Corona, Coronavirus, Moncrier, Führung, Management, Beratung
In Notlagen offenbaren Organisationen ihre wahren Stärken und Schwächen. Auch die Führungsleute in sozialen Institutionen sind gefordert. (Bilderarchiv BS)

Dr. Matthias Schweizer

Nach der Krise ist vor der Krise. Der Umgang mit kritischen Situationen erfordert hohe Fachkenntnis, die Ansprüche an Führungskräfte sind enorm. Speziell auch bei Institutionen im Sozial- und Gesundheitswesen, wie der Basler Experte Dr. Matthias Schweizer bestätigt.

In Notlagen offenbaren Organisationen ihre wahren Stärken und Schwächen. Die einen verhalten sich sozialverantwortlich, erfinderisch und flexibel. Andere lassen erkennen, dass die werbewirksamen Werte wenig wert sind. Vieles scheint in der aktuellen Krisen- und Marktumbruchsituation möglich, was vor der Krise unmöglich schien. Gleichzeitig ist für viele Organisationen aktuell vieles unmöglich oder nur eingeschränkt umsetzbar, was vorher selbstverständlich war. Das aktuelle Krisengeschehen ist eine aussergewöhnliche Situation, die unkonventionelle Reaktionen und Massnahmen erfordert, da – konventionelle – Planung, Steuerung und Kontrolle häufig versagen und Nichtstun keine Option darstellt.

Prüfung der Automatismen und Glaubenssätze

Wie die Welt nach Corona aussieht, ist ungewiss, Prognosen ohne Anhaltspunkte sind Spekulationen. Die einzige vorausschauende Möglichkeit ist das Arbeiten mit Szenarien. Dennoch müssen Organisationen nun Strategien erarbeiten, wie sie heute die aktuelle Situation meistern, um morgen gestärkt aus ihr hervorzugehen. Es geht nicht um ein Ausprobieren ohne Plan und Ziel, sondern darum, eingefahrene Wege zu verlassen, da bekannte Muster in der grundlegend neuen Situation nicht hilfreich sein dürften.

Es geht vor allem um die Metamuster des Problemlösens, die in der Vergangenheit erfolgreich waren: Planung, Steuerung, Kontrolle, Standardisierung. Offenbar liegt es nicht nur an der Sozialisation, dass Menschen in modernen Gesellschaften mit Ungewissheit schlecht umgehen können und Lösungen auf Knopfdruck erwarten. Es erfordert den Mut von Führungskräften und Mitarbeitenden, sich bewusst auf Prozesse mit unbekanntem Ende einzulassen und eigene, neue Erfahrungen zu sammeln.

Umgang mit Ungewissheit

Besonders geeignet erscheint das Experimentieren mit Strukturen, die Menschen den Raum geben, eigene Lösungen für komplexe Fragen zu erarbeiten. Die Organisation quasi so zu gestalten, dass Räume der Ungewissheit entstehen. Wie Führungskräfte und Mitarbeitende mit diesem gleichermassen befreienden wie auch fordernden Rahmen umgehen, muss sich in der täglichen Arbeit erweisen. Die Intention ist, dass mehr Freiraum zu mehr Solidarität und Verbindlichkeit führen kann.

Die Zeit nach Corona

Es wird viel spekuliert über die Zeit nach Corona, und die Prognosen tendieren häufig in Richtung Disruption. Die Gesellschaft lernt neu Kooperation, endlich die Organisationen digitalisieren, und die Menschen in Pflegeberufen werden als systemrelevant wahrgenommen. Aber Organisationen sind konservative Systeme, die sich mit all ihren Spielregeln selbst erhalten wollen. Es braucht schon eine kräftige Irritation oder Störung, um dies dauerhaft zu verändern. Eine gute Gelegenheit, um radikal neu zu denken.

Gewissheit ist eine Illusion

Die Chance, Ungewissheit und Unsicherheit durch die Krise akzeptieren zu müssen, hilft, den Umgang mit Komplexität zu lernen. Die Ungewissheit anzunehmen, führt zu einer veränderten Sichtweise und kann einen Paradigmenwechsel in Management und Führung ermöglichen und zu wesentlichen Veränderungen in den Organisationen führen.

Zeit für Führungschancen

Für die meisten Organisationen stellt sich die Pandemie-Krise nicht als ein einzelnes grosses Problem, sondern als Bündel vieler Einzelprobleme dar: Seien es Herausforderungen durch Personalabbau, Kurzarbeit oder Infrastruktur. Die Phase zwischen dem Erkennen von Problemen und der Etablierung passender Lösungen ist typischerweise eine Phase hoher Unsicherheit. Und diese Unsicherheit über das richtige Handeln erzeugt unkonventionelle Führungsansprüche.

In Krisenzeiten, in denen sich die Entscheidungslasten ballen, wird deutlich, dass Führungsimpulse nicht nur von Hierarchien kommen, die üblicherweise dafür zuständig wären. Stattdessen wird – im Sinne von Führung – dort Einfluss geltend gemacht, wo die Unsicherheit über das richtige Handeln zu gross wird und die Weisungen «von oben» fehlen oder fraglich sind. Wenn keine passenden Arbeitsanweisungen zur Verfügung stehen, wird der Führungsimpuls durch informelle «Macht» durchgesetzt. Denn wo der Bedarf an Orientierung gross ist, ist die Erleichterung über Lösungen umso grösser. Und damit auch die Bereitschaft, die organisatorischen Regeln grosszügiger auszulegen oder zu ignorieren.

Das Verwischen von Zuständigkeitsbereichen sowie der Versuch, sich für Initiativen und Ideen zu öffnen, gehören nicht zwingend zu den Paradedisziplinen formaler Organisationen. Kommt es zu Widersprüchen mit bereits bestehenden Strukturen, liegt es schliesslich am Resultat mikropolitischer Auseinandersetzungen um Führungsansprüche, ob eine Neuordnung gelingt. Denn Führung bleibt auch nach der Krise unverzichtbar.

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Dr. Matthias Schweizer von Moncrier – Experte in Sachen Führung im Sozialwesen inklusive Interim-Management.