Fernseher und Radios aus Europa waren vor Jahrzehnten eine Erfolgsgeschichte. Schon Ende der 70er-Jahre begann der Niedergang. Man ruhte sich auf den Lorbeeren des Wirtschaftswunders aus. Da waren andere in der Welt längst besser, zum Beispiel in Japan. Nachdem Loewe, einer der letzten europäischen Fernsehhersteller, lange ums Überleben gekämpft hat, geht es heute wieder aufwärts. Dies dank des Engagements von Mark Hüsges und seines Geschäftspartners, die das Unternehmen seit 2014 wieder erfolgreich im Markt positionieren. Wir haben Mark Hüsges gefragt, wie ihm dies gelungen ist und was Schweizer Unternehmen von Loewe lernen können.

Was haben Sie gemacht, um Loewe wieder erfolgreich zu machen?
Wir haben die Entwicklungen und Innovationen auf dem Fernsehmarkt genau analysiert und auf dieser Basis unsere Wertschöpfungsprozesse optimiert. Ebenfalls haben wir eine eigene Technolo­gieplattform entwickelt. Diese Plattform macht uns unabhängig und unterscheidet uns von anderen Marktteilnehmern. Auch die Benutzerführung und die Benutzerfreundlichkeit unserer Produkte haben wir stetig verbessert. Zudem haben wir enge Kooperationen nicht nur mit den Display-Herstellern gestartet.

Auch Schweizer Unternehmen wie die Jura oder Logitech durchlebten Krisenzeiten und haben sich erfolgreich neu positioniert. Was haben diese Unternehmen richtig gemacht?
Beide Unternehmen haben sich auf wachstumsträchtige Produkte konzentriert. Bei der Logitech war dies in den letzten Jahren das Tablet-Zubehör. Die Jura hat die Herstellung von Bügeleisen aufgegeben und ist in den Kapselmarkt eingestiegen. Ihren Kernmarkt, die Vollautomaten, hat sie aber trotzdem beibehalten. Wir verfolgen solche erfolgreichen Neupositionierungen sehr genau, da wir von diesen Marken viel lernen können.

Inwiefern ist diese jüngere Unternehmensgeschichte von Jura oder Logitech mit derjenigen von Loewe vergleichbar?
Um die Krisen überstehen zu können, mussten sich alle drei Unternehmen noch besser auf die Kundenbedürfnisse ausrichten. Wichtig in solchen Situationen ist, die fundamentalen Markttrends zu beobachten und disruptive Marktveränderungen für sich zu nutzen. Dies hat die Jura im Falle des aufkommenden Kapselkaffees richtig erkannt und ist dank der Kooperation mit Nespresso rechtzeitig in den Markt eingestiegen.

Wie schafft man es, in umkämpften Zeiten wie diesen zu bestehen?
Wie soeben gesagt, man muss extrem nahe am Kunden bleiben. Wir orientieren unsere Produkte am Kundennutzen. Der Kunde soll ein Produkt in den Händen haben, das er einfach bedienen kann und das ihm Spass macht. Schluss­endlich zählt seine Erfahrung mit der Marke. Unsere Aufgabe ist, diese positiv zu gestalten.

Ihre stärksten Marktmitbewerber sitzen in China und Südkorea. Wie gelingt es, sich gegen weniger hochpreisige Anbieter aus Asien durchzusetzen?
Zu einem grossen Teil bewegen wir uns in einem anderen Marktsegment als diese Anbieter. Somit ist es für uns weniger eine Wettbewerbssituation als eine Chance für internationale Partnerschaften. Mit guten Partnerschaften können wir unsere Nachteile als mittelständisches Unternehmen ausgleichen. Dafür müssen wir aber immer wieder eigene Stärken entwickeln. Grundsätzlich ist es unser Ziel, einzigartige Produkte und Systeme mit Mehrwert auf den Markt zu bringen und uns damit von anderen Anbietern zu unterscheiden. Der Preis spielt dabei nicht die grösste Rolle. Entscheidend ist der Nutzen.

Was unterscheidet deutsche und schweizer Unternehmen / Produkte von asiatischen?
Der Unterschied liegt für mich vor allem in der Liebe zum Detail, der Leidenschaft sowie der Disziplin, mit der Schweizer und deutsche Unternehmen ihre Produkte herstellen. Das geht von den Materialien über die Nutzbarkeit bis hin zu der Software, die in einem Produkt steckt. Dass diese Produkte auch viele Abnehmer im asiatischen Raum finden, zeigt, dass Schweizer und deutsche Unternehmen auch weltweit erfolgreich sein können.

Was raten Sie Schweizer Unternehmen, die sich überlegen, die Produktion ins Ausland zu verlagern?
Mit Loewe stellen wir unter Beweis, dass hochwertige Premium-Produkte auch in der Schweiz oder in Deutschland hergestellt werden können. Doch wahrscheinlich gibt es heutzutage kaum noch ein Produkt, das nicht in einer globalen Wertschöpfungskette entsteht. Wichtig ist, internationale Kooperationen für sich zu nutzen, Eckpfeiler der Herstellung – etwa die Entwicklung und die Qualitätskontrolle – jedoch nahe beim Unternehmen zu behalten. Auf der anderen Seite haben vor allem Schweizer Unternehmen mit Härten, wie den Wechselkursschwankungen zu kämpfen.

Was sind die Vorteile des Produktionsstandortes Deutschland / Schweiz? Und in Ihrem Fall konkret: von Kronach?
Die Standorte Schweiz und Deutschland bieten viele Vorteile, da sie über qualifizierte Mitarbeitende verfügen. Die Mitarbeitenden teilen die Leidenschaft und das Qualitätsbewusstsein der Unternehmen. Mit dem Produktionsstandort Kronach stellen wir das Qualitätsniveau unserer Produkte ­sicher und dürfen deshalb zu Recht das Siegel «Made in Germany» verwenden.

Wie gelingt es Ihnen, die mit dem deutschen Produktionsstandort einhergehenden höheren Produktionskosten auszugleichen?
Unser Fokus liegt nicht allein auf den Produktionskosten, sondern immer auf den Gesamtkosten. Diese bestehen auch aus den Qualitätskosten, die an einem Produktionsstandort entstehen. Zurzeit kann ­Loewe das angestrebte Qualitätsniveau nur am Standort Deutschland erreichen.

Wie beurteilen Sie die ökonomischen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen von Schweizer Unternehmen im Vergleich zu Unternehmen in Deutschland?
Unternehmen in beiden Ländern haben mit extremen Währungsrisiken zu kämpfen. Aber innerhalb des Euroraumes sind die Risiken weniger hoch als in der Schweiz. Der Franken ist ein spezifisches Problem des Schweizer Gewerbes. Nebst der Währung gibt es jedoch mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Beide Länder verfügen über genügend qualifiziertes Personal. Ebenso zeichnen sich die Schweiz und Deutschland durch ihre hohe Innovationskraft und ihr Innovationsmanagement aus. Eine Stärke beider Länder ist auch die permanente Optimierung der Produkte und Geschäftsprozesse.

Ein Thema, das die Unternehmen immer stärker beschäftigt und sich zu einem Wettbewerbsfaktor entwickelt, sind Kundenerlebnisse mit der Marke. Wie können Kundenerlebnisse gestaltet werden, sodass sich Kunden langfristig auf ein Unternehmen / eine Marke einlassen?
Wir sehen Kundenerlebnisse als Kernpunkt jeder Marke und haben sie deshalb bei der Neupositionierung von Loewe in den Mittelpunkt gestellt. Wir haben dafür die Position des Chief Experience Officer geschaffen. Er gestaltet die gesamte Interaktion des Kunden mit der Marke. Diese muss vom ersten Kontakt über das Einkaufs- bis zum Nutzungserlebnis schlüssig sein. Nur eine gut abgestimmte und gemeinsam geschaffene Erlebniskette kann den Kunden nachhaltig begeistern.

Lassen Sie uns ein kleines Fazit ziehen: Was können Schweizer Unternehmen von Loewe lernen?
Sie können von uns lernen, dass es langfristig nicht reicht, nur eine tolle Marke zu haben. Wichtig ist auch, dass das Markenversprechen mitsamt der Qualität und dem Kundennutzen zu jeder Zeit eingelöst wird. Heute arbeiten wir Tag für Tag mit aller Energie und Leidenschaft daran, das Markenerlebnis mit Loewe zu dem besten in unserer Industrie zu machen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, aber wir wissen sehr genau, wo wir hinwollen und lernen dabei stetig von den Besten.

Wir schreiben das Jahr 2025. Was hat sich für Unternehmen im Vergleich zu heute verändert?
Die Digitalisierung wird sicherlich unaufhaltsam vorangeschritten sein. Intelligente Systeme werden nicht nur unsere Geschäftsprozesse und Produkte, sondern auch unser Leben insgesamt prägen. Um als Unternehmen weiterhin erfolgreich zu sein, müssen wir die Chancen, die sich daraus ergeben, intensiv nutzen.

Weitere Informationen:
www.loewe.ch