Marco Schulz ist Director der elaboratum suisse, einem spezialisierten Beratungsunternehmen für ganzheitliche Digitalisierungs-, E-Commerce- und Cross-Channel-Beratung mit Sitz in Bern.

Artificial Intelligence» ist auf dem Vormarsch; Chatbots sind im Zuge dessen zurzeit in aller Munde. Die Erwartungen der Schweizer Unternehmen an die Performance dieser Technologie sind hoch. Allerdings sind die Anwendungskontexte im E-Commerce nicht immer optimal. Einer der Gründe dafür ist: Die Unternehmen stellen bei der Entwicklung der Chatbots nicht die Nutzwerte für Kunden und Websitebesucher in den Vordergrund, sondern ihre eigenen Anforderungen und Möglichkeiten. Auch werden Nutzer häufig zu einem falschen Zeitpunkt in der Customer Journey mit einem Bot konfrontiert und über die Funktionalitäten zumeist nicht hinreichend aufgeklärt.

Bislang setzen Schweizer Unternehmen Chatbots vor allem im Kundenservice ein. Dabei haben sie auch in anderen Bereichen grosses Potenzial. Tatsächlich sehen die Schweizer und Schweizerinnen in der Produktesuche und -bestellung die wichtigsten Anwendungsfälle für Chatbots. Das zeigt unsere aktuelle Studie, für die wir, zusammen mit der Digital-Agentur DieProduktMacher, mehr als 1‘000 Internetnutzer und -nutzerinnen befragt haben. Auch wenn erst 25 Prozent der befragten Konsumenten und Konsumentinnen einen Chatbot aktiv genutzt und eine regelmässige Nutzung sogar nur rund 2,8 Prozent der Befragten durchgeführt haben, können sich über 60 Prozent der Nutzer und Nutzerinnen vorstellen, einen Chatbot zu verwenden. Ob die Verwendung auch tatsächlich Vorteile für die Anwender bringt, haben wir im Rahmen der Studie mit einem eigens konzipierten Chatbot getestet. Wir haben die Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen aufgefordert, auf der Skiticket-Plattform von Ticketcorner eine Bestellung durchzuführen – mit Chatbot oder klassisch auf der Website. Bei der Durchführung der Bestellung bei Ticketcorner stellte der Website-Checkout einen Grossteil der Probanden vor grosse Hürden: nur 23 Prozent konnten die gestellte Aufgabe, einen bestimmten Ski-Pass zu kaufen, erfolgreich abschliessen. Wurde der Bestellprozess in den einzelnen Schritten durch den Chatbot unterstützt, erhöhte sich die Anzahl der Nutzerinnen, die die
Aufgabe erfolgreich lösen konnten, auf 46 Prozent und somit auf das Doppelte. Die Nutzung des Chatbots bietet dialogbasierte Hilfestellung und zeigt im vorliegenden Case deutliche Stärken der Nutzerführung. Durch die klare Guidance und Unterstützung im gesamten Prozess ist der gefühlte Aufwand zur Erledigung der Testaufgabe beim Chatbot-Bestellprozess geringer und erklärt dadurch die höhere Erfolgsquote. Der Vergleich zeigt deutlich: Chatbots haben das Potenzial, komplexere Prozesse im E-Commerce abzudecken und die Kunden dabei zu begeistern.

Das An-die-Hand-Nehmen des Nutzers durch den Bot im Bestellprozess kann die Conversion Rate und somit das Umsatzpotential deutlich steigern. Auch das Nutzererlebnis verbessert sich: die Usability, gemessen durch den System Usability Scale (SUS), verbessert sich in unserer Vergleichsstudie beim Chatbot-Prototypen signifikant um 10,9 Punkte gegenüber der Website auf einen Wert von 72,6. Ich muss zugeben, die Überlegenheit des Chatbots in sämtlichen Belangen des Bestellprozesses hat mich tatsächlich erstaunt. Sie zeigt das grosse Potenzial im E-Commerce, insbesondere in komplexeren und noch unbekannten Prozessen, wie dem in unserer Studie gewählten Beispiel. Auch andere Branchen mit vielschichtigen E-Commerce-Prozessen, wie zum Beispiel Versicherungen, können mit Conversational User Interfaces (UI) den Prozessen damit peu à peu die Komplexität nehmen.

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