Businessman is red faced and very angry. Isolated on white.

Einige Managementtheoretiker proklamieren die Vorteile der autokratischen Führung: Zentralisierung der Macht auf eine Person, schnelle Entscheidungen. Dies sei gerade in Krisen von unschätzbarem Wert. Doch wer selbst einmal einen autoritären Chef erlebt hat, erkennt schnell, welchen Schaden der im Unternehmen verursachen kann. 

In der Schule haben wir gelernt, wie die Schlacht bei Salamis (480 v. Chr.) zum Paradestück für autokratisches Herrschen wurde: Ein kleines demokratisches Bündnis griechischer Städte unter der Führung Athens besiegte – zahlenmäßig deutlich unterlegen – die gewaltigste Militärmaschine der damaligen Welt. Der Perserkönig Xerxes musste mit seinem geschlagenen Heer den Rückzug antreten. Tausende persische Krieger starben. Der Grund für seine Niederlage war sein autoritärer Führungsstil. Die Griechen profitierten damals von ihrer jungen Demokratie. Sie waren hochmotiviert und kämpften für die eigene Sache.

„Nur ein Autokrat“, so Xerxes‘ Irrtum, „der alle Macht in den Händen hält, sich nicht dauernd durch Einzelinteressen behindern lässt, kann langfristig planen, notfalls Opfer fordern, seine persönlichen Ziele verfolgen und seine Macht ausbauen. Nur er kann kühn und rücksichtslos handeln, wie es seine Position an der Spitze festigt.“ Darin sei der Autokrat jedem demokratischen Herrscher überlegen. Xerxes war und ist bis heute die Verkörperung dieses autoritären Führungsmodells. Sein Männlichkeitskult, seine gewalttätige Zielstrebigkeit, sein Narzissmus haben ihn zur weltweiten Identifikationsfigur toxischer Chefs werden lassen. Putin, Xi Jingping, Orban, Erdogan & Co lassen grüssen. Geschichte wiederholt sich.

Wer selbst einmal unter einem autoritären Chef gearbeitet hat, wird schnell Parallelen zu unserer heutigen Managementwelt erkennen und feststellen: toxische Chefs sind echte „Mistkerle“. Sie verursachen auf Dauer großen Schaden – für Unternehmen ebenso wie für die Weltpolitik.

Der Mythos von grossen starken Mann – ein Märchen
Was macht diesen echten „Mistkerl“ aus? Erstens kennt der autokratische Chef die Welt um sich herum nicht. Er definiert sich als der einzige und allwissende „starke Mann“. Er will ständig von seinem Umfeld geleibt werden. Daher umgibt er sich in aller Regel mit Jasagern, Speicheleckern und schwachen Dienern ohne Rückgrat, die genau wissen, was er gern hört und was nicht. Sie lassen nur die angenehmen Informationen an ihn heran und kehren die wahren Probleme unter den Tisch, anstatt sie offen anzusprechen. Nicht selten fällt er dann – schlecht informiert – seine einsamen Entscheidungen. Vermutlich hat ihn niemand darauf aufmerksam gemacht, wie schwach seine Position in Wahrheit ist. Kein Wunder, dass daraus Fehlentscheidungen entstehen können.

Demokratische Chefs dagegen haben es mit selbstbewussten, informierten Mitarbeitern und oppositionellen Belegschaftsvertretern zu tun. Sie pflegen den Dialog und lassen fremde Meinungen zu. So werden sie ständig in ihrer Führungskompetenz gefordert. Wenn sie etwas erreichen wollen, gibt es oft Widerspruch. Bevor eine Entscheidung fällt, werden die Argumente der Gegenseite angehört, die Ideen der Anderen geprüft. Zugegeben, das ist manchmal unbequem, aber es ist ihr Signal von Wertschätzung auf Augenhöhe, ein Zeichen von Demokratie. Das Ergebnis ihres Führungsstils: mehr Produktivität im Team.

Der Autokrat muss nichts prüfen. Er befiehlt. Basta. Erst wenn es zu spät ist, der Schaden nicht mehr gut zu machen ist, zerbröckelt der Mythos des Super Chefs und er schiebt anderen die Schuld zu. Nicht selten sucht er dann das Weite und hinterlässt verbrannte Erde.

Zweitens sind die Mitarbeiter toxischer Chefs oft schlechter informiert und daher für die Sache wenig motiviert. Sie arbeiten meist unter Druck, nach Diktat, führen ihre Aufgaben oft zögerlich aus, gegen ihren Willen. Sie machen Dienst nach Vorschrift, arbeiten nur auf Befehl. Wenn keine Befehle kommen oder wenn es Probleme gibt, verharren sie in Schockstarre. Sie wissen: für Fehler werde ich gleich einen Kopf kürzer gemacht. Also handele ich lieber nicht und ducke mich in der Furche. Wertschätzung und Anerkennung ihrer Leistung erfahren sie kaum, allenfalls als Pflichtübung des selbstherrlichen Managements, nicht aber authentisch und ehrlich. Viele toxische Chefs erklären Mitarbeiter zur Neben- und nicht zur Chefsache. Sie drehen sich um sich selbst und leben nach dem Grundsatz: „Wo ich bin, ist oben“. Punkt. Sie lassen jegliche ehrliche Wertschätzung und den respektvollen Kontakt zu den Mitarbeitern vermissen oder verlieren in und ungerechtem Führungsverhalten die Bodenhaftung.

Das dritte Merkmal toxischer Chefs: Sie sind oft rücksichtslos in ihrem Vorgehen. Ihr Narzissmus verhindert, dass ihre Leute eindeutig hinter ihnen stehen. Zuneigung oder gar Bewunderung müssen sie sich teuer erkaufen. So entsteht ein korruptes Wertesystem im Unternehmen. Oft finden sie deshalb nur schwer seriöse Partner in ihrem Business, geschweige denn Freunde. Der offene, demokratische Vorgesetzte dagegen hört seinen Leuten zu und profitiert von seinem gut ausgebauten Netzwerk. Wenn er etwas erreichen will, bekommt er in der Regel leichter Unterstützung von seinen „good fellows“. Seine Leute engagieren sich für die gemeinsame Sache und sind in der Lage, eigenverantwortlich zu agieren – selbst wenn es mal eng wird. Weil er es zulässt.

Erklärt dagegen der Autokrat seinen Leuten mit Missachtung, Respektlosigkeit, mangelnder Information oder öffentlicher Blossstellung erst einmal den Krieg, dann beginnt die nächste Eskalationsstufe: seine Mitarbeiter werden zu Partisanen. Sie kontern mit unterschwelliger Leistungsverweigerung, häufigen Krankmeldungen, mangelnder Loyalität und Dienst nach Vorschrift. Die Untergebenen ziehen sich zurück in die innere Kündigung. Kreative Lösungsvorschläge unterbleiben ebenso wie klare Stellungnahmen: „Wenn der Alte es so will, dann kriegt er es so.“ Nicht selten verlassen gerade High Performer das Unternehmen. Die Fluktuationskurve steigt ins Uferlose. Das spricht sich im Personalmarkt herum, und die HR-Abteilung wundert sich, warum auf Stellenausschreibungen keine Resonanz kommt. Spätestens jetzt wird klar: Mistkerle in den Führungsetagen kosten das Unternehmen richtig Geld.

Daher gibt es nicht nur moralische Gründe, negatives Führungsverhalten zu unterbinden. Die wirtschaftlichen sind mindestens ebenso handfest, übersteigen sie in manchem Unternehmen doch sogar die Erträge, die von diesen Akteuren erwirtschaftet werden.

Wie vermeidet man Scheusale im Unternehmen?
Unternehmenslenker sind gut beraten, Störungen in Abläufen, Konflikte, Unzufriedenheit, erhöhte Fehlzeiten, steigende Fluktuationsraten, sinkende Leistungen oder Informationen über Mobbing sehr zu ernst nehmen. Was läuft aus Sicht der Mitarbeiter schief? Das Bagatellisieren von Problemen führt hier nicht zum Ziel, hält man sich die enormen Folgekosten von Demotivation, Nervenkrieg und Kräfteverschleiss im Team vor Augen. Bei hartem Verdacht von Miss-Führung ist unverzüglich der Einsatz von vertraulichen und neutralen Mitarbeiter-Interviews sinnvoll, um die wahren Ursachen präzise zu ergründen. Hier macht es Sinn, in gravierenden Fällen externe HR-Berater oder den Business Coach des Vertrauens hinzuziehen, um ehrliche Antworten zu bekommen. Wenn dann tatsächlich identifizierbare Missstände herrschen, gilt es, mit Nachdruck an der Verbesserung der Zustände zu arbeiten und – dies den Mitarbeitern zu kommunizieren. Wer hier seine Anerkennung für die Kritik zeigt, nimmt seine Mitarbeiter ernst und beteiligt sie am Verbesserungsprozess. Ein positives Vorbild für andere Führungskräfte ist in dieser Situation von grösster Bedeutung. Mitarbeiter erwarten von der Unternehmensleitung ein deutliches Signal, dass sich etwas zum Positiven verändert. Scheuen Sie sich also nicht, Mistkerle in der Führungsriege zu outen oder gar „zur Adoption freizugeben“. Viele Unternehmen arbeiten inzwischen mit einem sogenannten „Code of Conduct“, einer Art Verhaltenskodex, der für Klarheit sorgt.

Und – ganz wesentlich: Ein professioneller Rekrutierungsprozess kann bereits frühzeitig dafür sorgen, dass toxische Chefs gar nicht erst eingestellt werden. Dabei liegt der Fokus neben der Fachkompetenz vor allem auf der Führungs- und Sozialkompetenz des Bewerbers. Und wer noch ein Übriges tun will, dem empfiehlt sich dann eine vertrauliche Referenzprüfung bei ehemaligen Arbeitgebern des favorisierten Kandidaten – natürlich vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags. Lassen Sie sich überraschen, was da alles zu Tage kommt.

Über den Autor Albrecht von Bonin
Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinen Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis reichen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser.

(Quellen: Tageskarte und Foto: www.haustec.de/management)