Das Netz der nachhaltigen Zusammenarbeit sollte für alle Beteiligten zu einer besseren Situation führen.

Gerne nutzen Unternehmen Projekte zur Entwicklungshilfe, um als verantwortungsvoll wahrgenommen zu werden. Doch bei den meisten sogenannten Win-win-Situationen stehen die Vorteile des Unternehmens klar im Fokus, und der gesellschaftliche Nutzen verkümmert zu einem angenehmen Nebeneffekt. KMU glauben fälschlicherweise, hier aufgrund mangelnder Ressourcen im Nachteil zu sein. Tatsächlich bietet ihre regionale Einbindung aber grosse Vorteile.

Obwohl wir bei der Nachhaltigkeit schon seit Jahrzehnten mit Konzepten wie der Tripple-Bottom-Line oder dem Drei-Säulen-Modell arbeiten, dominiert in den meisten Köpfen und Projekten ein Fokus auf die ökologische Dimension. Dies lässt sich sowohl mit der Dringlichkeit des Klimawandels begründen, dessen Effekte uns global bedrohen, als auch mit der Herkunft des Begriffs aus der Forstwirtschaft erklären. Schon vor über 200 Jahren wurde von Georg Ludwig Hartig (1795) gefordert, die Abholzung der Wälder nachhaltig zu gestalten. Dabei umfasst der Begriff der Nachhaltigkeiteine Ressoucennutzung,welche die Stabilität eines Systems und seine Vielfalt bewahrt, indem es seine Regenerations­fähigkeit erhält.

Diese drei Komponenten werden nun sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die Wirtschaft übertragen. So spricht man vom «nachhaltigen Wirtschaften» – oder stellt es infrage – beispielsweise, wenn bei Finanzkrisen sowohl die Stabilität des Systems als auch seine Regenerationsfähigkeit bedroht werden, oder wenn Monopolisierungen in einem Markt die Vielfalt untergraben. Eine der grössten Bedrohungen für Gesellschaften und ihre Stabilität stellen hingegen extreme Ungleichheit dar, die sogenannte Schere zwischen Arm und Reich. 

Diese Überlegungen verdeutlichen, wie eng die drei Dimensionen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt miteinander verknüpft sind und dass sie sich eigentlich nur theoretisch voneinander trennen lassen. Genau dieser systemische Charakter macht es aber auch schwierig, Prozesse tatsächlich ganzheitlich nachhaltig zu gestalten. 

Nachhaltigkeit als Strategie
Trotzdem versuchen Unternehmen sich oft an einfachen Lösungen und reduzieren die komplexe Nachhaltigkeit auf Teilaspekte. Wenn sie sich Nachhaltigkeitsthemen widmen, dann tun sie das aus strategischen Überlegungen heraus. Es geht dabei um Fragen der Reputation und des Images, aber auch darum, ein attraktiver Arbeitgeber zu werden oder höhere Preise bei Kunden zu erzielen. Was jedoch auffällt ist, dass Schweizer Unternehmen trotz Mehrfachnennung nicht angeben, dass die Nachhaltigkeitsstrategie zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen oder dem Umweltschutz dienen soll. Statt einer Strategie zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in den drei Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt geht es also vielmehr um Nachhaltigkeit als Wettbewerbsstrategie.

Abhängigkeiten erkennen
Dieser Widerspruch wird besonders deutlich, wenn Unternehmen Projekte zur Entwicklungshilfe ins Leben rufen. Denn hier wird der gesellschaftliche Nutzen gerade hervorgehoben und als das eigentliche Ziel des Projektes dargestellt. Dass dem häufig nicht so ist und sogar Abhängigkeiten erzeugt werden, die eine Entwicklung gerade verhindern, wird allzu häufig übersehen oder in Kauf genommen. Um den tatsächlichen gesellschaftlichen Nutzen solcher Projekte zu beurteilen, sollte man sich zwei Fragen stellen:

  • Was passiert, wenn das Unternehmen sein Projekt einstellt? Welche ­Konsequenzen hätte dies für die daran beteiligten Akteure und inwiefern verändert sich die Lage im Vergleich zum Zeitpunkt vor dem Projekt?
  • Wenn das Unternehmen wirklich das angegebene Entwicklungsziel im Auge hat, ist das vorgestellte Projekt dann tatsächlich der beste Weg, um dieses Ziel zu erreichen?

Die erste Frage zielt dabei auf die «Entwicklung» und hilft zu beurteilen, ob eine solche durch das Projekt stattfindet. Viele, auch aufwändig betriebene Projekte, erzeugen bei genauerem Hinsehen Abhängigkeiten und würden bei einem Projektabbruch die Lage bestenfalls unverändert lassen. Die zweite Frage betrachtet die Effektivität der Massnahme, sprich, ob es sich um ein Projekt handelt, welches das vorgegebene Ziel bestmöglich erreicht. Oft wird gerade bei der zweiten Frage deutlich, dass das vorgegebene Entwicklungsziel nicht dem eigentlichen Projektziel entspricht, sondern es vielmehr darum geht, unternehmerische Ziele zu verfolgen und eventuelle positive Effekte für die Gesellschaft als Nebeneffekt mitzunehmen. Im besten Fall liegt eine Fehleinschätzung vor, im schlechtesten Fall ist das Greenwashing glatter Betrug.

Auf Augenhöhe
Ein Beispiel (vgl. auch Hebestreit, 2015) hierfür ist Grameen Danone, das sich als «Sozialunternehmen» bezeichnet hat, mit dem Ziel, der Mangelernährung in Bangladesch Abhilfe zu schaffen. Es baut Fabriken in Bangladesch und ergänzt den dort produzierten Joghurt um Zusatzstoffe wie Vitamin A, Zink und Jod. Zwischenhändlerinnen verkaufen diesen Joghurt an der Haustür und erhalten eine Provision pro verkauften Becher. Sie und lokale Milchbauern werden mit Kleinkrediten der von Friedensnobelpreisträger Yunus gegründeten Grameen Bank unterstützt, um sich eine Kühltasche mit Joghurt oder Milchkühe leisten zu können. Stolz werden auf der Unternehmenshomepage die Gewinner des Projektes genannt: «Das Joint Venture schafft folglich Arbeitsplätze, unterstützt den Agrarsektor und wirkt gleichzeitig positiv auf die Nährstoffversorgung der Menschen vor Ort.» (Danone, 2009).

Würden die Unternehmensverantwortlichen von Danone nun aus irgendwelchen Gründen entscheiden, das Projekt abzubrechen, hätte sich zunächst an der Mangelernährung der Kinder nichts geändert, denn eine Verbesserung der Ernährungssituation ist an den Verzehr des Joghurts geknüpft. Die Zwischenhändlerinnen und die Milchbauern verlieren ihre Arbeit und können nur hoffen, dass sie bis zum Projektende ihre Kredite abbezahlt haben. Eventuell haben sie ein wenig Vertriebserfahrung gesammelt und im besten Fall finden die Milchbauern einen alternativen Abnehmer. Sie sind jedoch keine Angestellten des Unternehmens mit entsprechenden Ansprüchen an Sozialleistungen oder eine Rente. Danone hingegen erhielt 2009 ein Vision Award für nachhaltiges Engagement bei der weltweiten Armutsbekämpfung, erschliesst in Bangladesch einen neuen Absatzmarkt und wird im Heimatmarkt als nachhaltiges Unternehmen wahrgenommen, das sich sozial engagiert. Welche Seite hier das grössere Win hat, scheint offensichtlich.

Wenden wir auf dieses Beispiel die zweite Frage an, die heisst, welche Massnahmen ergriffen werden müssten, wenn eine Beseitigung der Mangelernährung das ausschliessliche Ziel des Projektes wäre, würde man vielleicht bei Schulgartenprojekten landen, bei einem Ausbildungsprojekt zur autonomen Herstellung von Joghurt durch die lokale Bevölkerung oder bei einer Vermittlung von Agrartechniken. Man würde aber wohl eine Unabhängigkeit vom Unternehmen Danone schon allein aus Gründen der Risikodiversifizierung anstreben – was natürlich dem Unternehmensinteresse entgegenstünde.

Oft kommt an dieser Stelle der Vorwurf einer Suche nach dem Haar in der Suppe oder die phlegmatische Aussage, dass solche Projekte doch immerhin besser als nichts seien. Dem kann nur entgegnet werden, dass wir uns in anderen Bereichen ja auch nicht mit einem «besser als nichts» begnügen. Das ist der Fall, wenn beispielsweise unser Maschinenpark eine Auslastung von nur 20 Prozent aufweist. Warum ist das bei etwas so Wichtigem wie der Nachhaltigkeit plötzlich anders?

Stärken von KMU einsetzen
Es kommt eher selten vor, dass KMU-Verantwortliche ihre Nachhaltigkeitsbemühungen auf den Bereich der Entwicklungshilfe lenken. Und wie gezeigt wurde, muss das kein Nachteil sein (Schneider, 2012). Durch den engen persönlichen Kontakt erkennen sie in vielen Fällen, wo ihre Fähigkeiten zur Verbesserung von sozialen Zuständen oder ökologischeren Alternativen eingesetzt werden können. Und die Überschaubarkeit ihrer Wertschöpfungskette ermöglicht es ihnen zudem, der Komplexität von Nachhaltigkeitsanforderungen besser gerecht zu werden. Mit zunehmender Grösse steigt systemische Komplexität nämlich überproportional. Statt auf die ressourcenstarken Grossunternehmen sollten wir deshalb vermehrt auf die Kompetenzen und die regionale Eingebundenheit von KMU setzen, wenn wir die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt insgesamt wirklich nachhaltiger gestalten wollen.

www.ffhs.ch

Literaturhinweise
Danone. (2009). Grameen Danone Foods. Von www.stage.danone.de abgerufen
Ernest & Young. (2014). Transparenz im Visier. Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung der grössten Schweizer Unternehmen. Schweiz.
Hartig, G. L. (1795). Anweisung zur Taxation der Forste oder zur Bestimmung des Holzertrags der Wälder. Heyer.
Hebestreit, N. (2015). Die Verantwortung des Wirtschaftsakteurs. Eine vertragstheoretische Betrachtung.Wiesbaden: SpringerGabler.
Schmid, J. (2016). Die Schere zwischen Arm und Reich ist grösser als bisher angenommen. Aargauer Zeitung .
Schneider, A. (2012). CSR aus der KMU-Perspektive: die etwas andere Annäherung. Berlin: SpringerGabler.