Die letzten Monate und Wochen haben uns gezeigt, wie wenig wir unsere digitalen Möglichkeiten nutzen und wie gross das Potenzial digitaler Hilfsmittel ist. Doch immer, wenn es um menschliche Interaktion geht, stellen wir uns quer. In der Entscheidungsfindung im Bereich Human Resources setzt man schon längst Assessments ein. Ist die analoge oder die digitalisierte Variante überlegen und effizienter? Der folgende Beitrag bietet einen Vergleich.

Um das Thema sachlich abwägen zu können, müssen wir sicherstellen, dass die Begriffe sauber definiert sind. Aus diesem Grund steht am Anfang folgende Frage: Was ist ein Assessment oder ein Assessment-Center? Im grundlegenden Sinne bedeutet Assessment eine Bewertung oder Einschätzung. Ein Assessment untersucht entweder einzelne Personen (Bewerber oder Mitarbeitende) oder ganze Gruppen und dauert meistens einen halben bis drei Tage. Mit verschiedenen und unterschiedlichen Analysen, Gesprächen und Simulationen wird ein Kandidat von verschiedenen Assessoren subjektiv beurteilt. Das Ziel des Assessments ist die Einschätzung eines Kandidaten in Bezug auf ein Anforderungsprofil und entsprechende Kriterien beziehungsweise das Erlangen von relevanten Informationen, um die richtige Personalentscheidung zu treffen. Assessments werden oftmals in einem Assessment-Center durchgeführt.

Die Online-Lösung

Das Online-Assessment ist hinsichtlich des Ziels identisch mit dem des analogen Assessments, allerdings ist der Weg, um an das Ziel zu gelangen, grundlegend verschieden. Ein Online-Assessment ist nicht einfach ein analoges Assessment, welches per Skype (oder ähnlichem) durchgeführt wird. Online-Assessments arbeiten mit verschiedenen Umfragetools, um Informationen über einen Kandidaten zu erhalten, die in einem zweiten Schritt ausgewertet werden. Die Umfragedauer beträgt hier meistens weniger als eine Stunde und ist unabhängig vom physischen Standort des Kandidaten.

Die Entscheidung steht an

Eine These lässt sich bei der Beantwortung der Frage, welche Lösung besser ist, schon hier vorwegnehmen. Alle Assessments verlangen professionelle Experten, die sie durchführen, und die geeignete Methodik. Jedes Assessment ist nutzlos, wenn es nicht valide und reliabel ist – wenn es also nicht das misst, was es soll, und dies auch nicht zuverlässig und aussagekräftig tut. Im Folgenden gilt es, das jeweilige Assessment unter die Lupe zu nehmen. Die zentralen Kriterien stehen auf der Agenda.

Die Frage nach der Objektivität

Der Punkt für die Objektivität geht klar an Online-Assessments, da hier der Experte keinen direkten Kontakt zum Kandidaten hat, keine Empathie aufbauen kann und somit frei von seinem Bauchgefühl und dem persönlichen Eindruck eine Empfehlung an die Rekrutierenden abgeben kann.

Die Frage nach dem Umfang

Analoge Assessment-Center sind hier im Vorteil. Sie führen nicht nur Analysen, sondern auch Simulationen durch. Ein guter Assessor kann so in einem Rollenspiel beispielsweise erkennen, wie gut ein Kandidat eine schwierige Führungssituation meistert, Gestik und Mimik einbaut oder wie er oder sie kommuniziert. Den Kandidaten ist natürlich bewusst, dass sie beobachtet werden, was ihr Verhalten beeinflussen kann. Allerdings sind kompetente Assessoren sehr gut darin, das richtige Setting aufzubauen und korrekt zu interpretieren. Aus diesem Grund ist eine Verzerrung in dieser Diskussion vernachlässigbar. Allerdings ist anzumerken, dass auch der Auftraggeber des Assessments Informationen dazugewinnen kann, wie ein Kandidat kommuniziert oder wie er insgesamt wirkt – dazu dienen Vorstellunggespräche. Dennoch geht der Punkt für den Umfang an die analogen Assessments.

Die Frage nach den Kosten

Ein Assessment kostet immer: Es kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit für den Kandidaten. Wenn dieser noch angestellt ist, kann es durchaus schwierig sein, ein bis drei Tage im Betrieb zu fehlen, um ein Assessment durchzuführen. Das Online-Assessment ist hier der klare Gewinner. Die finanziellen Kosten der digitalisierten Version sind durchs Band geringer und die Kandidaten profitieren von der Flexibilität in höchstem Masse. Die Kandidaten sind frei, wo und wann sie das Assessment durchführen, und brauchen maximal eine freie Stunde.

Die Frage der Effizienz

Diese Frage bedeutet, den grösstmöglichen Ertrag mit dem geringsten Aufwand zu erlangen. Der Ertrag bezieht sich im Fall der Assessments auf aussagekräftige Informationen, die man braucht, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es geht um den Aufwand sowie die zeitlichen und finanziellen Kosten, die man tragen muss. Die Kosten für ein Online-Assessment sind um einiges niedriger als jene für analoge. Die Qualität der Analysen ist aber vergleichbar, wobei Online-Assessments objektiver sind. Analoge Assessments können umfangreicher sein (müssen es aber nicht). Es ist aber nicht immer nötig, noch umfangreichere Analysen zu erstellen, und daher ist dies auch kein massgebender Faktor, um die richtige Personalentscheidung zu treffen. Aus diesen Gründen ist das Online-Assessment klarerweise der Sieger in dieser Kategorie: Die Leistung ist vergleichbar und objektiver, obwohl die Kosten geringer sind. Der zusätzliche Umfang eines Assessments im herkömmlichen Sinn wird nicht immer benötigt, weshalb es sich nicht lohnt, in diesem Bereich immer mehr zu investieren.

Kleines Fazit

Insgesamt haben analoge Assessments bzw. Assessment-Center in wenigen Fällen noch Berechtigung: beispielsweise, wenn die umfangreichste Analyse, die möglich ist, verlangt wird oder wenn der Auftraggeber gerne die gesamte Rekrutierung delegieren möchte. Allerdings ist letzteres in meinen Augen niemals wirklich gerechtfertigt, wenn man sich überlegt, welche Ausmasse eine falsche Personalentscheidung haben kann. Generell überwiegen die Vorteile von Online-Assessments die der analogen Variante: Sie sind objektiver, viel kostengünstiger und auch effizienter als herkömmliche, analoge Assessments.

outvision.ch