Von der Nachfolgeplanung bis zur Unternehmensübergabe

Früher oder später denkt jede Unternehmerin und jeder Unternehmer an
die Zukunft und überlegt sich, wie die Unternehmensnachfolge geregelt werden
soll. Damit Unternehmerinnen und Unternehmer ruhigen Gewissens einen
Schlussstrich unter ihr Lebenswerk ziehen können, bedarf es einer gewissen
Vorausplanung. Dabei sind bestimmte Schritte unumgänglich und
Expertenrat ist erforderlich.

Wenn man das grosse Thema «Nachfolge» angeht, unterscheidet man am besten zwischen der Nachfolgeplanung und der eigentlichen Veräusserung des Unternehmens, das häufig Bestandteil eines grösseren Vermögens (Immobilien und Finanzanlagen, Kunstwerke et cetera) ist. Zeit spielt bei der Nachfolgeplanung eine wichtige Rolle, da sich der Nachfolgeprozess von den ersten Überlegungen bis zur konkreten Nachfolgeregelung im Allgemeinen über zehn bis 15 Jahre hinzieht. Dabei gilt sowohl in der Planungs- als auch in der Umsetzungsphase des Nachfolgeprozesses stets die Weisheit von Benjamin Franklin: Wenn wir uns nicht vorbereiten, bereiten wir uns auf das Scheitern vor.»

In einer Studie wurde kürzlich festgestellt, dass nur 13 Prozent der Schweizer Unternehmen über einen dokumentierten und kommunizierten Nachfolgeplan verfügen. Fast die Hälfte der Unternehmen hat gar keinen Nachfolgeplan. In gewisser Weise lässt sich an diesen Zahlen ablesen, wie heikel und emotional aufgeladen dieses Thema ist.

OFFENE FRAGEN IM VORFELD KLÄREN
Die Nachfolgeplanung als solche wirft zahlreiche verschiedene Fragen auf, die mit Unterstützung von Expertinnen und Experten insbesondere auf dem Gebiet des Familienrechts, des Erbrechts und des Steuerrechts geklärt werden sollten: Muss ich ein Testament aufsetzen oder kann ich mich auf die gesetzlichen Erbfolgeregelungen verlassen? Welcher eheliche Güterstand ist sinnvoll, wenn ich ein Unternehmen führe? Welche Lösungen stehen mir zur Verfügung, um etwaige Vorsorgelücken zu schliessen? Reicht mein Einkommen nach der Pensionierung aus, um meinen Verpflichtungen nachzukommen und meinen Lebensstandard zu halten? Wenn ich Immobilienvermögen besitze, muss dieses direkt oder über eine Immobiliengesellschaft gehalten werden? Welche Rechtsform wähle ich bei der Unternehmensgründung? Sind die Verhältnisse zwischen den Mitaktionären / Gesellschaftern im Unternehmen in einem Aktionärsbindungsvertrag angemessen geregelt?

Es lässt sich feststellen, dass viele Fragen weit über den Unternehmensbereich im engeren Sinne hinausgehen. Mit anderen Worten: In der Planungsphase geht es vor allem darum, die wichtigsten Steuerungsinstrumente zu schaffen: Ehevertrag, Erbvertrag, Testament, Familiencharta, Aktionärsbindungsvertrag. Wenn diese Punkte geregelt sind, kann die Unternehmerin oder der Unternehmer zum gegebenen Zeitpunkt ruhigen Gewissens die eigentliche Veräusserung ihres oder seines Unternehmens ins Auge fassen. Bei diesem Nachfolgeprozess, der sich aus der Planungs- und der Umsetzungsphase zusammensetzt, beginnt die Arbeit von Beraterinnen und Beratern für Fusionen und Übernahmen da, wo die Unterstützung der oben genannten Fachpersonen endet. Im Folgenden befasst sich dieser Artikel speziell mit der Übertragung einer oft sehr grossen Vermögenskomponente, nämlich der des Unternehmens.

DREI FORMEN DER UNTERNEHMENSNACHFOLGE
Bei der Unternehmensübertragung bieten sich den Veräussernden schematisch dargestellt drei Alternativen an:
1. ein Verkauf innerhalb der Familie («Family-Buy-out», FBO) – statistisch betrachtet werden zwischen 30 und 50 Prozent der Unternehmen an die Erben übertragen,
2. ein Verkauf an einen oder mehrere Kadermitarbeitende des Unternehmens («Management-Buy-out», MBO),
3. ein Verkauf an eine familien- oder unternehmensexterne Drittpartei: entweder an ein Unternehmen («Trade Sale») oder an einen Finanzinvestor wie ein Family Office oder einen Private-Equity-Fonds.

Diese verschiedenen Formen der Unternehmensnachfolge erfordern unterschiedliche Prozesse betreffend die Dauer, die Beteiligten und den Transaktionspreis. Ein Leveraged Buy-out (LBO) stellt im Übrigen formal gesehen keine Übertragungsart dar, sondern besagt, dass der Käufer einen finanziellen Hebel nutzt, also einen Kredit aufnimmt.

Die verschiedenen Übertragungsarten können natürlich auch kombiniert werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Gruppe von Kadermitarbeitenden für die Übernahme eines Unternehmens die Unterstützung eines Finanzinvestors in Anspruch nimmt. Eine solche Konstellation ermöglicht es dem Finanzinvestor, der oft wenig Interesse daran hat, eine operative Rolle zu übernehmen, sich in dieser Hinsicht auf einen oder mehrere Manager zu stützen. Diese wiederum finden in den Finanzinvestoren einen Partner, der die bisweilen bestehende mittlere bis grosse Finanzierungslücke schliessen kann.

WELCHES MODELL IST DAS RICHTIGE?
Bei der Wahl des Nachfolgemodells spielen zahl­reiche Faktoren eine Rolle. Aufgrund der bereits bestehenden Verbindung der Familienmitglieder oder der Kadermitarbeitenden zum Unternehmen wird ein Family-Buy-out oder ein Management- Buy-out oft von Veräussernden bevorzugt, denen die Kontinuität am Herzen liegt. Bei einem Family- Buy-out oder einem Management-Buy-out ist es oft unabdingbar, dass geeignete Kandidatinnen und Kandidaten vorhanden sind, die sowohl über die entsprechenden Kompetenzen (Führungs- und Fachkompetenzen) als auch über Unternehmergeist verfügen. Bei einer Übertragung an die Kadermit­arbeitenden können meistens geeignete Kandida­tinnen und Kandidaten innerhalb des Unternehmens mithilfe eines wirksamen Beurteilungssystems im Voraus identifiziert und entsprechend ausgebildet werden. Bei innerfamiliären Übergaben ist eine solche Beurteilung oft eher heikel, da sie die fami­liären Beziehungen manchmal auf eine harte Be­lastungsprobe stellen kann. Eine gute Methode, um einschätzen zu können, ob die Familienmitglieder oder die Kadermitarbeitenden fähig und bereit sind, das Zepter zu übernehmen, besteht darin, die operative Verantwortung Schritt für Schritt abzu­geben und nur noch eine Verwaltungsratsfunktion wahrzunehmen. Diese Zwei-Phasen-Lösung unter­streicht nochmals, wie wichtig die Vorbereitung und die Wahl des richtigen Zeitpunkts sind.

Es kommt aber auch vor, dass sich die Unternehme­rin oder der Unternehmer gegen eine Übertragung an Familienmitglieder oder die Kadermitarbeitenden entscheidet, weil es in der Familie und im Manage­ment niemanden mit einem geeigneten Profil gibt. Von diesem schwierigen Schritt hängt manchmal das Fortbestehen des Unternehmens ab.

DIE RAHMENBEDINGUNGEN BERÜCKSICHTIGEN
Die Wahl der Übertragungsart (FBO, MBO oder Verkauf an eine Drittpartei) spielt auch insofern eine Rolle, als statistisch erwiesen ist, dass sich die Art der Übertragung nicht unerheblich auf den Transaktionspreis auswirkt. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass der Abschlag auf den Trans­aktionspreis bei innerfamiliären Transaktionen (FBO) bis zu 40 Prozent und bei einem Verkauf an Kadermitarbeitende (MBO) rund 25 Prozent be­tragen kann. Begründen lassen sich solche Abschläge mit der Loyalität der Familienmitglieder und Kadermitarbeitenden gegenüber dem Unternehmen. Auf der anderen Seite kann es bei einem Verkauf an einen strategischen Investor (Trade Sale) zu beachtlichen Bewertungsaufschlägen kommen. Dies gilt insbesondere, wenn das veräusserte Unter­nehmen eine Marktnische besetzt oder über technisches Know-how mit sehr hohem Mehrwert verfügt. In den letzten Jahren hat auch die hohe Liquiditätshaltung der Investmentfonds für einen Anstieg der Bewertungen gesorgt.

Rahmenbedingungen wie die Konjunkturlage, das rechtliche Umfeld sowie der politische und wirtschaftliche Kontext haben ebenfalls einen Einfluss auf die Nachfolgeregelung. Je nach Branche können diese Faktoren sowohl Chancen als auch Heraus­forderungen darstellen und den Nachfolgeprozess entweder be­günstigen oder behindern.

TRANSPARENT KOMMUNIZIEREN
Die Kommunikation ist ein weiterer Schlüsselfaktor, den man be­rücksichtigen sollte. Jeder Eigentümerwechsel wirkt sich unvermeidlich auf die Beziehungen zu den Stakeholdern eines Unternehmens aus: den Mitarbeiten­den, Lieferanten, Kunden, staatlichen Stellen (beispielsweise bei Tätigkeiten, für die eine Genehmigung erforderlich ist). Die Kommu­nikation gegenüber den Mitarbeitenden ist von besonderer Bedeutung, da es destabili­sierend wirken kann, wenn Informationen durchsickern. Ebenfalls als destabilisierend kann es sich erweisen, wenn die Kadermit­arbeitenden teilweise oder allesamt vorzeitig ins Vertrauen gezogen werden, der Nachfol­geprozess dann aber scheitert. Was die Kom­munikation angeht, ist die Wahl des richtigen Zeitpunkts ebenso wie die Transparenz von grosser Bedeutung.

Die Übertragung eines Unternehmens ist ein Prozess, der sich in der Regel über einen Zeitraum von neun bis zwölf Mo­naten erstreckt und finanzielle, juristi­sche, steuerliche und betriebliche Exper­tise erfordert. Wenn Übergabespezialisten oder Beraterinnen und Berater für Fusi­onen und Übernahmen mit dem Verkauf eines Unternehmens betraut werden, ist eine professionelle Durchführung des Prozesses in vier Phasen sichergestellt. Die erste Phase besteht in der Zusam­menstellung der Verkaufsdokumentation («Blind Profile» zur Aushändigung an die anvisierten Käufer und Informationsme­morandum). In der zweiten Phase werden die potenziellen Käufer, die von den Ver­äussernden validiert wurden, kontak­tiert, um eine unverbindliche Absichts­erklärung einzuholen. Die dritte Phase, in die nur die ausgewählten Erwerbenden eintreten, ist der Due Diligence (in finan­zieller, rechtlicher und steuerlicher Hinsicht) und Gesprächen mit dem Management ge­widmet. In der vierten und letzten Phase finden die Vertragsverhandlungen (Kauf-und Verkaufsvertrag, Aktionärsbindungs­vertrag) statt.

Die Beiziehung von Expertinnen und Experten ist hier auch insofern gerecht­fertigt, als diese die operativen Aspekte nicht überbewerten und durch ihre Funk­tion als Marktbeobachter in der Regel über ein grosses Netzwerk an in- und aus­ländischen Gegenparteien verfügen.

Vincent Gygax, Leiter Corporate Finance bei der Bank CIC (Schweiz) AG

Weitere Informationen:
https://www.cic.ch/