Es ist eine Binsenweisheit, dass kleinere Unternehmen eine andere Kultur als Konzerne haben. Dahinter darf man sich aber nicht verstecken. Auch die Führungskultur bei KMU muss sich ändern – unter anderem, weil sich ihre Mitarbeiter und deren Erwartung an Führung gewandelt haben.

Eigentümergeführte Klein- und Mittelunternehmen, kurz KMU, haben meist folgende Stärken:

  • Sie sind kundenorientiert. Sie sind es gewohnt, Service zu erbringen und auch Klein-Aufträge auszuführen.
  • Sie sind bei der Alltagsarbeit recht agil, denn die Arbeitsteilung ist in ihnen weniger ausgeprägt als in Konzernen. Und:
  • Sie und ihre Mitarbeiter sind es gewohnt, flexibel auf neue (Kunden-)Anforderungen zu reagieren.

Diesen Stärken stehen oft folgende Schwächen gegenüber:

  • Eine systematische Geschäftsentwicklung erfolgt nicht.
  • Es existiert keine vorausschauende Kompetenzentwicklung. Und:
  • Die Weiterbildung erfolgt weitgehend «ad hoc».

Strategisches Denken fehlt
Viele KMU haben Defizite in allen Bereichen, die mit einer systematischen Personal- und Organisationsentwicklung zusammenhängen. Eine Ursache hierfür liegt darin, dass ihre Personalleiter, die oft auch für die Weiterbildung zuständig sind, ein sehr breites Aufgabenfeld haben. Deshalb haben sie für ein konzeptionelles, strategisches Arbeiten kaum Zeit.

Dieses behalten sich in vielen KMU ohnehin die «Eigentümer-Unternehmer» vor. Sie betrachten das Beantworten der personalpolitischen Grundsatzfragen, wozu auch die Personalentwicklung und Entlohnung zählen, häufig als ihre originäre Aufgabe. Aus diesem Grund beschränkt sich die Kompetenz der Personaler oft auf operative Aufgaben.

Darum zeigen viele Personalleiter in KMU ein scheinbar widersprüchliches Verhalten. Sie betonen zwar die Notwendigkeit einer strategischen Personalarbeit, im Alltag, sind sie jedoch primär mit der Personalauswahl und dem Personalcontrolling beschäftigt. Und mit dem Thema Weiterbildung befassen sie sich nur, wenn ein akutes Betriebsproblem wie zum Beispiel zu hohe Kosten besteht.

Neue Konzepte sind gefragt
Doch zunehmend findet in den KMU ein Umdenken statt – auch weil viele von ihnen sich von handwerklich geprägten Kleinbetrieben zu hoch spezialisierten Nischenanbietern entwickelt haben, die ihren Kunden komplexe, massgeschneiderte Problemlösungen bieten. Das spiegelt sich in der Struktur ihrer Mitarbeiter wider. Sie ist heute viel heterogener als noch zur Jahrtausendwende. Zudem haben ihre Mitarbeiter häufiger einen akademischen Abschluss – zum Beispiel als Ingenieur, Informatiker oder Betriebswirt. Und diese Mitarbeiter stellen ausser an ihre Arbeit auch an ihre Führung andere Anforderungen als die Mitarbeiter in der Vergangenheit.

Zudem spüren gerade die mittelständischen Unternehmen, die häufig «Hidden Champions in der Provinz» sind, den demografischen Wandel. Es fällt ihnen zunehmend schwer, hoch qualifizierte und -motivierte Mitarbeiter zu finden und langfristig an sich zu binden. Auch deshalb stellen zurzeit viele KMU ihre Personalführungs- und -entwicklungskonzepte auf den Prüfstand.

Dabei lautet die zentrale Frage: Wie können wir unsere Personalarbeit sowie Unternehmens- und Führungskultur so modernisieren, dass sie einerseits den (Arbeits-)Marktanforderungen entspricht und wir andererseits die typischen Stärken eines mittelständischen Unternehmens bewahren? Denn ein Irrweg wäre es, die Personalentwicklungs- und Führungskonzepte der Konzerne – in abgespeckter Form – auf die KMU zu übertragen. Dies entspräche nicht ihrem Bedarf. Zudem ginge hierdurch die Identität der KMU verloren. Also müssen sie eigene, passgenaue Lösungen entwickeln.

Neues Selbst- und Führungsverständnis
Doch die smartesten Entwicklungsprogramme nutzen wenig, solange die Eigentümer-Unternehmer nicht ihre Einstellung und ihr Verhalten ändern – auch weil die Führungskräfte auf unteren

Ebenen ihre Handlungsweisen an der kommunizierten Philosophie von oben orientieren. Deshalb prägen sie mit ihrem Auftreten und ihrer Persönlichkeit die (Führungs-)Kultur im gesamten Unternehmen.

Viele KMU-Inhaber sind von Haus aus Techniker. Und in diesem Bereich liegt ihre Leidenschaft. Dass sie hingegen zudem «Chefs» einer grösseren Zahl von Mitarbeitern sind, ist eher ein Ausdruck ihres Strebens nach Unabhängigkeit und Bedürfnisses, etwas zu bewegen, als das Resultat eines gezielten Wollens.

Entsprechend oft hört man von ihnen Klagen wie: «Meine Arbeit …» beziehungsweise «Das Unternehmer-Sein würde mir viel mehr Spass machen, wenn der Personalkram nicht wäre.» Entsprechend wenig Bedeutung messen sie der Führungsarbeit bei – auch weil es bei ihr so stark «menschelt». Denn eigentlich beschäftigen sie sich lieber mit Zahlen und Fakten sowie dem Entwickeln neuer Lösungen.

Zugleich fällt es ihnen jedoch schwer, zumindest Teile der Führungsarbeit loszulassen und zu delegieren – weil sie sich so stark mit ihrem «Kind», dem Unternehmen, identifizieren. Im Gegenteil! Häufig regieren sie im Betriebsalltag in die Kompetenzbereiche sogar ihrer (oberen) Führungskräfte hinein. Zum Beispiel, indem sie Mitarbeitern Anweisungen erteilen, ohne sich zuvor mit deren unmittelbaren Vorgesetzten abzustimmen. Oder indem sie Planungen ihrer Führungskräfte und Mitarbeiter – en passant – über den Haufen werfen und ihnen so signalisieren: Ich habe hier das Sagen. Das frustriert gerade junge, hoch motivierte Mitarbeiter, weshalb sie häufig nach ein, zwei Jahren den Arbeitgeber wechseln.

Führungsverhalten auf dem Prüfstand
Dies wird sich erst ändern, wenn die Eigentümer-Unternehmer (und die ihnen nachgeordneten Führungskräfte) für sich akzeptieren, dass sie – aufgrund des Wachstums ihrer Unternehmen und der veränderten Erwartungen der Mitarbeiter – mehr Zeit in das Führen der Mitarbeiter investieren und ihr Führungsverhalten verändern müssen. Deshalb brauchen sie ein regelmässiges Feedback über ihr Führungsverhalten und dessen (unbeabsichtigte) Wirkungen.

Dieses Feedback könnten ihnen theoretisch ihre Mitarbeiter geben. Doch praktisch ist dies gerade bei den Eigentümer-Unternehmern nur bedingt möglich. Denn die Mitarbeiter (inklusive Führungskräfte) kennen deren mächtige Stellung in der Organisation und wissen um ihre existenzielle Abhängigkeit von ihnen. Deshalb sind die Mitarbeiter zu Recht meist sehr vorsichtig mit dem Feedback-Geben. Was sie stört, sagen sie dem «Chef» maximal durch die Blume.

Deshalb empfiehlt es sich, wenn sich die Führungskultur real ändern soll, zum Beispiel einen erfahrenen Führungskräftecoach mit ins Boot zu holen, der den Eigentümer-Unternehmer auch auf seine blinden Flecken im Bereich Führung hinweist und diese mit ihm bearbeitet.

Klaus Doll ist Inhaber der Klaus Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstrasse (D). Er arbeitet unter anderem als Führungskräftetrainer und -coach für Unternehmen

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