Die Devisenmärkte haben 2015 einen turbulenten Start hingelegt. Der Schock vom 15. Januar hat einige Schweizer Unternehmen ins Wanken gebracht. Insbesondere exportorientierte KMU, deren Kosten in Franken anfallen, hat die Frankenstärke hart getroffen. Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses kam nicht nur überraschend, sie wird auch von vielen heftig kritisiert. Allerdings hatte die Schweizer Nationalbank (SNB) den fixen Kurs nicht auf ewig zementiert. Die Währungsverluste bekommen aber längst nicht alle gleich zu spüren. Unternehmen, die sich am Währungsmarkt rechtzeitig abgesichert haben, konnten ihre Verluste minimieren. René Bachmann, Leiter Devisenhandel Banque CIC (Suisse), im Interview über die Auswirkungen von Währungsschwankungen und wie man sich schützen kann.

Viele Firmen fühlen sich von der SNB oder von der Politik hintergangen. Können Sie dies verstehen?

Nicht wirklich. Als die Nationalbank im September 2011 den Euro-Mindestkurs eingeführt hat, konnte die Schweiz aufatmen. Das Währungsrisiko war schlagartig und auf unbestimmte Zeit eliminiert. Die SNB hat aber stets betont, dass diese aussergewöhnliche Massnahme vorübergehend ist. Den Unternehmen sowie der Tourismusindustrie wurde also Zeit zur Verfügung gestellt, um sich mit dem starken Franken auseinanderzusetzen und entsprechende Massnahmen einzuleiten.

Befürworten Sie die Vorgehensweise der SNB?

Die Geldpolitik der letzten drei Jahre stellte für die SNB eine grosse Herausforderung dar. Vor allem aufgrund der weltweit sehr lockeren Geldpolitik und der diversen Krisenherde im Nahen Osten, in der Ukraine, in Russland sowie auch in Griechenland wurde der Aufwertungsdruck auf unsere Währung immens. Unsere Währungsreserven betragen bereits rund 80 Prozent des BIP. Etwa 45 Prozent davon sind Euro. Viele EU& Euro-Befürworter in der Schweiz sahen darin die Chance, endlich auch Teil der Union zu werden. Die SNB hat nun aber mit der Aufgabe des Mindestkurses diese Möglichkeit beschnitten und überlässt den Schweizer Franken wieder den freien Marktkräften. Es ist naiv zu glauben, dass die SNB die Märkte auf den Ausstieg hätte vorbereiten sollen. So etwas kommt immer überraschend, so wie auch die Einführung überraschend kam.

Es gibt dennoch Firmen, die sich nicht oder nicht richtig abgesichert haben. Wie kann dies sein?

Diese Aussage kann man nicht pauschalisieren. Viele Unternehmen, vor allem die grösseren, waren vorbereitet und haben ihr Währungsrisiko abgesichert. Dennoch gibt es einige, die nicht mit der Aufgabe der Untergrenze gerechnet und deswegen ihre EUR-Eingänge nicht abgesichert haben. Dies obwohl die Kosten dafür im Verhältnis minimal waren. Meine Erfahrung zeigt, dass Währungseinflüsse generell oft unterschätzt werden. Dies bestätigt auch unsere Studie zur Financial Literacy der Unternehmer von 2014 1). Die befragten Unternehmer mussten die Schwankungsbreite des Währungspaares USD-CHF innerhalb der letzten drei Jahre schätzen. Über 30 Prozent der Unternehmer gaben einen Wert von unter zehn Prozent an und unterschätzten damit deutlich die effektive Schwankungsbreite von 40 Prozent.

Rechnet sich ein Währungsmanagement für KMU?

Auf jeden Fall rechnet sich Währungsmanagement, und zwar nicht erst ab mehreren Millionen. Wenn zum Beispiel eine Firma Präzisionswerkzeug im Wert von netto zehn Millionen Euro nach Europa verkauft und im Herbst 2014 mit 1.2000 für das Jahr 2015 budgetierte, fehlen ihr heute, wenn sie sich nicht abgesichert hat, bei einem Kurs von 1.0000 rund zwei Millionen Schweizer Franken. Dies kann für das Unternehmen fatale Folgen haben. Wer seine Devisenströme nicht absichert, macht sich indirekt zum Devisenspekulanten, und ich denke nicht, dass dies die Absicht eines Unternehmers ist.

Wie kalkuliert man die Kosten?

Jedes Unternehmen benötigt eine individuelle Absicherungsstrategie. Wir Devisenspezialisten evaluieren von Fall zu Fall, welche Bedürfnisse das Unternehmen hat. Im eben erwähnten Beispiel für die Zulieferindustrie könnten zum Beispiel Euro auf Termin zu einem fixierten Kurs verkauft werden. Das Termingeschäft an sich ist kostenlos. Es entstehen aber mögliche Opportunitätskosten, wenn sich der Euro befestigt. Wird für die Absicherung eine Put-Option gekauft, mit der zu einem bestimmten Zeitpunkt eine festgelegte Menge (zum Beispiel 100’000 EUR) zu einem vereinbarten Preis verkauft wird, ist eine Prämie zu entrichten. Diese fällt je nach Basispreis und Laufzeit unterschiedlich hoch aus. Die Kurse sind jedoch bekannt, und das Unternehmen kann die Kosten fest kalkulieren. Es profitiert von einem allenfalls steigenden EUR/CHFKurs und kann die Option wertlos verfallen lassen.

Mit der sogenannten Zero-Cost-Strategie kauft die Firma eine Put-Option und verkauft zu deren Finanzierung gleichzeitig eine Call-Option auf den EUR/CHF. Diese Strategie unterscheidet sich zum gewöhnlichen Kauf einer Option dadurch, dass die Gewinnchancen auf einen steigenden Euro verkauft werden.

Welches Instrument kommt am meisten zum Einsatz?

Sicher das klassische Devisentermingeschäft. Damit wird der Kurs für einen zukünftigen Termin bereits heute fixiert, und das Unternehmen hat eine fixe Kalkulationsbasis. Häufig wird auch die bereits beschriebene Zero-Cost-Strategie, auch RiskReversal genannt, angewendet.

Wie kann man die richtige Entscheidung treffen, wenn niemand weiss, wie die Kurse sich entwickeln?

Die richtige Entscheidung ist, sein Währungsrisiko zu managen. Natürlich weiss niemand, wohin die Reise geht, aber Trends sind erkennbar, sei dies aufgrund wirtschaftlicher und/oder politischer Fakten oder mithilfe der Charttechnik, mit welcher auf Real-Time-Basis Währungen analysiert und dargestellt werden können. Das Risiko lässt sich auf jeden Fall verringern. Es gibt sehr gute Opportunitäten in den sehr liquiden und nun auch wieder volatilen Devisenmärkten.

Wie geht es mit dem Euro weiter?

Haben Sie nicht soeben gesagt, Kurse lassen sich nicht voraussagen? Ich persönlich bin der Meinung, dass der Euro in seiner jetzigen Form nicht überleben wird. Die Maastricht-Kriterien wurden von den «Grossen» in Europa nicht eingehalten, und den «Kleinen» werden Haushaltsreformen vorgeschrieben. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Euro seit Jahren unter einem massiven Vertrauensverlust leidet. Europa ist nur überlebensfähig, wenn jedes Land wieder die Hoheit über seine eigene Währungsund Geldpolitik hat und auf die unterschiedlichen Wirtschaftsentwicklungen entsprechend autonom reagieren kann. Die nächsten Generationen werden dieses Desaster ausbaden müssen. In den Geschichtsbüchern unserer Grossenkel wird einmal stehen: «Die Europäische Union hat im Jahr 1999 den sogenannten Euro eingeführt. 20 Jahre danach wurde die Währung aufgrund massiver sozialer Unruhen in Europa wieder abgeschafft. Mit Erfolg: Nach relativ kurzer Zeit brummten die Wirtschaftsmotoren wieder, und die Lebensqualität in Europa hat sich massiv verbessert.»

Da geben Sie ja eine Steilvorlage für Diskussionen, die uns sicher noch länger begleiten werden.

Interview mit René Bachmann (Leiter Devisenhandel der Banque CIC) von Georg Lutz

Weitere Informationen:
www.cic.ch