Mit dem Chef zu kommunizieren, kann eine Herausforderung sein.

Ein Chef oder Vorgesetzter, der immer alles besser weiss, stresst und nervt. Auf Dauer hält das kein Mitarbeiter lange aus. Viele kündigen. Sie kommen für den Job und gehen wegen des Chefs. Das ist eine Möglichkeit, die bekanntere. Die weniger bekannte ist: Managing up.

Das geht? Natürlich. Tausende erfolgreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Führungskräfte machen das täglich. Der erste Schritt: kompromisslose Klarheit in eigener Chefsache. Sich nicht länger etwas vormachen, sondern sich eingestehen, dass der Chef so ist, wie er ist, sich nicht nächste Woche schon in den Ruhestand verabschiedet, am längeren Hebel sitzt und sich nicht von alleine ändern wird. Diese Erkenntnis ist hart. Doch Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Von da an geht’s aufwärts: Der Chef ist zwar Rechthaber, hat aber auch einige ausgleichende Tugenden und Vorteile – wenn man sie erkennt und würdigt. Die Mitarbeiterin eines kleinen Merchandising-Unternehmens sagt über ihre Chefin: «Sie muss immer das letzte Wort haben, was nervt. Aber sie ist ein echtes Akquise-Genie. Dank ihr haben wir immer ein prall gefülltes Auftragsbuch.» Wer sich das täglich sagt, mindestens bei jeder Rechthaberei, wird den Chef besser ertragen oder tolerieren können, ihn im Idealfall sogar respektieren.

Qualifizierter Einspruch
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, nicht wortlos zu schmollen oder sich im Kreise der lieben Kollegen über den Chef laut auszulassen, sondern Zahlen, Daten, Fakten vorzubringen. Bei dieser Strategie gilt es, mit vorbereiteten Argumenten die Diskussion zu suchen. Vielleicht hat der Chef ja das eine oder andere Argument übersehen oder falsch eingeschätzt. Die Erfahrung zeigt: Bei dieser Art qualifiziertem Einspruch kommt immer etwas heraus – mehr, als wenn man stumm schmollt oder laut mosert. Dabei spielt auch der Zeitpunkt eine Rolle.

Den richtigen Moment abwarten
Niemals zwischen Tür und Angel, nie zur Unzeit. Kein Kind verhandelt mit den Eltern über mehr Taschengeld, wenn diese das Fussball-EM-Endspiel gucken. So auch beim Chef: Wann ist er empfänglich für Ihre Sachargumente? Wann hat er seine guten Momente? Die Sekretärin weiss es oft am besten. Falls nicht vorhanden: Je besser Sie Ihren Chef kennen, desto besser können Sie ihn führen. Führungskräfte heissen so, weil sie geführt werden wollen. Scherz beiseite: Führung war noch nie eine Einbahnstrasse. Was aber, wenn der Chef nicht nur ständig Recht haben muss, sondern dabei auch häufig falsch liegt?

Der schlimmstmögliche Fall
Die chronische Rechthaberei des Chefs führt zu sinnloser Mehrarbeit, falschen Entscheidungen und stressiger Überlastung. Auf Dauer hilft da nur eines, nämlich die Frage: Bin ich hier richtig? Ist das wirklich der richtige Job für mich? Dann schaut man sich in aller Ruhe um. Es gibt viele Chefs und viele, die umgänglicher sind als ein notorischer Rechthaber. Wobei sich jeder genervte Mitarbeiter auch zwangsläufig fragt: Warum muss mein Chef so penetrant recht haben? «Der macht das nur, um mich zu nerven!», mutmassen viele. Das liegt nahe, aber daneben. Es geht ihm dabei nicht um Sie, sondern um ihn selbst. Es geht ihm nicht um die Sache, sondern um den Status. Wenn ein anderer als der Chef recht hat oder recht haben könnte, fühlen sich einige in ihrem Chef-Status bedroht und wehren sich – was angebracht ist. Unangebracht ist die Wahl des Mittels: Rechthaberei. Doch sobald man sich das einmal klargemacht hat, kann man die Sache voranbringen und dabei den Chef Chef sein lassen. Ein junger Mitarbeiter eines Maschinenbau- Unternehmens zum Beispiel kennt jede neue technische Entwicklung – sein Chef nicht, weshalb sich dieser in seinem Status bedroht fühlt und jede neue Entwicklung, die der Mitarbeiter vorbringt, erst einmal schlechtredet. Damit hat er aufgehört, seit der junge Mitarbeiter bei jedem Hinweis auf eine neue Idee Sätze voranschickt wie: «Das haben Sie, Chef, neulich doch wieder gesagt: Wir müssen mit der Zeit gehen! Dazu fällt mir ein: …» Der Chef fühlt sich in seinem Status bestätigt und verkneift sich das Rechthaben – grösstenteils –, weil der Mitarbeiter elegant eine verbale Verbeugung vorausschickt. Wer weiss, wie der Chef zu nehmen ist, kommt wunderbar mit ihm klar. Mit jedem Chef.

Lesetipp
Wiebke Köhler: Manager und Mensch. Werte und Tugenden auf dem Prüfstand. Books on Demand, 2021, 24.90 Euro. Das Buch für alle Führungskräfte – und die, die es werden wollen –, die wissen, dass das Geheimnis von Erfolg und Zufriedenheit in Führung und Leben nicht nur aus Kompetenz, Erfahrung und Geschick besteht: Es umfasst vor allem Werte. Welche Werte dies sind, zeigt und lehrt dieses Buch – auch und gerade im Umgang mit den eigenen Vorgesetzten.

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