von Helmut Fallmann

Die Europäische Identität ist viel mehr als nur eine ökonomische Grösse. Der ausgerufene digitale Binnenmarkt könnte die mentalen Schranken für ein geeintes Europa öffnen.

Der 6. Mai 2015 könnte es in die europäischen Geschichtsbücher schaffen. An diesem Tag präsentierten EU-Superkommissar Andrus Ansip und sein Digitalkommissar Günther Oettinger in Brüssel die Strategie zur Verwirklichung des digitalen Binnenmarktes. Die vorgestellten 16 Initiativen, die heuer und nächstes Jahr umgesetzt werden sollen, beweisen in ihrer inhaltlichen Universalität, dass der «Digital Single Market» (DSM) konsequent zu Ende gedacht wurde und die Europäische Union unter der neuen Kommission von Jean-Claude Juncker endlich im Digitalzeitalter angekommen zu sein scheint. Der eng gesetzte zeitliche Realisierungsrahmen signalisiert zudem, dass die EU jetzt ernsthaft aufs Tempo drücken will.

Schon lange nicht mehr hatte ich das Gefühl, dass sich unser Kontinent in einer derartigen Aufbruchsstimmung befindet. Damit scheinen die Jahre des Jammerns über die Krise und der ständigen Gipfeltreffen als Symbol politischer Krisenbewältigung ohne wirklichen Veränderungswillen binnen weniger Monate überwunden. Dies verdanken wir  einem neuen Selbstverständnis der Union und damit Europas, das sich bei der Wahl zum Europäischen Parlament mit unionsweiten Spitzenkandidaten deutlich gezeigt hat.

Europa beginnt auf der Grundlage der Verschiebung von demokratisch legitimierten Machtstrukturen im Zusammenspiel mit bürgernäheren EU-Institutionen den Absolutismus der Nationalstaaten als letztentscheidende politische Kraft aufzuweichen. Damit werden die bremsenden Dämonen nationalstaatlicher Interessen zugunsten gemeinsamer europäischer Visionen wieder stärker in die Flasche zurück gedrängt.

Es mag paradox anmuten. Aber die Fokussierung auf ökonomische Interessen unter Ausserachtlassung der moralischen Werte, auf denen sich die Union als bewundertes Zivilisationsmodell begründet, hat in den Jahren der Krise zur Erkenntnis geführt, dass Europa nur gemeinsam den Absturz in die globale Marginalisierung vermeiden kann.

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