Circa 70 Prozent der geplanten Innovationen scheitern nicht an mangelnden Konzepten, sondern am Faktor Mensch. Um erfolgreich zu innovieren, tragen Realtime-Innovations-Checkups bei Beteiligten dazu bei, die Innovationsprozesse präzise zu diagnostizieren, vorherzusagen und zu steuern.

Die Mehrheit von Innovationsvorhaben scheitert, da Unternehmensverantwortliche glauben, dass Kader und Mitarbeitende ohne Einschränkungen neue Wege mitentwickeln und mitinnovieren. Selbst die gängige Innovationsforschung vernachlässigt psychologische Erfolgsfaktoren. Das ist insofern erstaunlich, als die wirtschaftspsychologische Forschung fundierte Antworten und praxistaugliche, datenbasierte Lösungen in Form eines Innovations-Checkups hervorgebracht hat. Letzterer ermöglicht es Unternehmen, in Realtime, einfach und flexibel, vor und während der Umsetzung digitaler Transformationsprozesse die Innovationsprozesse durch die Generierung von drei zentralen psychologischen Kennzahlen gezielt zu diagnostizieren, deren Verlauf vorherzusagen und damit erfolgreich zu steuern. Diese drei Kennzahlen sind Einstellung, Bedeutung und Machbarkeit bezüglich der Innovation aus Sicht des Kaders und der Mitarbeitenden.

Durch Menschen geschaffen
Innovation ist ein Hauptfaktor unternehmerischen Erfolgs1. Deshalb befassen sich viele Unternehmen aktuell mit digitaler Transformation respektive Industrie 4.0 2 – und befinden sich damit in entscheidenden Veränderungen. In dieser Welt der digitalen Transformation geht es um die Vernetzung physischer Dinge mit der digitalen Welt. Der Vorgehensprozess ist immer derselbe: Ein physisches Produkt wird zunächst mit Sensoren ausgestattet und anschliessend «connected», indem es mit dem Internet verbunden wird. Dann werden Daten vom Sensor gesammelt, klassifiziert und schliesslich beispielsweise in eine digitale Dienstleistung umgewandelt sowie in Form einer neuen Dienstleistung zur Verfügung gestellt. Erfolgreiche Innovatoren wie zum Beispiel Uber, Spotify oder Amazon haben es nicht nur verstanden, neue Technologien zu entwickeln, sondern vor allem innovative, digitale Geschäftsmodelle zu kreieren, damit sie durch vernetzte «Dinge» Kapital schlagen können. Der Wettbewerb verlagert sich von der Entwicklung innovativer digitaler Produkte oder Dienstleistungen zur Entwicklung und Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle (zum Beispiel Physical Freeming, Digital Lock-In, Digital Add-On).

Innovative Geschäftsmodelle müssen aber von Menschen entwickelt, gefördert, innoviert und getragen werden. Und da kommen erfolgskritische psychologisch-menschliche Komponenten zum Tragen. Zum Beispiel Nokia oder Kodak haben nicht nur ihre Geschäftsmodelle, sondern auch psychologische Treiber der intern Beteiligten vernachlässigt und sind gescheitert. Nicht nur in der Praxis, auch in der Innovationsforschung werden diese Fragen wenig untersucht.

Der psychologische Treiber von Innovation
Akademiker und Praktiker beschäftigen sich vor allem mit der Frage, wie digital transformiert oder umgesetzt werden soll, um als Unternehmen zukünftig erfolgreich zu sein. Nur wenige beschäftigen sich mit der Frage, wie sie es schaffen, die notwendigen psychologischen Grundlagen bei ihren Kadern und Mitarbeitenden zu schaffen, um zur Innovation zu gelangen.

In der Innovationsforschung werden vornehmlich nachfolgende menschliche Faktoren diskutiert: a) unternehmerisches Verhalten3, b) organisationales Lernen 4 und c) technologische und organisationale Fähigkeiten5. Das heisst, es geht dabei um das Erforschen des «Wollens», «Könnens» und «Dürfens». Aber es geht immer um das «von oben» Verordnete. Wenige fragen diejenigen, die Innovation unterstützen und massgeblich tragen sollen, nach ihren Einstellungen, der persönlichen Bedeutung und der eingeschätzten Machbarkeit: Die Veränderungsbereitschaft von Kader und Mitarbeitenden wird in gängiger Innovationsliteratur
und -praxis sträflich vernachlässigt. Es ist aktuell gar nicht geklärt, wie Veränderungsbereitschaft und nachfolgend Führung in diesem Bereich entwickelt werden soll. Warum ist das so? Die übliche Innovationsmanagementsicht fokussiert eher auf Techniken oder Prozesse6. In der Ökonomie gibt es zudem kaum Ansätze und Methoden, die solche psychologischen Treiber gesamthaft erfassen und zur Vorhersage nutzen. Dabei bietet die wirtschaftspsychologische Forschung und Praxis dank Innovations-Checkups genau diese Lösung. Aber wie geht das?

Einstellung, Bedeutung und Machbarkeit
In der Wirtschaftspsychologie ist bekannt, dass menschliche Einstellungen das Verhalten nicht nur prägen, sondern auch stark beeinflussen7. Das klingt trivial. Auf Basis von wirtschaftspsychologischen Theorien können wir aus den Einstellungen das nachfolgende Verhalten in der Umsetzung der Innovation präzise vorhersagen, das heisst modellieren und berechnen8. Man erfasst die sogenannte Verhaltensabsicht, das heisst die Absicht, ein konkretes Verhalten auch wirklich in Zukunft ausüben zu wollen. Diese wird durch drei Komponenten determiniert: (a) Einstellung zur Umsetzung respektive die Frage, ob man die geplante Innovation in der einen oder anderen Form selbst wirklich 100 Prozent mittragen möchte; (b) wahrgenommene Bedeutsamkeit, das heisst die Frage, wie finden eigentlich das Kader und die Mitarbeitenden den geplanten Innovationsprozess? Und (c) die wahrgenommene Machbarkeit, das heisst, sind die notwendigen Ressourcen gefühlt wirklich vorhanden? Das bedeutet: Nur wenn (1) das Kader und die Mitarbeitenden ein Innovationsprojekt in der geplanten Form und Umsetzung wirklich sinnvoll und für sich wertvoll erachten, werden sie auch dahinter stehen. Wenn (2) dann noch der Eindruck da ist, dass wirklich alle an einem Strang ziehen, erhöht sich die Verhaltensintention weiter. Und wenn (3) das Kader und die Mitarbeitenden dann noch den 100-prozentigen Eindruck haben, dass es ein sinnvolles und Erfolg versprechendes Unterfangen ist, bei dem sie mit allen notwendigen Ressourcen ausgestattet sind, und sie agieren dürfen, dann erhöht sich die Verhaltensabsicht signifikant.

Wenn alle drei hier im Artikel abstrakt formulierten Fragen – verkürzt mit «Ja» beantwortet werden können, dann hat ein Unternehmen seine Mitarbeitenden im Rahmen der geplanten Innovation auf seiner Seite9. Wenn nicht, dann muss kommuniziert, informiert, gegebenenfalls überzeugt oder trainiert werden, das Kader sensibilisiert werden, anders geführt werden. Andernfalls wird das jeweilige Unternehmen mit der geplanten Innovation scheitern – trotz guten Innovationskonzepts des Top-
Managements oder propagierten Leadership- und Managementprozessen10.

Kader und Mitarbeitende an Bord holen
Die Erreichung der notwendigen psychologischen Innovationstreiber erfolgt auf Basis des Innovations-Checkups. Dieser diagnostiziert Einstellung (zum Beispiel «Bin ich grundsätzlich positiv gegenüber Geschäftsmodelländerungen eingestellt? »), Bedeutung (zum Beispiel «Glauben meine Peers ebenfalls, dass eine Geschäftsmodelländerung nötig ist?») und Machbarkeit beim Kader und bei den Mitarbeitenden – bei denjenigen, die involviert sind (zum Beispiel «Werde ich vom Tagesgeschäft befreit und habe ich die Ressourcen, um mich mit dem Thema zu befassen?»). Mittels des Realtime-Tools psychometrics® wird der Ist-Zustand dieser Innovationstreiber in Form von Kennzahlen diagnostiziert und abgebildet. Involvierte Personen werden dabei befragt, die Analysen – die Verhaltensabsichten über alle Beteiligten, liegen unmittelbar vor (zum Beispiel «Akzeptiere ich den Änderungsdrang – will ich meinen Beitrag dazu leisten?»). Das Onlinetool ermöglicht damit präzise Vorhersagen zum Innovationsverhalten auf (zum Beispiel «Ich trage aktiv zur Mitinitiierung und -gestaltung des Geschäftsmodells bei und setze es auch erfolgreich um») und erlaubt sofort die Steuerung oder Optimierung der Innovationsprozesse. Denn die vorliegenden Daten unterstützen im Rahmen des Innovationsprozesses die Kommunikation oder die Führung, damit die Mitarbeitenden für die digitale Transformation mit an Bord sind.

Erfolgssicherung der digitalen Transformation
Warum ist der skizzierte Innovations-Checkup sinnvoll? Gerade weil 70 Prozent der geplanten Innovationen in Unternehmen nicht an schlechten Konzepten scheitern, sondern am Faktor Mensch, muss dieser Checkup zwingend erfolgen. Aus Unkenntnis und Gärtchendenken wurde es in der jüngsten Vergangenheit vermieden, wirtschaftspsychologische Forschung und Praxis mit Innovationsmanagement zu kombinieren und psychologische Innovationstreiber in die Innovationsprozesse zu integrieren. Was haben Unternehmen, die sich mit digitaler Transformation beschäftigen, vom Innovations-Checkup? Innovative Geschäftsmodelle und Digitalisierungen werden von Menschen entwickelt, gefördert und getragen. Durch den Innovations-Checkup wird von Anfang an sichergestellt, dass die Innovation ein Erfolg wird, da Unternehmen (a) realtime informiert werden, ob und wie hoch der Wille zur Innovation beim Kader und bei den Mitarbeitenden ausgeprägt ist und was benötigt wird, damit (b) die Prozesse reibungslos laufen und dadurch (c) Kosten optimiert und (d) die Innovation mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Erfolg wird.

Weitere Informationen:
www.ffhs.ch 

Literaturverzeichnis
1 Cardozo, R., McLaughlin, K., Harmon, B., Reynolds, P., & Miller, B. (1993). Product – Market choices and growth of new businesses. Journal of Product Innovation Management, 10(4), 331–340.
2 Gassmann, O., & Sutter, P. (2016). Digitale Transformation im Unternehmen gestalten: Geschäftsmodelle Erfolgsfaktoren Fallstudien. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG.
3 Rotemberg, J. J., & Salomer, G. (2000). Visionaries, managers and strategic direction. Rand Journal of Economics, 31(4), 693–716.
4 Argyis, C., & Schön, D. A. (1996). Organizational Learning II: Theory, Method and Practice. Addison-Wesley, Reading, MA.
5 Grant, R. (1996). Prospering in dynamicallycompetitive environments: organizational capability as knowledge integration. Organization Science, 7(4), 357–387.

6 Christensen, C. M., & Bower, J. L. (1996). Customer power, strategic investment, and the failure of leading firms. Strategic Management Journal, 197–218.
7 Ajzen, I. (1991). The theory of planned behavior. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50(2), 179–211.
8 Montalvo, C. (2006). What triggers change and innovation? Technovation, 26(3), 312–323.
9 Michaelis, B., Stegmaier, R., & Sonntag, K. (2009). Affective commitment to change and innovation implementation behavior: The role of charismatic leadership and employees’ trust in top management. Journal of Change Management, 9(4), 399–417.
10 Christensen, C. M., Marx, M., & Stevenson, H. H. (2006). The tools of cooperation and change. Harvard Business Review, 84(10), 72–80.