Die remotebasierte Simultanübersetzung war bereits vor Covid-19 ein Lösungsansatz, den Syntax vermehrt durchgeführt hat und damit zukunftsweisend war. Die Dolmetscherinnen und Dolmetscher befinden sich dabei an ihren jeweiligen Standorten – irgendwo auf der Welt – und sind über Internet live mit der Veranstaltung verbunden. Im Interview sprechen wir mit Yvan Zimmermann über das Potenzial von Digitalisierung und Dezentralisierung für die Syntax Übersetzungen AG.

Können Sie uns kurz den Werdegang von Syntax skizzieren? Mit welchen Dienstleistungen haben Sie begonnen, welche sind ganz neu?

Vor 37 Jahren wurde die Firma gegründet, damals lagen die Themen vor allem im Bereich der Übersetzungen aus diversen Fachbereichen. Es ging um Dinge wie die Texterstellung, Übersetzung und dann das Gut zum Druck. Früher musste alles analog geschehen, man musste die Arbeit zu Papier bringen, dann wurde geprüft und gedruckt.

Seit den 2000er-Jahren – vor allem in den letzten 10 Jahren – war die Arbeitsweise der meisten Übersetzerinnen und Übersetzer einem starken Wandel unterworfen. Der Einsatz von Übersetzungsspeichern und seit relativ kurzer Zeit auch die maschinelle Übersetzung für bestimmte Textarten haben den Berufsalltag stark verändert. Die Übersetzerin beziehungsweise der Übersetzer arbeitet heute mehr denn je mit den verschiedenen technischen Hilfsmitteln, gleichzeitig bleiben aber die fundierten Kenntnisse des Individuums unerlässlich. Wo Prozesse digitalisiert werden, muss man aber auch Schnittstellen mit den Kundinnen und Kunden finden, damit die Übersetzung einfacher funktioniert. Wir arbeiten daher auch in den gängigen Redaktionssystemen als Schnittstelle, um direkt auf die jeweiligen Textboxen zugreifen zu können. Ebenso gehen wir auf Websites und in ERP-Systemen vor, um schneller und kostengünstiger zu arbeiten. Auf diese Weise sind schlussendlich weniger Fehlerquellen vorhanden, weil es beim Kopieren oder Einfügen Flüchtigkeitsfehler geben könnte – das können wir ausmerzen.

Wenn wir auf die Nachfrage schauen, werden diese digitalen Prozesse im Übersetzungsalltag wahrscheinlich auch sehr gut angenommen?

Die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Gerade in den Bereichen Glossar und Terminologie haben wir viele neue Produkte, die die Kundin oder den Kunden unterstützen können. Es gibt beispielsweise für Banken oder Versicherungen Fachwörterbücher, da es in der Branche immer die gleichen Begriffe sind. Mit diesem Hilfsmittel können Sie zum Beispiel festlegen, dass vom System erkannt wird, wenn ein Glossarbegriff falsch verwendet wird.

Es gibt natürlich auch die maschinelle Übersetzung, die viele Nutzerinnen und Nutzer bereits kennen. Wir beraten unsere Kundinnen und Kunden transparent, ob dies eine Lösung sein kann. Ob ein Text besser maschinell vorübersetzt und nachbearbeitet oder gleich komplett «von Hand» übersetzt wird, hängt von der Textsorte, dem Verwendungszweck und dem Zielpublikum ab. Eine maschinelle Übersetzung birgt auch Fehlerquellen, insbesondere bei unterschiedlichen Grammatikstrukturen in der Ausgangs- und Zielsprache, bei Mehrdeutigkeiten von Wörtern und dem Schreibstil. Die Maschine erkennt unterschiedliche Stile kaum und übersetzt sie in der Regel in eine nüchterne, sachliche Ausdrucksweise. Bei der maschinellen Übersetzung handelt es sich um eine Satz-für-Satz-Übersetzung, bei welcher der Gesamtkontext eines Abschnitts nicht erkannt und berücksichtigt wird.

Das remotebasierte Simultandolmetschen ist besonders gefragt. Wie genau funktioniert dieser Prozess und welche technischen Voraussetzungen sind nötig?

Beim Simultandolmetschen war es so, dass die Dolmetscherinnen und Dolmetscher an der Veranstaltung in Kabinen sitzen und live übersetzen. Das ist der traditionelle und konventionelle Ansatz, der sicher bis 2019 noch vermehrt im Einsatz war.

Wir haben uns dann folgende Fragen gestellt: Warum muss die Dolmetscherin oder der Dolmetscher eigentlich vor Ort sein? Gibt es auch eine andere Lösung? Wie können wir unsere Unterstützung gestalten, um eine mehrsprachige Kommunikation flexibler zu ermöglichen? Einige Kundinnen und Kunden haben teils auf Simultanverdolmetschung verzichtet, weil es zu teuer oder aufwendig wurde.

Beim remotebasierten Dolmetschen handelt es sich dagegen kurz gesagt um Dolmetschen aus der Ferne, das kostengünstiger funktioniert. Vor Ort wird die Veranstaltung in Bild und Ton aufgenommen und über unsere Plattform den Dolmetscherinnen und Dolmetschern zur Verfügung gestellt. Er oder sie ist über Mikrofon und Kamera mit der Veranstaltung verbunden und sieht in Echtzeit vom eigenen Arbeitsort, was passiert und was gesprochen wird. Das Signal der Dolmetscherin beziehungsweise des Dolmetschers geht zurück zum Event, wo dann die Teilnehmer zum Beispiel mit ihrem Smartphone die App öffnen und die Übersetzung in der gewohnten Sprache erhalten.

Remotebasiertes Simultandolmetschen ist bereits seit Anfang 2019 bei Ihnen im Programm. Wie hat sich das Interesse daran vor und während der Pandemie verändert?

Durch die aktuelle Situation mussten einerseits Veranstaltungen in sogenannte Hybrid-Veranstaltungen oder ausschliesslich digitale Events transferiert und andererseits auch kleinere Meetings und Konferenzen digital organisiert werden. Unternehmen und Organisatoren mussten innerhalb kürzester Zeit einen Wandel durchmachen. Für die Kundinnen und Kunden ist es praktisch, dass sie sich weder um die Organisation der Dolmetscherinnen und Dolmetscher noch um die Technik kümmern müssen. Sie bestellen einfach die Leistung und können sich darauf verlassen, dass alles funktioniert.

Das Interesse an mehrsprachigen Online-Meetings und Veranstaltungen mit remotebasierter Technologie via Livestreaming auf Smartphone, Tablet oder Konferenzplattform ist hoch. Gerade das Fehlen physischer Treffen hat die Wichtigkeit der Sprache und das verbale Verständnis nochmals in den Fokus gesetzt.

Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Ihr Dienstleistungsangebot?

Mit Blick auf die Kommunikation hat uns die Pandemie in der Digitalisierung vorangebracht. Die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen, insbesondere das Interesse an Dolmetscherdiensten, steigt immer mehr – ganz besonders, weil der Austausch nicht mehr wie gewohnt stattfinden kann. Es braucht jetzt mehr Kommunikation, um die verschiedenen Zielgruppen zu erreichen. Gleichzeitig gewinnen auch unsere Dolmetscherinnen und Dolmetscher durch die Remote-Arbeit neue Freiheiten, was zum Beispiel die zeitliche Einteilung ihrer Arbeit angeht.

In welchem Bereich ist die multilinguale Kommunikation beziehungsweise das Dolmetschen besonders schwierig?

In akademischen Berufen wie Forschung, Entwicklung und Medizin ist es aufgrund der Thematik schwieriger, Fachpersonen zu finden. Oft müssen sie entsprechend zertifiziert sein. Wichtig in diesen Bereichen ist, dass die Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Voraus möglichst viel Referenzmaterial erhalten, um sich einarbeiten zu können. Sie müssen sich gut vorbereiten können. Wir arbeiten mit 400 Freelancerinnen und Freelancern, das sind Dolmetscherinnen und Dolmetscher, aber auch Personen, die Texte oder Übersetzungen erstellen. So gibt es aus jedem Bereich Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die das jeweilige Geschäft besonders gut verstehen.

Die Vorteile des remotebasierten Simultandolmetschens für die Nutzerinnen und Nutzer liegen auf der Hand: Kosten und Aufwand werden reduziert, die Umwelt wird geschont. Werden so auch neue Zielgruppen erreicht?

Wir erreichen auf jeden Fall neue Zielgruppen, weil Kundinnen und Kunden wissen, dass wir kostengünstig und trotzdem professionell arbeiten. Wir haben den obengenannten Ansatz schon vor der Pandemie verfolgt, weil wir damit kostenbewusst agieren und CO2-Emissionen einsparen können. Pro Event können wir bis zu 80 Prozent der Emissionen einsparen. So können wir heutzutage mehr Online-Events durchführen, weil wir günstiger produzieren. Eine Veranstaltung oder ein Meeting mehrsprachig anzubieten, wird dadurch wieder attraktiver und umsetzbarer – auch für Kundinnen und Kunden, die eine Simultanübersetzung früher nicht in Erwägung gezogen haben. Da verzeichnen wir einen deutlichen Wandel. Wir haben ausserdem eine extrem tiefe Reklamationsquote, sie liegt seit mehreren Jahren bei 0,5 Prozent. Das stützt unser Bestreben, dass wir Qualität zu einem moderaten Preis bieten wollen.

Sie haben die maschinelle Übersetzung bereits angesprochen. Wird KI den menschlichen Dolmetscher ablösen?

Es kann sein, dass die Dolmetscherin oder der Dolmetscher der Zukunft in irgendeiner Art eine Maschine sein wird, wie es bereits bei maschinellen Übersetzungen der Fall ist. Hoffen wir, dass das nicht so schnell passiert. Die Menschen haben heute viele Möglichkeiten – sie müssen aber auch mehr leisten, weil sie nicht mehr zwingend vor Ort sind. Ich gehe davon aus, dass Dolmetscherinnen und Dolmetscher in absehbarer Zukunft nicht ersetzt werden, sondern eher die Technologie stärker ergänzen.

Denn es braucht viel mehr, als der erste Blick zu fassen vermag: Es geht darum, zwischen den Zeilen zu lesen und ein gewisses Sprachgefühl zu entwickeln. Maschinen können Nuancen in der Sprache bislang nicht korrekt interpretieren. Bei der Verdolmetschung sind die Art und Weise, wie sich die Rednerinnen und Redner ausdrücken, ihr Akzent und die Tatsache, dass sie oft selbst nicht genau wissen, wie sie etwas sagen werden, stets grosse Herausforderungen. Die Dolmetscherin oder der Dolmetscher muss improvisieren und auf die Reaktion des Publikums eingehen können. Sie oder er muss auch erahnen können, was gesagt wird und welche Logik dahinterstecken könnte. Da der mündliche Ausdruck stark mit Emotionen verbunden ist, muss sie oder er diese sofort aufgreifen, mit und für die Rednerin oder den Redner denken und den Sinn erfassen können. Eine Maschine kann das nicht. Das Zwischenmenschliche muss eben auch stimmen.

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