Medienunternehmer Bernhard Burgener schreibt Filmgeschichte

Zu einer Zeit als in man in der eigenen Stube nur ganz wenige Fernsehsender empfangen konnte, baute Bernhard Burgener in der Region Basel eine Videotheken-Kette auf – eine Erfolgsgeschichte. Heute ist der gewiefte Medienunternehmer aus der nationalen und internationalen Filmbranche nicht mehr wegzudenken. Ein Interview über Lieblingsfilme, First Mover, Streamingdienste, Frauenfussball und wer Schweizer Fussballmeister werden soll.

PRESTIGE BUSINESS: Herr Burgener, der Name Burgener ist in der Schweiz ein Begriff. Wie kam es zu dieser herausragenden Karriere?
Bernhard Burgener:
Meine Geschichte ist relativ einfach. Grundsätzlich suche ich nicht die Öffentlichkeit. Erst durch mein Engagement als Präsident beim FC Basel rückte ich vermehrt ins «Rampenlicht». Da mich der FC Basel seit meiner Kindheit begleitete, war mein Einstieg beim FC Basel eine bewusste Entscheidung und auch eine Herzensangelegenheit. Ich bin in einer Genossenschaftswohnung aufgewachsen, im Lehenmattquartier, in einem Hochhaus, wir lebten glücklich aber in bescheidenen Verhältnissen. Und da war dieses St. Jakobs-Stadion in unserer unmittelbaren Nähe, das mich anzog und sehr faszinierte. Damals war die Verbreitung von Medien noch sehr überschaubar, wir hatten keinen Fernseher. 1964 als Erstklässler, erzählten meine Mitschüler, von dem Film «Der Schatz im Silbersee» den sie zu Hause gesehen hatten.

Ich musste Winnetou sehen und sah ihn – mein erster Kinobesuch. Lustigerweise stand damals schon Constantin Film als Produzent im Vorspann. Dieser Film war der Auslöser für meine grosse Liebe und Affinität zu Filmen.
Regisseur Bernd Eichinger hat mit Filmen wie „Resident Evil“ und „Fantastic Four“ Filmgeschichte geschrieben.
Etwa zur gleichen Zeit sind die vielen Fans auf dem Weg ins St. Jakob-Stadion immer bei uns vorbeigelaufen. Da will ich auch hin, sagte ich mir, seitdem bin ich FC-Basel-Fan und habe viele Höhen und Tiefen miterlebt. Einer meiner besten Freunde wurde Karli Odermatt, der damals in den 60er- und 70er-Jahren einer der berühmtesten Spieler des FCB und Kapitän der Schweizer Nationalmannschaft war.
Der dritte Bereich, der mich schon von Jugend an faszinierte, war die Musik und heute findet sich das alles in meinem Leben wieder. Wir haben damals eine Band gegründet und ich habe ungefähr sechs Jahre lang Musik gemacht. Wir hiessen «Juniper Springs», haben ein Album gemacht, liefen im Radio und hatten Konzerte. Sogar in Amerika wollten sie unsere Songs kaufen. Wir hätten eine Tournee machen können, 65 Konzerte waren geplant, da haben meine Freunde gesagt: Spinnst du? Und das habe ich verstanden, wir gingen ja noch zur Schule, studierten oder waren bereits berufstätig – das hatte Vorrang.
Wann haben Sie sich selbstständig gemacht?
Im Jahre 1981, habe ich die Entscheidung
getroffen, mich selbstständig zu machen. Es sind jetzt ziemlich genau 40 Jahre her. Die Gründung einer Videothek war der Plan. Mein Partner und ich hatten sehr klare Zielsetzungen und ein Konzept. Der Schlüssel zum Erfolg war unsere Gründlichkeit in der Vorbereitung, wir brachten alles mit der Schreibmaschine zu Papier, damals existierte noch kein Excel.
Wir präsentierten unseren Businessplan der Schweizerischen Kreditanstalt, die uns darauf ein Darlehen in Höhe von 100’000 Schweizer Franken zur Gründung der Videothek «Moviestar» gewährte.
©Stefano Chiacchiarini ’74, Shutterstock
Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Im Startjahr hatten wir unser Jahresziel bereits nach rund drei Monaten erreicht. Man vergisst sehr schnell, dass es damals keine Konkurrenz gab, kein Privatfernsehen, nur SRF 1 und 2 sowie ARD und ZDF. Jeden Monat wurden zahlreiche Filme veröffentlicht: Klassiker wie die Hitchcock-Filme, die James-Bond-Filme und viele mehr, die wir in unserer Videothek vertrieben. Die Filme waren über Wochen ausgeliehen und die Kunden mussten oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Dank des grossen Erfolgs konnten wir innerhalb von etwa anderthalb Jahren fünf weitere Videotheken eröffnen.
Was raten Sie jungen Gründern?
Entscheidend für mich ist die richtige Vor
bereitung, an seinen Ideen festzuhalten und die Risiken zu prüfen. Also die Checks and Balances. Aber das Wichtigste ist für mich, dass ich mich in einem Bereich bewegt habe, in dem ich eine Art First Mover war. Wie sagte Charles Darwin: Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am besten auf Veränderungen reagiert. Wenn sich die Welt verändert. und neue Dinge kommen, darf man nicht zum Trittbrettfahrer werden. Über die Zeit ist es nicht einfacher geworden, ich glaube, da hatten wir noch, wenn ich das so sagen darf, damals bessere Zeiten. Wie gesagt, ich konnte noch mit einem Businessplan zu einer Bank gehen, die uns vertraute. Aber schon damals war es sehr wichtig, sich richtig vorzubereiten und dann die Visionen zum Leben zu erwecken.
©Constantin Film Verleih GmbH
Was waren die nächsten Meilensteine?
Im Jahr 1984, also vor 38 Jahren, konnte
ich Paramount Pictures überzeugen uns erst den Home-Entertainment-Vertrieb für die Schweiz und später für Österreich anzuvertrauen. Die ersten Filme, die wir veröffentlichen durften, waren «Der Pate», «Indiana Jones», «Star Trek» und «Spiel mir das Lied vom Tod».
Sind Sie sehr innovationsgetrieben?
Wir wollen immer ein First Mover sein.
Mein Motto ist immer, und das sieht man auch in den Präsentationen: Willkommen in der Zukunft, alles ist möglich. Du musst früh in einem Bereich starten, denn dann ist es noch finanzierbar. Ich bin Unternehmer und ich habe immer mein eigenes Geld mitriskiert. So haben mir auch die Banken oder Partner immer geholfen, weil ich das Geld, das ich verdient habe, auch selbst wieder reinvestiert habe. Ich bin überzeugt, dass das dann auch Vertrauen schafft. 1999 gingen wir dann mit der Highlight Communications AG an die Börse. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse gingen auf rund 80 Prozent. Unsere Aktie stieg und stieg.
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Wie kamen Sie zur Vermarktung der Champions League für die UEFA?
Im Jahr 1999 lernte ich durch einen Freund
Klaus Hempel und Jürgen Lenz, die damaligen Mitbesitzer der TEAM-Gruppe, kennen. Gemeinsam mit der UEFA entwickelten sie
 das neue Format der UEFA Fussball Champions League. Seit deren Gründung hat die TEAM Marketing AG das exklusive Mandat zur Vermarktung der UEFA Champions League inne. Der Rest ist schnell erzählt: Im Sommer 1999 konnten wir mit der Highlight Communications AG 80 Prozent der TEAM -Gruppe erwerben. Es war uns wichtig, dass 20 Prozent bei den bisherigen Eigentümern verblieben, um von ihnen zu lernen und den Know-How-Transfer sicherzustellen. Mittlerweile ist die TEAM-Gruppe eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Highlight Communications AG. In den letzten 21 Jahren konnten die UEFA-Club-Wettbewerbe weiter kontinuierlich ausgeweitet werden und zählen heute zu den grössten, jährlich wiederkehrenden Sportevents. Erfreulicherweise haben wir gerade den grössten Teil der Vermarktungsrechte (ohne USA) ab 2024 für weitere drei Jahre erhalten.
Ein Wort zur Filmbranche, hierfür haben Sie eine besondere Leidenschaft?
Es war immer ein Traum von mir mit der
Filmbranche mein Geld zu verdienen. Meine Leidenschaft für den Film ist seit frühester Kindheit ungebrochen. So ist mein Engagement bei der Constantin Film AG eine Herzensangelegenheit. Ich war ein Riesenfan von Bernd Eichinger, er war ein Genie und hat Massstäbe gesetzt. Sein Tod kam überraschend und war sehr tragisch. Auch für die Constantin Film war Eichinger ein Erfolgsgarant. Man sieht bei nüchterner Betrachtung nicht nur über ein Jahr, sondern über die letzten 21 Jahre, dass die Constantin Film AG im Kinovertrieb als einzige unabhängige Filmvertriebsfirma mit den Hollywood-Studios mithalten kann. Wir haben im August mit Constantin Film den achten Eberhofer-Krimi in die Kinos gebracht. Nach einem Rekordauftakt marschierte «Guglhupfgeschwader» nach dem zweiten Wochenende schon in Richtung 600’000 Zuschauer, schneller als jeder andere Eberhofer-Krimi davor. Die Bestmarke zu diesem Zeitpunkt hatte bisher «Leberkäs-Junkie» mit 505’000 Zuschauern. Nach elf Tagen hatte «Guglhupfgeschwader» auch schon die Gesamtergebnisse der ersten drei Eberhofer-Filme «Dampfnudelblues», «Winterkartoffelknödl» und «Schweinskopf al dente» überflügelt. Da schreiben wir wieder mit jedem Film Geschichte.
Wo sehen Sie neue Potenziale?
Viel Potenzial liegt vor allem in der Inter
nationalisierung von Produktionen. Unsere Top-20-Produktionen der letzten 20 Jahre wie unter anderem «Fantastic Four» oder «Resident Evil», haben allein über drei Milliarden in den Kinos eingespielt. So haben wir Partnerschaften mit mehreren Hollywood-Studios. Im deutschsprachigen Raum übernehmen wir die Vermarktung durch die Constantin Film selbst, auf internationaler Ebene suchen wir Lizenzpartner, die für uns die Rechte vertreiben. Mit Amazon haben wir einen Rekord mit «LOL – Last One Laughing» aufgestellt. Gemäss Philip Pratt,, Leiter der deutschen Amazon Originals bei Amazon Studios, ist LOL der am meisten gesehene Titel aller Zeiten bei Prime Video in Deutschland. Mit «Blood Red Sky» erreichten wir über 50 Millionen Views und in 57 Ländern Platz eins, damit wurde der Film weltweit bisher der erfolgreichste, deutsche Netflix-Titel.
Wie beurteilen Sie das lineare Fernsehen, gerade das Privatfernsehen. Hier sind Sie mit Sport1 auch in direkter Verantwortung?
Die privaten Sender haben sich bereits auf
die Veränderungen eingestellt. Die Babyboomer-Generation ist eben noch mit dem analogen Fernsehen aufgewachsen und wird damit auch alt.
Früher lag unser Fokus auf der Kernzielgruppe in der Altersspanne von 20 bis 49 Jahren, heute umfasst diese das Alter von 20 bis 59 Jahren. Es ist also klar, dass hier eine Verschiebung der Altersstruktur stattfindet. Auf der anderen Seite erreichen wir, mit unserer Sport1-App 8,8 Millionen Unique-User, wir werden jetzt dann irgendwann bei einer Milliarde Visits sein. Im Mai hatten wir 19 Millionen Video-Views bei Sport1. Das sind erfreuliche Zahlen, die zeigen, dass wir die Zeichen erkannt und den richtigen Weg eingeschlagen haben.
Kommen wir bitte kurz zum Frauenfussball und der Forderung nach «Equal Pay» . Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Das Potenzial ist sicher da, aber wie immer in solchen Situationen,
geht es auch darum, dass alle mitspielen. Es gibt einen Topf, wenn nun neue Ausgaben hinzukommen, muss das mitfinanziert werden. Das heisst: Neue Einnahmen müssen generiert werden und es braucht eine gerechte Verteilung. Das bedeutet, dass es kreative Konzepte und neue Einnahmequellen braucht.
Wann sind die Grenzen erreicht?
Ich bin mir sicher, eine Regulierung wird kommen. Auf der an
deren Seite heisst das für mich: Wenn neue Sender und Programminhalte geschaffen werden, entstehen für mich neue Perspektiven und Möglichkeiten. 1857 wurde der erste Fussballclub gegründet. Wir reden über fast 170 Jahre und nur ganz wenige haben wirklich viel verdient. Ich bin mir sicher, dass die Frauen schnell aufholen werden. Es braucht nur etwas Geduld.
Letztes Wort: Wer wird in der laufenden Saison 2022 / 23 Schweizer Fussballmeister?
Als Schweizer Meister, klar, da wünsche ich mir den FC Basel. Da
bin ich mit ganzem Herzen dabei.
Bernhard Burgener ist seit 1982 im Filmgeschäft tätig. Seine unternehmerische Laufbahn begann er 1983 mit der Gründung der Rainbow Video AG (heute: Rainbow Home Entertainment AG). Seit 1994 ist er Aktionär der Highlight Communications AG und war bis 1999 Delegierter ihres Verwaltungsrats. Im Mai 1999 führte er das Unternehmen an die Börse und verantwortete von 1999 bis 2008 die Geschäfte der Highlight-Gruppe als Präsident des Verwaltungsrats. Seit 2008 fungiert Burgener erneut als Delegierter des Verwaltungsrats. 2011 wurde er zusätzlich zum neuen Verwaltungsratspräsidenten der Highlight Communications AG gewählt. Von 2008 bis 2015 war er Vorstandsvorsitzender der Constantin Medien AG. Von 2009 bis 2013 zudem Vorsitzender des Vorstands der Constantin Film AG, deren Aufsichtsratsvorsitzender er seit 2014 ist.