Wenn der Altruismus den Menschen, die sich beruflich mit anderen Menschen auseinandersetzen, im Weg steht herrscht Handlungsbedarf. Es gibt die Menschen, die gerne mit Menschen arbeiten – nennen wir sie an dieser Stelle Mensch-Menschen –, und es gibt die anderen. Dies ist mal eine ganz rudimentäre Betrachtungsweise zweier Typen in der Arbeitslandschaft.

Schauen wir uns nun die Mensch-Menschen etwas genauer an. Sie tun alles – wirklich alles –, damit es ihren Gegenübern wohl ist, sei dies im Service, im Gesundheitsbereich oder im öffentlichen Sektor. Wahrheit oder Lüge? In dieser Energie steckt oft der Wille – und manchmal auch der Drang – das Gegenüber «glücklich» zu sehen. So würden sie auch antworten, wenn die Frage käme, warum machst du deinen Job gerne. «Ich mag Menschen und bin glücklich, wenn sie es auch sind.»

In diesem Drang – wohlgemerkt nach aussen gerichtet – wird oft vergessen, sich selbst ein wenig Glück zu gönnen, nicht erst dann, wenn durch eine Interaktion das Gegenüber zufrieden ist. So kommt es, dass zum Beispiel Teilnehmende in Kundenorientierungs-Seminaren oder Kommunikations-Seminaren nach Checklisten rufen: «Was kann ich sagen/tun, wenn ..?» Aussenorientierung oder Innenreflektion? Hilfeschrei oder gesunder Menschenverstand?

In spezifischen Kommunikationsseminaren, zu denen gerade diese Klientel gerne hingeht, liegt die Erwartung zu 90 Prozent im Erhalten von Weisungen, Tipps und Tricks und dem darin starken Bedürfnis, sich nach Regeln verhalten zu können. Nicht selten sind diese Teilnehmenden enttäuscht, weil die Inhalte des Trainings ihnen wenig Sicherheit geben, keine Checklisten enthalten und schon gar keine Garantie für ein Gelingen in der Umsetzung. Warum ist das so?

Betrachten wir das Phänomen etwas genauer. Wir schauen uns zum Beispiel ein bekanntes Kommunikationsmodell von Marshal Rosenberg an, die Gewaltfreie (oder auch Konstruktive) Kommunikation. Die Teilnehmenden sind begeistert. Sie entdecken darin eine der vielen Möglichkeiten, in schwierigen Situationen dem Gegenüber begegnen zu können. Und zack, sie haben einen Tipp!

Zu Recht kommen nun die einzelnen Stimmen: «Ja funktioniert das denn?» oder «Was mache ich dann, wenn’s nicht funktioniert? Da blamiere ich mich ja …» Kein Wunder, solange die Teilnehmenden diese Art von Kommunikationsmodellen als «Lösung» sehen, die sie abhaken können, werden sie auch eher mit Skepsis die Herausforderung bearbeiten. Erst dann, wenn sie ein solches Modell als Beitrag zur eigenen Entspannung sehen, erhalten sie innere Stärke und Power.

Kleine Metapher dazu: Im Flugzeug erklärt uns die nette Stewardess (oder der nette Steward) vor Antritt des Flugs, wie die Passagiere sich im Notfall verhalten sollen und können. Eines davon ist die Aufforderung, wenn bei Druckabfall in der Kabine das Atmen schwer wird, die dann vor einem baumelnde Maske aufzusetzen. Jede einzelne Person ist dann aufgefordert, zuerst sich selbst die Sauerstoffmaske anzuziehen und sich erst dann dem Nachbar oder Nachbarin zu widmen.

Und ja, es hat nichts mit Egoismus zu tun, wohl eher mit der Bündelung der eigenen Power, um nach aussen wirken oder sich verhalten zu können. Die Kraft liegt erstmal in uns, sammeln wir sie – zum Beispiel durch Anwendung eines solchen Modells – und schauen wir, wie es dann dem Gegenüber geht. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Kraft sich überträgt.