Deutschland ist einer der grössten Handelspartner der Schweiz. Obwohl es einige Gemeinsamkeiten zwischen der Schweiz und Deutschland gibt, ist das deutsche Mehrwertsteuerrecht deutlich formeller und strenger als man dies aus der Schweiz kennt. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass Schweizer Unternehmen, die Ware aus Deutschland an andere Unternehmer innerhalb der übrigen EU verschicken, wissen, welche Regelungen sie im Zusammenhang mit diesen Lieferungen beachten müssen. Dieser Artikel zeigt, was grundsätzlich ab dem 1. Oktober 2013 bei der Dokumentation von grenzüberschreitenden Lieferungen aus Deutschland in die übrige EU beachtet werden muss.

Am 16. September 2013 hat das deutsche Bundesministerium für Finanzen (BMF) vorerst einen Schlusspunkt unter die fast zwei Jahre andauernden Diskussionen rund um das Thema «Gelangensbestätigung» gesetzt: Es veröffentlichte die Verwaltungsanweisung zur Auslegung der gesetzlichen Regelungen bezüglich des Nachweises der Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Aus deutscher Mehrwertsteuersicht liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor, wenn ein Unternehmer Ware an einen anderen Unternehmer verkauft und diese physisch aus Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) geliefert wird. Hierbei ist es irrelevant, ob Lieferant oder Abnehmer in der EU ansässig sind. Wenn ein Schweizer Unternehmen Gegenstände ab Deutschland – zum Beispiel aus einem Warenlager – in ein anderes EU-Land liefert, unterliegt diese Transaktion den deutschen Mehrwertsteuerregelungen.

Belastungen drohen
Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Mehrwertsteuer befreit, wenn bestimmte Voraussetzungen durch die beteiligten Unternehmen erfüllt werden. So muss unter anderem nachgewiesen werden, dass die Ware Deutschland tatsächlich verlassen hat und in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt ist. Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, kann die deutsche Finanzverwaltung die Steuerbefreiung verweigern. Sind für den Nachweis die Formalitäten nicht erfüllt, besteht das Risiko, dass die betroffenen Transaktionen nachträglich der Besteuerung unterworfen werden. Das kann zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen für ein Unternehmen führen.

Bereits Ende November 2011 wollte der deutsche Gesetzgeber durch eine Änderung der bisherigen Regelungen nur noch die sogenannte Gelagensbestätigung als Nachweis für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen gelten lassen. Die Gelangensbestätigung ist eine nach bestimmten Vorgaben zu erteilende Bestätigung des Erhalts der Ware durch den Empfänger. Sie muss unter anderem Name und Anschrift des Abnehmers, Menge des Liefergegenstands und die handelsübliche Bezeichnung, Ort und Monat (nicht Tag) des Erhalts des Gegenstands beziehungsweise des Endpunkts der Beförderung/Versendung enthalten.

Terminfahrplan steht
Die neue Regelung sollte bereits am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Die Kurzfristigkeit der Gesetzesänderung, der damit verbundene Aufwand und vor allem die mangelnde Praktikabilität führten zu zahlreichen Einwänden aus Verbänden, Wirtschaft und Beratung. Aufgrund der umfassenden Kritik sah sich das BMF gezwungen, im Zeitablauf mehrere Übergangsregelungen zu veröffentlichen. Die tatsächlich zwingende Anwendung des im November 2011 geschaffenen Gesetzes wurde immer wieder verschoben. Im Oktober 2012 legte das BMF schliesslich einen Entwurf zur erneuten Änderung des seit 1. Januar 2012 bestehenden – wenn auch letztlich nicht umgesetzten – Gesetzes vor.

Die angepasste Gesetzesversion änderte nichts an den Anforderungen an Form und Inhalt der Gelangensbestätigung. Der wesentliche Unterschied zur ursprünglichen Regelung bestand nunmehr im Wesentlichen darin, dass bei Versendungsfällen neben der Gelangensbestätigung weitere Nachweisformen, wie zum Beispiel (CMR-)Frachtbriefe, Spediteursbescheinigungen oder lückenlose Transportprotokolle von Kurierdiensten in Verbindung mit den Kurieraufträgen zugelassen wurden. Von einem Versendungsfall spricht das deutsche Mehrwertsteuergesetz, wenn ein Lieferant oder Abnehmer einen Dritten mit dem Transport der Ware beauftragt.

Im März 2013 erfolgte schliesslich die Beschlussfassung, dass die neuen Regelungen nun endgültig per 1. Oktober 2013 in Kraft treten. In dem am 16. September 2013 publizierten Anwendungsschreiben interpretiert nun das BMF die neuen Gesetzesgrundlagen. Der Nachweis, dass die durch das Unternehmen verkauften Waren Deutschland tatsächlich verlassen haben und in einen anderen EU-Mitgliedstaat geliefert wurden, muss dabei zwar nicht zwingend durch die Gelangensbestätigung oder die im Einzelfall weiteren zugelassenen Belege erbracht werden. Grundsätzlich ist es für jedes Unternehmen möglich, mit allen geeigneten Belegen und Beweismitteln zu dokumentieren, dass die Gegenstände an einen anderen Unternehmer an den Bestimmungsort innerhalb der übrigen EU versendet wurden. Die geforderten Informationen müssen jedoch nachvollziehbar und glaubhaft belegt werden. Für die endgültige Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen sieht das BMF-Schreiben eine weitere – letztmalige – Übergangsfrist für innergemeinschaftliche Lieferungen bis 31. Dezember 2013 vor.

Richtige Strategie
Trotz dieser Möglichkeit andere, objektive Nachweisformen zu nutzen, empfiehlt es sich, die gesetzlich festgelegten Dokumente zum Zwecke des Nachweises zu wählen und deren Vollständigkeit zu gewährleisten. Nur so können Unternehmen weitestgehend sicher sein, den deutschen Steuerbehörden möglichst wenig Angriffsfläche für Zweifel oder Diskussionen um die Nachweisführung zu bieten und das Risiko einer Nachversteuerung gering zu halten bzw. auszuschliessen. Die deutsche Finanzverwaltung wird sich vermutlich auch künftig verstärkt auf die Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen konzentrieren. Es ist nicht zu erwarten, dass sie dabei ihre bisher sehr formelle und teilweise über Gesetz und Rechtsprechung hinausgehende Herangehensweise ändert. Unternehmen sollten die Übergangsfrist bis 31. Dezember 2013 nutzen, um zu entscheiden, wie sie die künftige Nachweisdokumentation gestalten wollen und um die erforderlichen Prozesse zu etablieren und umzusetzen.

Weitere Informationen:
www.pwc.ch