch, unbekannte Probleme zu lösen und Neues zu schaffen, kein Weg daran vorbei, die eigene Wissensgrenze, die gewissermassen eine Art Mauer um unser heutiges Wissen bildet, Schritt für Schritt auszudehnen. Das heisst: Die Mitarbeiter müssen gezielt, die Komfortzone ihres aktuellen Wissens verlassen. Das fällt ihnen, wenn sie noch keine Routine hierin entwickelt haben, nicht leicht, denn unser Gehirn besteht sozusagen aus zwei «Denk-Systemen»:

  • einem schnellen, unterbewussten System, das abgespeichertes Wissen anhand von Mustern schnell erkennt und uns intuitiv handeln lässt und
  • einem langsameren System, das systematisch vorgeht und durch eine gezielte Analyse und Neu-Verknüpfung neue Erkenntnisse und Ergebnisse «schafft».

Bei der Verbesserungskata geht es genau darum, diese beiden Denksysteme in Zusammenhang zu bringen. Und hierbei benötigen die Mitarbeiter Unterstützung: in Form des Kata Coachings.

Die Coachingkata
Aufgabe der Führungskräfte ist es, ihre Mitarbeiter beim Beschreiten des steinigen Wegs vom Nicht-Wissen hin zur Kompetenz, ausgehend von einem aktuellen Ist-Zustand einen angestrebten Ziel-Zustand zu erreichen, zu unterstützen. Oder anders formuliert: Sie sollen ihre Mitarbeiter mit Hilfe einer Coachingkata das Anwenden der Verbesserungskata erleichtern. Das heisst, durch ein gezieltes Coaching arbeiten sie darauf hin, dass das Anwenden der Verbesserungskata bei ihren Mitarbeitern zur Gewohnheit, sprich Routine und Selbstverständlichkeit wird, was wiederum zu einer Entlastung der Führungskräfte führt.

Eine Coachingkata basiert auf folgenden fünf Fragen:
1. Was ist der Ziel-Zustand?
2. Was ist der Ist-Zustand?
3. Welche Hindernisse stehen dem Erreichen des Ziel-Zustands aktuell im Weg?
4. Was sind deshalb die nächsten Schritte und welche Erkenntnisse werden daraus voraussichtlich gewonnen? Und:
5. Bis wann können erste Ergebnisse aus Punkt vier betrachtet werden und was wurde daraus gelernt?

Die Coachingkata gibt also keinen konkreten Lösungsweg vor. Vielmehr werden die Mitarbeiter dabei unterstützt, durch ein experimentelles Vorgehen eigene Lösungen zu finden. Eine zentrale Erfolgsvoraussetzung des Kata Coachings ist denn auch eine vertrauensvolle, von wechselseitigem Respekt geprägte Beziehung zwischen Coach und Coachee beziehungsweise Führungskraft und Mitarbeiter. Denn es erfordert von dem Coachee oder Mitarbeiter Mut, sich immer wieder gezielt mit der Grenze seines persönlichen Wissens zu befassen und in den «Abgrund des Nichtwissens» zu schauen. Hieran führt aber kein Weg vorbei, wenn das übergeordnete Ziel lautet: Ich will mich beziehungsweise wir wollen uns kontinuierlich verbessern und stets bessere Problemlösungen für unsere ex- und internen Kunden erarbeiten.

Führung definiert sich neu
Letztlich lautet das übergeordnete Ziel des Kata Coachings, beim Lernen und im Umgang mit Veränderung eine ähnliche Alltagsroutine zu entwickeln wie beispielsweise beim Autofahren. Wie schwierig war das Koordinieren von Bremsen, Gas geben, Kuppeln und Lenken in der ersten Fahrstunde? Und wie oft musste der Fahrlehrer unterstützend, korrigierend und ermunternd eingreifen? Und heute, nachdem wir die notwendigen Verhaltensabläufe durch Üben, Üben und nochmals Üben verinnerlicht haben? Da funktioniert das Auto-Fahren fast wie von selbst, und wir können zugleich Radiohören, die Landschaft anschauen oder uns mit dem Beifahrer unterhalten. Ebenso ist es beim «Verbesserung lernen » (Verbesserungskata). Auch der Weg dorthin erfordert eine professionelle und systematische Instruktion und Anleitung (Coachingkata) und setzt ein kontinuierliches Üben voraus. Kata Coaching erfordert folglich auch ein neues Führungsverständnis und eine veränderte Art zu führen. Auch diese muss von den Führungskräften eingeübt werden. Sie entwickeln sich beim Kata Coaching Schritt für Schritt zu Lern-Motivatoren und -Begleitern ihrer Mitarbeiter, die lösungsfrei führen und ihren Mitarbeiter ein schrittweises Erweitern ihrer Wissenszone ermöglichen. Hiervon profitieren alle Beteiligten: die Mitarbeiter, die Führungskräfte und das gesamte Unternehmen.

weitere Informationen: www.kraus-und-partner.de