Ausrangierte Mobiltelefone machen einen grossen Teil des Elektroschrotts aus.

Die Schweiz ist weltweit führend, wenn es um die Rate von recycelten Digitalgeräten geht – ganze 95 Prozent werden abgegeben und wiederverwertet. Auf diese Weise werden aus ausgedienten Geräten Wertstoffe gewonnen und wieder in den Materialkreislauf Eingebracht. Nun steht diesem bisher gut funktionierenden Recyclingsystem eine Revision und damit womöglich eine Verstaatlichung bevor.

Um die Umwelt zu schützen, ist konsequentes eRecycling unabdingbar. In der Schweiz kümmern sich daher private Organisationen wie Swico um das Recycling von Elektroschrott. Die Finanzierung funktioniert über freiwillige Beiträge, die Händlerinnen oder Hersteller zahlen. Dafür sind für den Kunden beim Kauf ein paar Franken extra fürs Recycling eingerechnet. Swico sieht sich dabei im wahrsten Sinne als Ökosystem: In dem
privatwirtschaftlich organisierten Verband arbeiten mehrere Teilnehmer zusammen und gehen dabei auch untereinander symbiotische Beziehungen ein.

Das Recycling von Elektrogeräten erfordert viel Zeit und Aufwand. Zwar können dabei
gewonnene Materialien wie Kupfer oder Kunststoff weiterverkauft werden, dennoch sind die Betriebe auf die vorgezogene Recycling-Gebühr (vRG) angewiesen. Vorgezogen deshalb, weil die Kunden die Gebühr bereits beim Kauf des Elektrogerätes zahlen – vom kleinen Reiseföhn bis zur Waschmaschine. Dieses System hat über 20 Jahre gut funktioniert,
ohne dass die Abgaben drastisch angehoben werden mussten. Nun stellen Geräte, die ohne Gebühr verkauft werden, einen Stolperstein dar.

Phänomen Trittbrettfahrer
Das Problem: Bei Geräten, die im Ausland gekauft werden, fehlt die Entsorgungsgebühr.
Dennoch werden sie in der Schweiz entsorgt und sorgen so für eine Differenz, die beispielsweise an den Sammelstellen der Gemeinden auffällt. Das Schweizer Erfolgsmodell beim Recycling kann durch diese Differenz in Gefahr geraten.

Dabei ist eine geregelte Entsorgung existenziell für einen nachhaltigen Ansatz. Viel zu oft werden defekte oder ausgediente Geräte am Strassen- oder Waldrand deponiert, unter anderem, weil sie vom Verkäufer nicht zurückgenommen werden könnten. Sogenannte Trittbrettfahrer sind zum Beispiel ausländische Onlinehändler, auf welche die Bevölkerung – nicht zuletzt wegen Corona – vermehrt zurückgreift. So geraten immer mehr Geräte in Umlauf, für die beim Kauf kein Beitrag entrichtet wurde. Das alles macht den Geldstrom dünner, der über die vorgezogene Gebühr in den allgemeinen Recycling-Topf fliesst, sodass
unterdessen alle Beteiligten – egal ob Händler, Sammelstellen oder Verwerter – Handlungsbedarf sehen.

Dies blieb auch dem Parlament nicht verborgen: So schlägt der Bundesrat eine Reform des Recyclingsystems von digitalen Geräten vor. Das neue Konzept sieht vor, dass in Zukunft Elektronikhändler statt des Zuschlags auf die Geräte eine obligatorische Gebühr für deren spätere Entsorgung als Elektroschrott bezahlen. Auf diese Weise soll das Problem des Onlinehandels und Imports adressiert werden. Geschehen soll dies unter staatlicher Aufsicht, also nicht mehr länger privatwirtschaftlich und freiwillig. Damit soll Finanzierungslücken vorgebeugt werden – ohne jedoch, dass eben solche Lücken im laufenden System bekannt wären.

Das geht natürlich auch die Betreiber des heutigen, freiwilligen Systems etwas an. Diese sind nicht einverstanden: So verlören sie den Einfluss auf das System und hätten keine Kontrolle mehr über Höhe und Verteilung der Gebühren. Und das, obwohl das aktuelle System gut und zuverlässig funktioniert.

Ressentiments gegen Revision 
Eine Revision würde für das Recyclingsystem, wie es seit 25 Jahren besteht, das Ende bedeuten. Dagegen besteht, nicht nur von Swico, eine breite Ablehnung. Gründe sind die massive Aufblähung des administrativen Apparates und hohe infrastrukturelle, finanzielle und personelle Ressourcen, ohne dass dadurch ein zusätzlicher Nutzen erreicht würde. Auch aus ökologischer Sicht bietet die Veränderung keinen erkennbaren Mehrwert,
während sie den Konsumenten zusätzlich belastet. So kommt die Befürchtung einer Verteuerung des Recyclingbeitrags auf: Dadurch sinkt nicht nur der Anreiz der Rückgabe, es steigt auch das Risiko, dass ausgediente Geräte einfach «ausgesetzt» werden.

Mit der Revision wird Swico die Betreuung der Sammelstellen entzogen. Diese bekommen
einzelne Verträge mit der staatlichen Organisation – so wird das Recyclingsystem zu einer Zahlstelle für Sammelstellen. Kommunikation und Struktur untereinander gehen verloren, das von Swico beschriebene Ökosystem bröckelt.

Crowding out …
… heisst das Phänomen, wenn staatliche Unternehmen privatwirtschaftliche verdrängen.
Dadurch, dass der Staat in einem solchen Fall selbst Güter bereitstellt, übergeht er private Angebote.

Der Stein des Anstosses allerdings bleibt von dieser Lösung unberührt, das Problem, dass auch Onlinehändler für das Recycling zahlen müssen, wird nicht gelöst. Da ist es nur verständlich, dass die Vorlage des Bundesrates starken Gegenwind bekommt. Sie bringt zwar grundlegende Veränderungen, ohne aber eine deutliche Verbesserung zu  präsentieren.

Dennoch zeigt sie, dass das Recycling von elektronischen Geräten ein aktuelles Thema ist, das es im Sinne der Wirtschaft und der Nachhaltigkeit weiter zu verfolgen gilt. Ob die Fronten in diesem Fall verhärtet sind, oder ob die Kontrahenten realisieren, dass sie ein gemeinsames Ziel verfolgen und darüber zusammenfinden, werden die zukünftigen Verhandlungen zeigen.

www.kmurundschau.ch
www.swico.ch