Pascal Sprenger ist bei der KPMG in Zürich als Partner im Bereich Financial Services tätig.

Die aktuellen Veränderungen im Bankensektor sind nur die Vorboten für die Umwälzung der Branche. Unter dem Begriff «FinTech» firmierende Geschäftsmodelle geben einen Hinweis, wohin die Reise gehen könnte. Im Kern stehen aber nicht nur technologische Entwicklungen, sondern die veränderten Erwartungen und Verhaltensweisen der Kunden.

Wann haben Sie zuletzt eine Bankfiliale besucht? Seit Langem nutzen wir für klassische Bankdienstleistungen wie Zahlungsverkehr oder Bargeldbezug digitale Kanäle. Die Schweizer Finanzindustrie war nämlich schon früh dafür bekannt, technische Innovationen zur Optimierung und Automatisierung einzusetzen. In der Schweiz hat sich der relative Anteil des Bankensektors an der gesamten Wertschöpfung in den letzten 20 Jahren nahezu halbiert. Entsprechend müssen Banken die neuen und künftigen technologischen Möglichkeiten systematisch nutzen, um zu überleben – firmenintern wie im Aussenverhältnis.

Um zu verstehen, wohin die Reise gehen könnte, muss man einerseits das Geschäftsmodell
der Banken und die Tätigkeit in einem regulierten Umfeld verstehen. Andererseits sind es nicht nur die technologischen Möglichkeiten, sondern vielmehr die Veränderung der Demografie und anderer sozio-ökonomischer Faktoren, welche die Geschäftsmodelle der Zukunft bestimmen.

Die Tatsache, dass in China wie auch in Schweden Bezahl-Apps im Alltag sehr viel verbreiteter sind als in der Schweiz oder in Deutschland, liegt nicht bloss an den technologischen Möglichkeiten. Viel entscheidender ist das Verhalten der Bankkunden beziehungsweise der «Nutzer» von Systemen. Und genau hier liegt das Risiko: Wegen des Tief- oder sogar Negativzinsumfelds verdienen Banken mit dem klassischen Zinsdifferenzgeschäft kaum mehr Geld. Sie haben entsprechend die Gebühren für ihre Dienstleistungen in den letzten Jahren erhöht, um die Erträge wenigstens zu stabilisieren. Gleichzeitig treten am Markt vermehrt Fintech-Unternehmen auf, die Bankdienstleistungen wesentlich günstiger oder sogar gratis anbieten. Hier liegt denn auch das grösste Risiko für die traditionellen Banken. Wir sehen das beispielsweise bei jungen Mitarbeitern, welche nach dem Studium bei uns ihre Karriere beginnen. Anstatt wie früher ihr Studentenkonto
in ein reguläres Bankkonto umzuwandeln, organisieren sie sich geschickt und nutzen verschiedene Fintech-Anbieter, um keine Bankgebühren mehr bezahlen zu müssen. Durch eine geschickte Kombination einer kostenfreien Online-Bank, einen Kreditkartenanbieter ohne Fremdwährungskosten und ein Cash-Back-Modell zahlen sie im Vergleich mit traditionellen Banken bereits heute sehr wenig oder gar nichts mehr.

Kurzum: Es sind nicht primär eine neue mobile Bezahl-App, der Eintritt eines globalen Technologieunternehmens wie Google in den Finanzmarkt oder die Ablösung von FIAT-Geld durch Kryptowährungen, die eine Gefahr für die traditionellen Banken darstellen. Vielmehr stellen die neuen Bedürfnisse und Verhaltensweisen ihrer Kunden sie vor existenzielle
Herausforderungen.

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