Schlagworte wie Industrie 4.0 oder Internet of Things (IoT) sorgen unserer Tage für Aufregung und viel Aktivismus. Eine gute Gelegenheit, die Jahrestagung des energie-cluster.ch dem Thema IT und Energie zu widmen. Das Potenzial dieser Kombination ist gross, es dürfen Effizienzsteigerungen und Einsparungen erwartet werden. Dazu braucht es aber einen soliden Boden der Realität als Basis. Die Jahrestagung bekräftigte diese Erkenntnis.

Der Bund reagiert
Dr. Ruedi Meier, der Präsident des energie-cluster.ch, moderierte die Veranstaltung im Stade de Suisse in Bern. Er nannte den Vormarsch der Informationstechnologie in immer mehr Lebens- und Handlungsbereiche ein «Hyper Thema». Vor allem bricht die Digitalisierung ziemlich unkontrolliert über unser wenig vorbereitetes Land herein. René Dönni, Vizedirektor und Leiter Telecomdienste und Post beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM), informierte über den Umgang mit dieser Entwicklung seitens des Staates. Aktuell wird eine Strategie «Digitale Schweiz» mit acht Aktionsfeldern erarbeitet. «Breitband bis ins letzte Dorf» ist eines der Ziele, welche unserem Land in Aussicht gestellt wird. Dr. Walter Steinmann, Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE) stellte den Link zum Ressourcenmanagement her. «Smart» heisst hier das Stichwort, es wird kombiniert mit «Home» und «Grid», dem Heim und dem Versorgungsnetz. Eine Smart Grid Roadmap bildet die Vision der Stromzukunft ab, die Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle. Das BFE bemüht sich darum, dass IT-Standards im Energiebereich gebündelt werden. Das grösste Potenzial für die Kombination von Energieeffizienz und IT sieht es auf Quartierebene, wie Dr. Steinmann anhand von zwei Projekten in Frenkendorf/BL und Riedholz/SO skizzierte. Das Ziel besteht darin, einen teuren Ausbau des Netzes durch «smarte» Massnahmen unnötig zu machen. «Die Digitalisierung wird uns in allen Bereichen sehr stark bewegen», zeigte sich der Direktor des BFE überzeugt.

Intelligenz statt Kupfer
Mit Dr. Anton Gunzinger, VR-Präsident Supercomputing Systems und Professor an der ETH Zürich, konnte die Jahrestagung des energie-cluster.ch eine hochrangige Kapazität auf dem Gebiet Energie und IT als Referenten gewinnen. «Intelligenz statt Kupfer», heisst sein Motto: Die digitalisierte, voraussehende Steuerung der Energieflüsse sollte einen Um- oder Ausbau der Übertragungsnetze verhindern können. Wie Dr. Steinmann ist auch Professor Gunzinger der Meinung, dass die Quartierebene die grösste Aufmerksamkeit verdient. Ein dezentrales intelligentes Netz sollte lokale Spannungsfluktuationen verhindern helfen. Der Schöpfer der «Smart Grid Box», welche einen Beitrag zur Herbeiführung dieses Zustands leisten soll, wies aber auch auf Grenzen des digitalisierten Energiemanagements hin. Fragen der Zwischenspeicherung beispielsweise lassen sich nicht mit einer Software lösen, Energie ist nicht mit Daten zu vergleichen, die sich per Klick vervielfachen lassen. Professor Gunzinger plädierte für einen föderalistischen Aufbau der Energienetze, er hält eine nationale Datendrehscheibe für sinnvoll. Im Kiental, im Berner Oberland und in einem Stadtteil von Zürich durchläuft das «Smart Grid Box»-System derzeit eine Versuchsphase.

Milliarden «vernetzter Dinge»
Die Digitalisierung ermöglicht neue Wege der Kommunikation – und die Schaffung neuer Kommunikationspartner. Die Ausführungen von Robert Gebel, Head of Business Development bei Swisscom Enterprise Customers, drehten sich um das Internet of Things (IoT), einer Kommunikationsmethode, an der sich Geräte beteiligen. IoT ermöglicht es, dass diese ihre Wahrnehmungen und auch deren Auswertung an eine Steuerungszentrale übermitteln. Diese Kommunikation erlaubt eine permanente Beobachtung von Zuständen und eine schnelle, vorausschauende Reaktion. Exemplarisch offenbaren sich die Möglichkeiten und Chancen beim Elektrofahrzeug Tesla. Da dieses Fahrzeug stetig mit der Entwicklungszentrale des Herstellers in Verbindung ist, können dessen Fähigkeiten analog zum Update eines Computers stetig angepasst werden, ohne dass sich das Gefährt in die Garage oder der Fahrzeughalter aufs Amt begeben muss. Dass sich diese Möglichkeiten auch bei der Energieversorgung im Gebäudebereich nutzen lassen, liegt auf der Hand. Robert Gebel räumte aber ein, dass dem IoT in der Energiebranche bisher noch kein grosser Markterfolg beschieden war. Man arbeitet bei der Swisscom aber an Lösungen für smarte Stromzähler und virtuelle Kraftwerke.

Von der Versorgung zum System
Was lohnt sich? Diese Frage stand im Zentrum der Ausführungen von Dr. Suzanne Thoma. Die CEO des traditionellen, sich im Wandel befindenden Stromversorgers BKW muss sich mit der Demonopolisierung der Stromproduktion auseinandersetzen. Einerseits sind grosse Technologiesprünge zu erwarten, andrerseits besteht eine Tendenz zu null Grenzkosten. Dies erzeugt keine Investitionsanreize und hat Auswirkungen aufs Gesamtsystem. Obwohl die Dekarbonisierung der grosse Treiber einer internationalen Energiewende ist, die auch China und Indien erfasst hat, muss man sich in Europa mit viel zu niedrigen CO2-Emissionsgebühren auseinandersetzen. In diesem Umfeld muss sich die BKW als traditioneller Energieversorger orientieren. «Wir brauchen bei der BKW eine neue ‚raison d’être‘», bekundete Dr. Thoma. Das Unternehmen sucht sie in einer Verschiebung von der Versorgung als Selbstverständis hin zum System, ein komplexer Vorgang. Gegenüber der Digitalisierung zeigt sich Frau Dr. Thoma offen, auch wenn Sie durchblicken liess, dass sie die Nachhaltigkeit der «Hypes» auf diesem Gebiet für schwer abschätzbar hält. «Wir möchten digitale Angebote als Instrumente benutzen», hielt sie aber fest. Betroffen davon sind insbesondere Dienstleistungen rund um die Gebäudetechnik, welche die BKW anbietet und weiterentwickelt. «Wir sind vielleicht ein bisschen langweilig», kommentierte sie scherzhaft die digitale Welt der BKW im Vergleich mit den schillernden Hauptakteuren in diesem virtuellen Universum.

Weckrufe
Jan Fülscher, lic. oec. publ., Geschäftsführer Business Angels Switzerland, schilderte die aktuelle Situation für Startups in der Schweiz. Die Sparten Energy und Greentech sind in dieser Szene nicht besonders stark vertreten. Den Grund dafür sieht er in der Trägheit der Baubranche und auch in der Selbstzufriedenheit ihrer Protagonisten. Die vorangegangenen Referate hatten gezeigt, dass es für Gebäudetechnik IT-Startups durchaus Nischen gibt. Er riet potenziellen Neugründerinnen und -gründern, nicht nach Investoren, sondern nach Kunden zu suchen, die neue Produkte ausprobieren. Die Finanzierung sollte nicht über Förderprogramme, sondern durch Aufträge erfolgen.
Dass ein Bedarf an IT-Lösungen im Baubereich ausgewiesen ist, konnte man den Ausführungen von Dr. Andreas Danuser entnehmen. Der Professor für Informatik an der BFH Bern und VR-Präsident der Netmodule AG präsentierte die Initiative SIoT. IoT steht abermals für «Internet of Things», das S bedeutet vieles, unter anderem «schweizerisch» und «simpel». In einer Genossenschaft organisiert, will SIoT Zustände messen und analysieren. Die notwendige Hardware wird bestehenden Installationen wie beispielsweise bestehenden Stromzählern gewissermassen aufgepfropft. Konventionellen Technologien können so digitale Wächter und Dirigenten zur Seite gestellt werden. Ziel ist es, elektrischen Strom sofort und möglichst nahe am Ort seiner Generierung zu nutzen.

Digitales Energiemanagement

Vieles in der Welt der digitalisierten Steuerung des Energieverbrauchs befindet sich noch in der Versuchsphase. Doch die Wirtschaft spielt aktiv mit und hat auch schon entsprechende Lösungen umsetzen können. André Blatter, Key Account Manager bei der Schneider Electric Schweiz AG, erläuterte eine Lösung für das Energiemanagement im Rechencenter. Über ein Dashboard, das sich auf jeden Bildschirm zaubern lässt, sind aktuelle Zustände in diesen Centern sofort zu erkennen. Das Facility Management ist stets auf dem aktuellen Stand und kann falls nötig intervenieren.

Stephan Tomek von der Tetrag Automation AG sprach über Energie-Monitoring-Systeme. Auch diese sammeln Informationen, welche ein situations- und bedarfsgerechtes Energiemanagement erleichtern. Mit tiefen Investitionskosten liessen sich beträchtliche Spareffekte auslösen. Im Hochhaus Park Tower in Zug wurde die Totalunternehmerin Implenia über ein solches System mit digitalen Informationen versorgt, die es erlaubten, Analysen durchzuführen. IT schärft die Aufmerksamkeit und optimiert Prozesse, mit ihr können in Gebäuden Energie und Geld gespart werden. «Wir sollten die gebaute Schweiz nicht im Blindflug betreiben», mahnte Stephan Tomek – und lieferte mit diesem Apell auch den passenden Schlusssatz zur Jahrestagung.

Weitere Kurse und Veranstaltungen des energie-cluster.ch:

Bauen | Sanieren | Energie | Wirtschaftlichkeit
Tageskurs für Immobilien- und Finanzfachleute
Mit dem Gebäudeausweis der Kantone (GEAK) planen und rechnen.

Mittwoch, 8. Juni 2016 in Bern
Donnerstag, 1. September 2016 in Spreitenbach

Energieeffizenz-Management im Unternehmen
Tageskurs mit Vorlage für die Umsetzung in Ihrem Unternehmen
Energieflüsse identifizieren, kontrollieren und optimieren

Mittwoch, 15. Juni 2016 in Spreitenbach

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