Heutige Anforderungen für Präzisionswerkzeuge

Schwaben wird ein besonderer Innovations- und Erfindergeist zugesprochen. Ein aktuelles Beispiel ist die Automation, die in der Bodenseeregion tätig ist. Hier geht es nicht nur um Präzisionswerkzeuge, sondern zunehmend um Systemkomponenten, die sich in den Produktionsprozess einbinden lassen. Das ist eine wichtige Voraussetzung beim Thema Industrie 4.0. Wir führten mit Gökhan Sonuç, dem Geschäftsführer der Neher Automation ein Interview.

Wenn Besucher Ihres Hauses im schönen Ostrach vorbeikommen, fällt zunächst das Logo auf, welches auf dem Dach platziert ist. Es ist ein stilisierter Diamant. Was hat dies für einen historischen Hintergrund?

Wir haben unseren Markteintritt mit Diamantwerkzeugen begonnen und auch unsere ersten Markterfolge erzielt. Der harte Diamant ist daher eine naheliegende Wahl für ein Logo und die damit zusammenhängende Firmenphilosophie. Er steht aber für uns nicht nur für Härte und Qualität, sondern auch für brillante Lösungen. An diesem Dreiklang wollen wir uns messen lassen.

Sie haben um 1990 begonnen. Mit welcher innovativen Idee ist Ihr Haus auf den Markt gekommen?

Wir haben in Ostrach-Einhart mit einer Maschine in einer alten Mühle begonnen. Die Situation war zunächst wie bei einem Start-up sehr schwer. Es wurden hohe Investitionen getätigt. Zudem stand der Diamantwerkzeugmarkt noch in den Anfängen. Der Markt musste überzeugt werden.

Das ist eine typische Gründersituation. Da muss die Idee schnell Marktreife beweisen.

Der Gründer Fritz Neher hatte die Idee, mit einer spezifischen Geometrie von Diamantwerkzeugen die mechanische Bearbeitung von NE-Metallwerkstücken wirtschaftlicher zu machen. Dies war damals zwar wissenschaftlich bekannt, allerdings war sie weit entfernt davon, wirtschaftlich zu sein. Wir konnten das realisieren.

Einzelne Werkzeuge waren Herrn Neher allerdings zu wenig. Er wollte diese Werkzeuge in den Produktionsprozess einbinden, um Automatisierungsprozesse und Produktionsabläufe
zu optimieren.

Ja, die Gründerfamilie war schon immer innovativ und wollte dem Markt etwas voraus sein. Der Urgrossvater hat zu Beginn der Automobilgeschichte sein eigenes Auto entwickelt. Damals gab es hier noch gar kein Auto. Auf die heutige Zeit bezogen wollen wir die Effizienzpotenziale mit neuen Ideen immer weiter ausreizen.

Sie liefern jetzt nicht mehr einzelne Produkte, sondern sind ein Systemlieferant?

Wir konnten unser Produktportfolio in der Zwischenzeit so weit ausbauen, dass wir nicht nur Lieferant von einzelnen Werkzeugen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette unseren Kunden in der mechanischen Bearbeitung anbieten können. Dabei haben wir bei kleinen Kunden begonnen. Heute können wir von A bis Z die Bearbeitung des Bauteils anbieten. Das geht von den Werkzeugen über die Spannvorrichtung selbst bis hin zur Dichtheitsprüfung.

In welchen Branchen kommt dies zur Anwendung?

Oft geht es um die Automobilbranche, sprich Teile, die dort verbaut werden. Einzelkomponenten wie Lenkgehäuse, Getriebedeckel oder Motorblöcke sind hier konkrete Beispiele. Aber auch Komplettaggregate kommen bei der Dichtheitsprüfung zum Tragen. In der Luft- und Raumfahrt fassen wir gerade Fuss.

Das heisst, Sie sind im Vorfeld der eigentlichen Produktion aktiv?

Richtig, bei uns geht es hauptsächlich um die Fertigung von Komponenten, die erst später am Fliessband eingesetzt werden. Wir sind für das Gehäuse, welches noch kein Innenleben hat, mit verantwortlich und bieten hier unseren Kunden innovative Lösungen.

Lassen Sie uns eine neue Produktionslinie, die unter Ihrer Verantwortung steht, thematisieren. Es geht um die Dichtheitsprüfung. Wo liegt der Vorteil?

Wenn ein Produkt in der Montage eingesetzt wird, ist die Wertschöpfung im Vorfeld bereits weit fortgeschritten. Es gilt daher schon im Vorfeld einige Qualitätskontrollen zu realisieren.
Lassen Sie uns doch da in die Praxis springen. Sie als Unternehmer kaufen auf dem Weltmarkt ein Produkt, welches Sie in Ihrer Fertigung einsetzen wollen. Wenn es Qualitätsmängel hat, haben Sie einige Probleme am Hals. Diese können Sie schon im Vorfeld ausräumen und haben dann weniger Ausschuss. Und Sie haben auch mit weniger Reklamationen von Endkunden zu kämpfen. Als Endkunde wollen Sie ja auch nicht, dass bei Ihnen in der Garage Öl auf den Boden tropft.

Gibt es weitere Beispiele neben der Automobilbranche, bei der es um Dichtungsprüfungen geht?

Wir sind auch in der Elektrowelt sehr aktiv. Wo viel Elektrik ist, darf kein Wasser rein. Dafür haben wir Prüfstände, die garantieren, dass das entsprechende Teil auch wirklich dicht ist und verbaut werden kann.

Wie funktioniert die Prüfanlage genau?

Es gibt zum einen die konventionelle Technologie mit pneumatischen und hydraulischen Antrieben oder eine Kombination aus beiden Antriebsformen, um hier zu Lösungen zu kommen. Dann wird das Bauteil mit definiertem Druck beaufschlagt. Wir haben aber auch neue nachhaltige Lösungen im Angebot. Pneumatik braucht sehr viel Energie. Wir haben jetzt mit der DX02e ein Produkt entwickelt, mit dem wir bis zu 60 Prozent Energieeinsparung im Vergleich zu bisherigen Produkten erzielen können. Wir haben den elektrischen Antrieb in die Prüfung integriert. So kann auf pneumatische und hydraulische Energie weitestgehend verzichtet werden.

Da geht es nicht nur um Produktivitätsfortschritte, sondern auch um Energie und Effizienz?

Ja, nachhaltige Ziele wollen wir nicht nur im Blick haben, sondern auch reduzieren. Das betrifft auch den CO2-Ausstoss.

Wird eigentlich jedes Teil geprüft?

Das kommt auf das Produkt und den Kundenwunsch an. Nehmen Sie zum Beispiel sicherheitsrelevante Teile, die im Auto verbaut werden. Da gibt es nicht nur die Einzelkomponenten Dichtheitsprüfung, sondern in der Montage selbst wird nochmals geprüft. Bei anderen Branchen wie der Lebensmittelindustrie wird nur einmal oder in Stichproben geprüft. Nehmen Sie zum Beispiel die Wassertanks von Kaffeeautomaten oder die Dichtheit von Chips-Tüten. Es kommt immer auf das Produkt an und wie sicherheitsrelevant es ist.

Brauchen Sie selbst eine F & E-Abteilung?

Wir haben schon eine F & E-Abteilung und werden diese auch weiter stetig ausbauen. Unser Erfolg liegt auch zum Teil in unserer F & E-Abteilung. Um auf den Markt schneller reagieren zu können, gehen wir auch Kooperationen mit Instituten ein. Hier im Bodenseeraum in und um Friedrichshafen gibt es Universitäten, bei denen wir uns einbringen und profitieren können.

Gökhan Sonuç ist Geschäftsführer der Neher Automation GmbH in Ostrach- Einhart (D).

Weitere Informationen:
www.neher-group.com 
www.facebook.com/nehergroup