In der alten Tourismusdestination Zermatt-Matterhorn zeigen die Wege in Richtung digitale Transformation.

Die Tourismusdestination Zermatt-Matterhorn will das bestmögliche Erlebnis für jeden Gast individuell garantieren. Dafür wurde die Bonfire AG, ein Start-up-Unternehmen von Zermatt Tourismus und der Zermatt Bergbahnen, gegründet. CEO Andreas Mazzone beschreibt ein Projekt, welches auch für die Chancen und Risiken in der Corona-Krise steht.
Noch vor zwölf Jahren führten Unternehmen wie Exxon Mobil oder PetroChina die Liste der weltweit höchsten Marktkapitalisierung an. 2019 lauteten die Top Five: Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Facebook. Wir haben es mit einem Megatrend zu tun, einem eigentlichen Paradigmenwechsel, der alle Wirtschaftszweige betrifft – und ganz besonders den Tourismus, da diese Branche ein Schlusslicht der Digitalisierung ist.

Das drückt sich auch in Verschiebungen beim Gästeprofil aus: Die Generation Y und vor allem die Generation Z, also die nach 1995 Geborenen, wollen Facetime, Google Search oder Apps auch in den Ferien uneingeschränkt nutzen. Diese Erwartung wird immer bestimmender. Gleichzeitig bestand im Falle von Zermatt das Bedürfnis nach Unabhängigkeit. Die Destination möchte die Datenflüsse selbst erfassen und steuern können, ohne Kompromisse bei der Datensicherheit und Wirtschaftlichkeit machen zu müssen.

Organisatorisch lag die Herausforderung darin, gefestigte Strukturen und das, was schon lange praktiziert wurde, nicht einfach fortzuschreiben. Es benötigte eine Organisation, die mit dem Tempo des Paradigmenwechsels mithält. Sie musste sehr schnell sein und zeitgemässe Tools einführen, sprich: disruptiv unterwegs sein. Das führte zur Gründung des Start-ups Bonfire als eigenständiges Unternehmen, welches die Digitalisierung quasi «auf der grünen Wiese» realisieren sollte: mit neu erschaffenen Strukturen und der zusätzlichen Anforderung, den nötigen Kulturwandel nicht nur voranzutreiben, sondern auch vorzuleben: in einer Community mit rund 6000 Einwohnern, 120 Hotels, 138 Restaurants und 220 Geschäftsführern. Alle waren davon zu überzeugen, warum Digitalisierung wichtig ist und dass sie nur gemeinsam eingeführt werden kann.

Die Lösung
Die ersten Schritte unternahm Zermatt vor rund fünf Jahren im Rahmen eines E-Fitness-Programmes. Die Leistungspartner – namentlich der Tourismusverein, die Hotellerie und Gastronomie, Bergbahnen, Appartementbesitzer und -vermieter sowie das lokale Gewerbe – wurden an die neuen Technologien herangeführt.

Schon früh war erkennbar, dass nur ein ganzheitlicher, strategischer Ansatz langfristig zum Erfolg führen würde.

Aus dem E-Fitness-Programm ging die Digitalisierungsstrategie hervor. In ihr wurden die gemeinsamen Ziele der Leistungsträger und von Bonfire festgeschrieben:

  • Auslastung erhöhen
  • Kundennutzen steigern
  • Marke stärken
  • Effizienz verbessern
  • Neue Kunden gewinnen
  • Erfolg nachhaltig sicherstellen und Synergien in der Destination nutzen

Passend zu dieser Strategie waren Best-in-class- und Best-of-breed-Technologien gefragt. Grundbedingung waren offene Strukturen, um Tools über offene APIs und Schnittstellen in eine Gesamtlösung einbinden zu können.

Diese Faktoren führten dazu, dass auf die Cloud-Technologie gesetzt wurde. Der Zugriff von überall und die Skalierbarkeit sollten sich im Laufe des Jahres 2020 als besonders wertvoll erweisen. Ein weiteres Kriterium war, dass die Implementierung in Schritten möglich sein musste. Im vorliegenden Fall wurden die Service-Cloud und die Marketing-Cloud ausgewählt und man konzentrierte sich erst einmal darauf, das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Clouds einerseits sowie mit den Leistungsträgern und den vielfältigen Anforderungen andererseits zu optimieren.

Schliesslich kamen auch spezielle Präferenzen zum Zug. Über die Marketing-Cloud sollten sämtliche Kommunikationsmassnahmen verknüpft sein, um das durchgängige Markenerlebnis zu garantieren. Die Service-Cloud wiederum hat eine Omnichannel-Plattform: Soziale Medien, Telefonie, Mail et cetera laufen alle zusammen. Wenn zum Beispiel Internetnutzer Nachrichten senden, öffnet sich in der Cloud gleich das Fenster zum Antworten, sodass der Kontakt unmittelbar am Ursprung des Bedürfnisses entsteht.

Die Auswahl
Der Auswahlprozess verlief in sechs Schritten:

  1. Die Wünsche und Vorstellungen der Leistungspartner wurden in Form von Anforderungskatalogen, Funktionen und qualitativen Anforderungen festgeschrieben.
  2. Aufgrund dessen begann die Suche nach potenziellen Anbietern. Dabei wurde vor allem auf Experten, eigene Research und persönliche Empfehlungen gesetzt.
  3. In der Folge wurden für jede mögliche Lösung mindestens vier Anbieter evaluiert. Dazu wurden Videokonferenzen angesetzt, Referenzen eingeholt und Q&A-Dokumente erstellt. Das Auswahlsystem entsprach einer «Ampel»: Eine vollständige, gute Lösung war grün, eine, die nicht die Anforderungen erfüllte, war rot. Bei gelb wurde gefragt, welche Programmierung nötig wäre, um in den grünen Bereich zu kommen.
  4. Für jeden auf dem Markt als gültig identifizierten Lösungsbaustein wurde ein Business Case entwickelt. Der konkrete Fall wurde dann praxisnah durchgespielt und ein Benchmarking beziehungsweise detaillierte Vergleiche der Vor- und Nachteile wurden durchgeführt.
  5. Innerhalb der Tool-Kategorien wurden individuelle Anpassungsaufwände untersucht.
  6. Abschluss des Auswahlverfahrens waren die Verhandlungen und der Entscheid.

Im Prozessverlauf kristallisierten sich für jeden Teil der Lösung zwei oder höchstens drei Anbieter heraus, die im Sinne eines Proof of Concept einzeln validiert wurden. Es zeigte sich dabei, dass neben der Cloud namentlich das Customer-Relationship-Management übergreifende Bedeutung hat. Das führte zum Entscheid für eine ganzheitliche Lösung von Salesforce.

Die Umsetzung
Am Anfang stand folgende Vision: «Wir wollen das bestmögliche Gästeerlebnis für jeden Gast individuell garantieren.» Die Umsetzung derselben im Rahmen der Digitalisierungsstrategie verlief in drei Phasen:

Phase 1
Hier geht es um die Erstellung eines zentralen Data Warehouse. Um den Gast bestmöglich zu kennen, auf seine individuellen Bedürfnisse und Interessen eingehen zu können und das bestmögliche Angebot zur richtigen Zeit zu machen, werden die Informationen der Destination sowie die entsprechenden Digitalisierungslösungen konsolidiert und in einem zentralen Data Warehouse miteinander vernetzt.

Die Daten gehören jederzeit dem Gast. Dieser hat immer die Möglichkeit zu entscheiden, ob er sie teilen möchte oder nicht, ob er einen Newsletter oder andere Informationen erhalten möchte oder nicht. Ziel ist, dass der Gast sein Einverständnis gibt, dass er folglich den Mehrwert sieht, welchen er erhält.

Phase 2
In der zweiten Phase steht das Kennenlernen der Gäste im Fokus. Die gesammelten Informationen im zentralen Data Warehouse werden ausgewertet, um den Gast besser kennenzulernen. Zudem werden die Daten direkt genutzt, um zum Beispiel anonymisierte Auswertungen in Echtzeit tätigen zu können. Die Lösung Tableau ermöglicht die umfassende Interpretation der Daten aus Sicht jedes einzelnen Leistungsträgers und hilft dadurch, die Marketingaktivitäten zu planen.

Die Leistungsträger wollen die Daten verstehen und auf deren Basis Entscheidungen treffen, beispielswiese bei den Marketingaktivitäten. Dabei stellen sich unter anderem folgende Fragen: Wie ist die Auslastung insgesamt? Welche Hotelkategorien sind am meisten gefragt? Welche Skipässe werden in welcher Periode am besten verkauft? Welche Benchmark-Analysen sind notwendig?

Phase 3
Last, but not least geht es um ein optimales Gästeerlebnis. Jetzt können die Gäste durch massgeschneiderte Lösungen bedient und informiert werden. Das beste Angebot zur besten Zeit wird individuell möglich. Es wird auch niemand mit unnötigen Informationen zugespammt.

Als Resultat ergeben sich Leistungen und Kommunikationsmassnahmen basierend auf Daten. Ein Gast, der fünf Tage in einem Hotel in Zermatt ist, drei Tage Ski fährt und in dieser Zeit zweimal gut essen geht, erhält völlig andere Angebote als ein Gast, der für einen Tag nach Zermatt reist, um das Matterhorn zu sehen. Newsletter werden spezifisch versendet. Der Gast gibt an, welche er erhalten will, je nach Interessenslage zum Beispiel mit Schwergewicht auf Skifahren, Wandern, Matterhorn, Events, Familie et cetera. Falls er auch die Newsletter des Hotels abonniert, erhält er sie im look & feel und im Namen des Hotels. Oder es werden nur Stammgäste angesprochen. Die Lösung hat für jeden Leistungsträger individualisierte Möglichkeiten.

Die so erschaffene ganzheitliche Customer Experience bestimmt darüber, ob der Gast der Destination treu bleibt. Denn nur begeisterte Kunden sind nachhaltig loyal. Auch die Mitarbeitenden werden durch diese Lösungen unterstützt und ihre Beratung wird aufgewertet. Der im Tourismus essenzielle persönliche Kontakt wird so gezielt gefördert.

Als besonders wertvoll erwies sich in der Implementierungsphase das Integration Layer. Es vernetzt 22 Projekte und nutzt statt Point-to-point-Integration die APIs und Standard-Schnittstellen. Dank dieser Metaebene können zum Beispiel Tools einfach aufdatiert werden.

Während der Covid-19-Pandemie zeigten sich zusätzliche Vorteile bei der Umsetzung. Durch die Cloud konnten Mitarbeitende im Home Office ohne Verzögerung Anfragen bearbeiten. Newsletter fanden besonderen Anklang und die Social-Media-Aktivität ergab laufend Resultate. Meldungen informierten die Leistungsträger über den aktuellen Stand der Schutzkonzepte und Synergien wurden erzeugt.

Kleines Fazit
Die Digitalisierung im Tourismus schreitet unaufhaltsam voran. Nur wenn die vielfältigen Informationen erfasst und die Interessen und Wünsche der Gäste in ihrer Gesamtheit zusammengeführt werden, kann ihnen zu jeder Zeit das beste Angebot gemacht werden. Die meisten Gäste werden diese individualisierte Ansprache und massgeschneiderte Kommunikation in Zukunft als selbstverständlich einfordern. Eine Tourismusdestination sollte nicht nur folgen, sondern führend sein.

Dies ist aber nur die erste Station auf einem langen Weg. Die Digitalisierung muss nachhaltig dazu beitragen, dass die Gäste und Mitarbeitenden von Tourismusdestinationen digitale Tools als neuen Teil des Urlaubserlebnisses ausdrücklich willkommen heissen. Die Destinationen sind aus diesem Grund täglich herausgefordert, auf modernste Technologien zu setzen, sie konsequent einzusetzen und die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten.

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