Nur Kenntnisse vom AIDA-Modell bringt noch kein festes Einkommen.

«Webseite war gestern. Heute ist Funnel.» Mit solchen Sprüchen versuchen aktuell manche
Online-Marketing-Berater, Marketing- und Sales-Funnels als innovative Zaubermittel zu vermarkten. Dabei sind diese ein alter Hut.

Um das Thema Marketing- und Sales-Funnel machen aktuell einige Online-Marketer ein ebenso grosses «Bohai» wie in den zurückliegenden Jahren zunächst um die Themen Blogs, dann Guerilla- Marketing, dann Social Media, dann Videos, dann Content-Marketing, dann Landingpages und so weiter. Und wie die vorgenannten Themen versuchen sie auch dieses
als das Zaubermittel bzw. Non-plus-Ultra im Marketing und Vertrieb zu verkaufen. Dabei sind Sales-Funnel beziehungsweise Marketing-Funnel ein alter Hut, den jeder Vertriebler unter dem Namen «Vertriebs-» oder «Verkaufstrichter» kennt und der letztlich das Massnahmen-Bündel bezeichnet, mit dem eine Organisation oder ein Verkäufer zunächst die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zielkunden weckt und diese dann Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führt. Das Wort Funnel klingt aber chicer oder moderner als das Wort Trichter; also lässt es sich auch besser vermarkten.

AIDA -Formel als Basis
Jedem Vertriebs- und Verkaufstrichter beziehungsweise Funnel liegt letztlich die altbekannte AIDA-Formel für den Verkauf insbesondere von komplexen, erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen zugrunde, die keine Schnelldreher sind – also Produkte, die ein potenzieller Kunde mal eben so schnell und spontan wie eine Kugel Eis im Sommer kauft, weil er gerade Lust darauf hat. Der AIDA-Formel zufolge durchläuft jeder Kunde, bevor er ein Produkt kauft, mehrere Stufen der Kaufentscheidung. Diese sind: Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Kauf-Wunsch) und Action (Kauf-Aktion). Und dafür, dass der potenzielle Kunde diesen Prozess durchläuft, sollte jeder Anbieter sorgen.

System ist entscheidend
Denn es nutzt zum Beispiel dem Besitzer eines Ladengeschäfts wenig, wenn dieses zwar viele Besucher, sogenannte Schaukunden, aber kaum Kaufkunden hat – zum Beispiel, weil das Geschäft die falschen Produkte anbietet oder diese schlecht präsentiert. Am Abend ist seine Kasse leer. Ebenso wenig nutzt es jedoch einem Ladenbesitzer, wenn er in seinem Geschäft eine Top-Ware für seine Zielkunden anbietet und diese 1A präsentiert, es ihm aber nicht gelingt, ausreichend Interessenten hierfür in seinen Laden zu ziehen. Dann stehen er und seine Mitarbeiter allein im Laden, und am Abend ist die Kasse ebenfalls leer – weil das Gesamtsystem nicht stimmt.

Struktur für Webseiten
Ähnlich verhält es sich mit Webseiten. Es nutzt einem Freiberuflichen oder Selbstständigen
wenig, wenn seine Webseite, weil sie gut im Netz gefunden wird, zwar viele Besucher hat, er also eine hohe Aufmerksamkeit hat, diese jedoch rasch wieder verschwinden, weil die Inhalte der Webseite weder ihr Interesse, noch einen Kauf-Wunsch bei ihnen wecken. Umgekehrt nutzt es einem Selbstständigen wenig, wenn die Produkte auf seiner Webseite für seine Zielkunden zwar hochinteressant wären, diese aber kaum Besucher hat – zum Beispiel, weil sie bei der Suche im Netz nicht gefunden wird. In beiden Fällen generiert der Anbieter – zumindest über seine Webseite – keine Anfragen und Aufträge. Das heisst, er ist erfolglos.

Also sollte sich jeder Freiberufler und Selbstständige, wie alle Unternehmer, überlegen, wie er seine Kunden Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führen kann. Oder anders formuliert: Er sollte eine Marketing- und Vertriebsstrategie für seine Unternehmung entwerfen, die seine verschiedenen Off- und Online-Marketingund Vertriebsaktivitäten zu einem zielführenden System zusammenbindet. Diese fehlt bei den meisten.

Keine Lösungsverkäufer
So weit so gut. Was aber an dem aktuellen Sales-Funnel-Geschwätz nervt, ist, dass die Online-Marketer den Selbstständigen Dreierlei suggerieren: Marketing- und Sales- Funnel seien der neuste Schrei. Nein, sie sind ein alter Hut. Das Einzige, was neu ist: Einige Online-Marketer haben endlich auch entdeckt, dass neben der Webseite auch die sonstigen Online-Marketing-Aktivitäten ihrer Kunden kein Selbstzweck sind, sondern eine Teilfunktion in deren Marketing- und Vertriebssystem erfüllen müssen.

Weiter: Die Selbstständigen müssten in ihre Webseite einen extra Marketing- und Sales-Funnel integrieren. Dabei ist jede Webseite, die letztlich nicht wie ein Marketing- und Verkaufstrichter funktioniert, also die Zielkunden in ihrem Kaufentscheidungsprozess zwei, drei Schrittchen weiterführt, schlicht falsch konzipiert. Und schliesslich: Wenn Selbstständige in ihre Webseite und in ihr Online-Marketing einen Sales-Funnel integrieren, dann generieren sie automatisch Aufträge. Die Aufträge fliegen ihnen dann sozusagen wie gebratene Täubchen in den Mund.

Kein Umtauschrecht
Letzteres ist Quatsch beziehungsweise ein reines Wunschdenken, denn dies ist nur bei Produkten oder Dienstleistungen möglich, die mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen: Die bestellte Ware kann jederzeit, wie zum Beispiel die Schuhe bei Zalando, zurückgegeben werden. Das ist bei den Leistungen solcher Freiberufler wie Unternehmensberatern, Rechtsanwälten oder Architekten sowie Selbstständigen wie Handwerkern nie der Fall.

Ein weiteres Problem ist, dass sie aus Kundensicht billig beziehungsweise extrem preiswert sind, sodass der Kunde denkt «Macht nix, wenn ich die drei, vier Euro in den Wind schreiben muss», und ihr Besitz hat für die Kunden keine Relevanz, sodass sie denken: «Schadet nix, wenn ich einen Fehlkauf tätige.» Beides ist bei vorgenannten Leistungen, die
aus Kundensicht meist teuer sind und mit denen die Kunden oft ein akutes Problem von sich lösen möchten, ebenfalls fast nie der Fall.

Persönlicher Kontakt
Deshalb lässt sich für die meisten komplexen sowie erklärungsbedürftigen Produkte und Dienstleistungen, geht man von den AIDA-Stufen der Kaufentscheidung aus, mit der Webseite und den Online- Marketing-Aktivitäten maximal das Interesse der Zielkunden wecken. Gelingt dies, dann kontaktieren sie den Anbieter. Und danach beginnt erst der eigentliche Verkauf, und zwar im Dialog zwischen dem Anbieter und seinem potenziellen
Kunden.

Dass sich via Marketing- und Sales-Funnel keine komplexen Produkte und Dienstleistungen
verkaufen lassen, ist anscheinend auch den meisten Marketing- und Sales- Funnel-«Spezialisten» unter den Online- Marketern bewusst. Liest man nämlich ihre Werbetexte genauer, dann merkt man rasch: Letztlich geht es eigentlich stets nur um das Thema Marketing und nicht um das Thema Verkauf oder Vertrieb.

Zaubermittel Newsletter?
Viele der von ihnen konzipierten Marketingund Sales-Funnel zielen denn auch nur darauf ab, dass potenzielle Kunden zum Beispiel einen Newsletter abonnieren. Und die Zahl der neuen gewonnenen Abonnenten? Sie wird als Beleg für das Funktionieren des Marketing- und Sales- Funnel verkauft.

Die hinzugewonnene Zahl von Newsletter- Abonnenten oder die gestiegene Follower- Zahl in Social Media mag ja erfreulich sein. Doch verkauft hat der Selbstständige deshalb noch nichts. Er hat nur mehr Schaukunden, die meist nichts kaufen, die er jedoch fortan regelmässig beglücken und bespassen muss.

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