Remo Hämmerle und Nadine Ledergerber

Neues Leben für alte Barriquefässer

«Komm, wir machen das jetzt ganz oder gar nicht.» Diese Worte von Remo Hämmerle markierten die Geburtsstunde von Fasswerk. Sie waren Anfang 2019 an seine Partnerin Nadine Ledergerber gerichtet. Und dank ihrer Antwort stehen heute in zahlreichen Räumen die Möbelstücke von Fasswerk. Doch die innovativen Jungunternehmer können nicht nur alten Barriquefässern neues Leben einhauchen. Ihr Angebotsportfolio wächst fortlaufend und umfasst mittlerweile Möbelstücke wie Coffeetables, restaurierte Offizierskisten und massgefertigte Esstische.

Ein klassisches Bordeaux-Eichenfass mit 225 Liter Fassungsvermögen veredelt im Schnitt über drei Jahre hinweg Weine. Danach sind alle seine Tannine an den Wein abgegeben und das Fass hat damit ausgedient. Mit etwas Glück landet es dann in der Werkstatt von Fasswerk. Dort beginnt für das altehrwürdige Weinfass ein zweites Leben: ein Leben als  Design-Möbel, als Weinregal mit LED-Beleuchtung, als Kaffeetisch, als Esstisch oder als Humidor. Es richtet sich ganz nach den Wünschen seines künftigen Besitzers oder seiner künftigen Besitzerin.

ZWEI JUNGUNTERNEHMER MIT TATENDRANG
«Wäre es einfach, würde es jeder machen!», ruft Nadine Ledergerber ihrem Partner Remo Hämmerle zu. Man hört ihn leise aus der Werkstatt fluchen. Der Spruch ist nicht nur zu  hören, sondern steht auch auf einer Kreidetafel in ihrem Büro. Es ist ihr gemeinsames Motto. Denn jedes Eichenfass ist einzigartig und stellt immer wieder neue Herausforderungen an die beiden. Primär an Remo. Nach seiner Lehre als Möbelschreiner war er vor allem auf Montage, was ihn nicht erfüllte. Er wollte kreativer sein und  innovativer arbeiten. Es genügt ihm nicht, gewöhnliche Tische oder Schränke zu fertigen. Als seine Freundin Nadine ihn damals dazu ermutigte, etwas Neues aus einem alten  Weinfass entstehen zu lassen, wusste er: Das ist es. Er sah das Potenzial in den geschwungenen Fassdauben sowie dem hochwertigen Eichenholz und war fasziniert vom Gedanken, runde Hölzer zu verarbeiten. Nadine studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und war genauso ruhelos. Ihr Weg führte sie von der Werbe- zur Filmbranche. Als Tochter einer Künstler- und Unternehmerfamilie ist ihr das Anpacken und Gestalten fest in der DNA verwurzelt. Sie und Remo verbindet nicht nur die Liebe, sondern auch ihre Leidenschaft und die Faszination für alte Weinfässer. Und so wagten sie 2016 zusammen den Schritt in die Selbstständigkeit.

Das Tischwerk «Maximus» wird aus ausgedienten Rotweinfässern gefertigt.

DAS FASS KOMMT INS ROLLEN
Nach der Gründung folgten einige Jahre der Produktentwicklung. Es galt zunächst zu verstehen, wie ein Fass überhaupt aufgebaut ist und wie es funktioniert. Die ersten Versuche scheiterten zunächst, bis sich Remo mit Beharrlichkeit Schritt für Schritt an die Materie herantastete – eine Arbeitsweise, die man in der Schreinerlehre so nicht lernt. Doch die Ausdauer zahlte sich schliesslich aus. Die ersten Fasswerke wurden ausgeliefert und mit dem Feedback und den Wünschen der Kunden folgten immer neue Ideen und Produkte. Ein Kunde wünschte sich zum Beispiel einen Alp aufzug wie bei einem Appenzeller-Gürtel an seinem Fass. Gesagt, getan. Ein anderer Kunde wollte ein 3.5 Meter langen Nussbaumtisch. Auch dieser Wunsch wurde erfüllt. Der Kunde war sogar zusammen mit Remo im Sägewerk, um seinen Baumstamm persönlich auszuwählen. Generell  spezialisieren sich die beiden darauf, den Kunden von Anfang an eng in die Produktion einzubinden. In einem Pop-up-Store in St. Gallen präsentierten sie ihre Fasswerke zum ersten Mal der breiten Öffentlichkeit und wurden regelrecht von Aufträgen und positivem Feedback überhäuft. Der innovative Mix aus Schweizer Handwerk mit modernem Design, der Upcycling-Gedanke sowie die Schweizer Produktion begeisterten die Besucher. Diese  Resonanz beseitigte die letzten Zweifel, ob der Schritt in die Selbstständigkeit der richtige war.

INNOVATION ALS EINZIGE OPTION
Die Produkte von Fasswerk fallen auf. Und das ist genau das, was es im hart umkämpften Möbelmarkt braucht. Neue Ideen sind gefragt, genauso wie Qualität. Bei Fasswerk ist alles handgefertigt. In der Werkstatt findet man keine grossen Maschinen. Dafür fehlte das Geld. Sie hatten gar keine andere Wahl, als innovativ mit der Produktion umzugehen. Jedes Möbelstück durchläuft einen anderen Prozess, von der Planung bis zur Realisation. So erzählt jedes Fasswerk seine eigene Geschichte und befindet sich lange Zeit in Produktion, bis es den Qualitätsanforderungen der beiden genügt. Das gilt für die Fässer wie auch für die neuen Kreationen. Remos Anspruch ist es, dass man seinen Werken wie Tischen, Beistelltischen oder Couchtischen nicht auf den ersten Blick ansieht, dass sie aus einem Fass entstanden sind. Bei Fasswerk passt jeder Millimeter. Die magnetischen Türen schliessen sich nahtlos und im Innern ist kein Quadratzentimeter unbedacht. Schrauben sind versenkt, Push-to-open-Schubladen bewegen sich geschmeidig, Bewegungssensoren steuern die installierte LED-Beleuchtung und Humidore mit aktivem Befeuchtungssystem bewahren Zigarren im optimalen Klima auf. Während Nadine eine Auslieferung vorbereitet, grübelt Remo bereits über das nächste Projekt. Dieses hier ist eine echte Knacknuss, die ihn schon mehrmals dazu zwang, von Grund auf neu zu planen. Doch für Remo ist das keine Qual, sondern der normale Arbeitsablauf. Er nimmt ein neues Blatt hervor und beginnt eine neue Skizze. Hinter ihm sehen wir die Tafel, auf der mit Kreide geschrieben steht: «Wäre es einfach, würde es jeder machen.»

«Romeo» – das Humidor-Fass.

Weitere Informationen:
www.fasswerk.ch