Vor allem jüngere Generationen haben den Wunsch nach freiem, ortsunabhängigem Arbeiten.
Vor allem jüngere Generationen haben den Wunsch nach freiem, ortsunabhängigem Arbeiten.

Wofür noch im Büro sitzen, wenn sich während der Arbeit die Welt entdecken lässt? Zumindest auf Instagram scheint es sie schon zuhauf zu geben: digitale Nomaden. Der Wunsch nach freiem und selbstbestimmtem Arbeiten ist vor allem bei der jungen Generation gross. Unternehmen stellt dieses neue Selbstbewusstsein gleichermassen vor Herausforderungen und Chancen.

Morgens ein bisschen surfen, im Anschluss E-Mails bearbeiten, nach der Siesta noch ein paar Stunden am PC sitzen, bevor es abends mit dem VW-Bus an den nächsten Strand geht. Zahlreiche Influencer machen es vor – so geht Arbeiten im 21. Jahrhundert. Mit einem Computer und Internetzugang ausgestattet lassen sich viele Jobs theoretisch von überall erledigen. Besonders bei der jungen Generation ist der Wunsch nach freiem Arbeiten gross. Es muss nicht immer gleich eine Weltreise sein, auch das Erledigen von Aufgaben unterwegs im eigenen Land, in Cafés oder in Coworking Spaces fällt darunter. Ob sich die Arbeit an sogenannten Third Places für ein Unternehmen und dessen Mitarbeitende eignet, ist von drei Faktoren abhängig: der Mobilität, respektive deren Beschränkung, dem Digitalisierungsgrad der Arbeit und der Firmenkultur.

Von der Strasse ins Netz
Der Pendelverkehr zwischen den zehn grössten Schweizer Städten wächst ungebremst. Während die Dichte auf Strasse und Schiene kontinuierlich zunimmt, stellt sich die Frage: Muss ich mir das tägliche Pendeln eigentlich noch antun? Schliesslich ist in den vergangenen Jahren viel passiert; dank dem Ausbau von Breitband-Internet können in der Schweiz -sowie an vielen Orten im Ausland mittlerweile auch Aufgaben, die einen Austausch von grossen Datenmengen verlangen, ohne Weiteres von (halb-)öffentlichen Arbeitsräumen aus erledigt werden. Vorausgesetzt, das Unternehmen sowie die Arbeit selber sind ausreichend digitalisiert und es wird ausser einem Laptop und einem Smartphone keine weitere Hardware benötigt. Solange die Arbeit keinen grossen Abstimmungsaufwand erfordert oder hoch ver-trau-licher Natur ist, spricht nichts gegen deren Verrichtung an einem Third Place.

Modelle im Wandel
Zu den beiden Aspekten der Mobilität und Digitalisierung gesellt sich ein gesellschaftlicher Punkt: Das Verhältnis zwischen Firmen und Mitarbeitenden ist im Wandel. Junge, gut qualifizierte Berufseinsteiger haben andere Erwartungen an das Arbeitsleben als noch vor 20 oder gar 50 Jahren. Dennoch sind vielerorts noch die aus dieser Zeit stammenden Führungs-, Anreiz- und Arbeitsmodelle in Unternehmen verankert. Früher waren Karrieremöglichkeiten, Status und Sicherheit die Hauptmotiva-toren bei der Wahl eines Unternehmens. Menschen, die in einer generell krisenfreien Phase der Vollbeschäftigung aufgewachsen sind, legen weniger Wert auf diese Aspekte. Sie sind in aller Regel auch nicht bereit, für einen tollen Job Opfer zu bringen oder sich «hochzuarbeiten». Im Vordergrund ihrer Wünsche steht eine Arbeit, die Sinn macht, bei der sie sich verwirklichen können und die Freiheiten zulässt. Dazu zählt auch die Möglichkeit, sich nicht nur einer Firma zu verschreiben, sondern mehreren Aufgaben parallel und zur selben Zeit nach-zugehen. 

Das Beste aus Büro und Homeoffice
Um an Attraktivität für qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen, sollten sich Unternehmen also überlegen, wie sie Arbeitsplätze an unterschiedlichen Standorten anbieten können. Was für grössere Firmen mit landesweiter Präsenz relativ einfach ist, kann für eine kleine IT- und Beratungsfirma zur Herausforderung werden. Gerade für KMU eignet sich das Angebot von Co-working Spaces. Sofern ihre Mitarbeitenden in der Lage sind, ihren Pflichten selbstständig und autonom nachzukommen, finden sie dort alles, was sie benötigen: ruhige Arbeitsplätze, schnelles Internet und Sitzungsräume, abgerundet von einer grossen, interdisziplinären Community und regelmässigen Events zu verschiedenen Themen. Je näher der Coworking Space am Zuhause des Mitarbeitenden, desto besser, denn der mühsame Weg zum Büro entfällt und mit ihm zugleich die Ablenkungen der eigenen vier Wände.

Agil in die Zukunft
Auch für die Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern eignen sich Coworking Spaces. So können Treffen an einem für alle gut erreichbaren Ort mit optimaler Infrastruktur stattfinden. Gerade in Zukunft wird dieser Aspekt an Gewicht gewinnen, denn die Verpflichtung von Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitenden ist längst nicht mehr so stark wie noch vor ein paar Jahrzehnten. Wo früher eine Kultur herrschte, Mitarbeitende weiterzuentwickeln, ist heute die Bereitschaft gang und gäbe, sich eher kurzfristig (manchmal auch kurzsichtig) von Ihnen zu trennen. Arbeit ist mit weniger gegenseitiger Loyalität verknüpft und die klassische Anstellung auf Lebzeiten und mit einer Aufgabe gehört der Vergangenheit an. Künftig wird ein Portfolio von Mitarbeitenden und Freelancern eine Vielzahl von Projekten, Aufgaben und Aufträgen bearbeiten. Agile, dem Projekt verschriebene Teams werden zur Normalität. Um diese neue Art der Zusammenarbeit zu ermöglichen, sind Third Places nötig.

Keine Patentlösung
Ob sich das Arbeiten an Third Places für ein Unternehmen lohnt, hängt von den beschriebenen Einflussfaktoren ab. Sind die Voraussetzungen erfüllt, empfiehlt es sich, gemeinsam mit Mitarbeitenden – oder einem neutralen Berater – neue Arbeitsmodelle auszuloten. Dabei sollten Änderungen schrittweise erfolgen und stetig hinsichtlich ihrer Kompatibilität mit der eigenen Unternehmenskultur hinterfragt werden. Denn nichts ist für alle Beteiligten frustrierender, als wenn die Mit-arbeitenden auf die neuen, versprochenen Freiheiten hoffen, nur um dann festzustellen, dass ihr Abteilungsleiter «die Leute gerne bei der Arbeit sieht» – sprich Angst davor hat, an Einfluss, Kontrolle und Bedeutung zu verlieren. Langfristig können – neue arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen vorausgesetzt – sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmen durchaus vom Trend des mobilen Arbeitens profitieren. Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, an verschiedenen Orten unterschiedlichen Betätigungen nachzugehen, Arbeitgeber können Arbeitskräfte vermehrt projektbezogen zuziehen und so Personal- und Personalnebenkosten variabilisieren oder zumindest optimieren. 

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