Autonomes Fahren soll in diesem Jahrzehnt noch massentauglich werden.

Die internationale Automobilindustrie ist zurzeit doppelt gefordert. Sie muss die Auswirkungen der CoronaKrise verkraften und gleichzeitig den grundlegenden Umbruch der Branche bewältigen. Elektromobilität und autonomes Fahren werden sich noch in diesem Jahrzehnt vom Nischen- zum Massenmarkt entwickeln.

Ausgelöst durch die Corona-Pandemie setzen die meisten Unternehmen aktuell strikte Sparprogramme um und fahren ihre Investitionen zurück. Aus Sicht von Bain-Partner und StudienCo-Autor Dr. Klaus Stricker sollte dabei differenziert vorgegangen werden: «Trotz des extremen Kostendrucks sollten Autohersteller und Zulieferer ihre Investitionen in wichtige Zukunftsfelder wie Elektromobilität, Batterie- und Zelltechnologie, Software oder Konnektivität bestmöglich aufrechterhalten. Die dringend erforderlichen Ergebnisverbesserungen müssen vor allem aus dem traditionellen Kerngeschäft kommen.»

E-Mobilität: Kundenakzeptanz erhöhen Derweil gewinnt die Elektromobilität weiter an Dynamik. Laut der Bain-Studie erreichen die gesamten Anschaffungs- und Betriebskosten (Total Cost of Ownership) eines E-Autos bereits in diesem Jahr das Niveau eines konventionell angetriebenen Fahrzeugs. Dabei hängt der genaue Zeitpunkt des Übergangs zum Massenmarkt je Region im Wesentlichen vom Fahrzeugsegment, von den Batteriekosten, dem Strom- und Benzinpreis sowie von staatlichen Stützungsmassnahmen ab. Die Studie geht davon aus, dass die durchschnittlichen Kosten für Batteriepacks 2025 rund 85 Euro pro Kilowattstunde betragen werden.

Das sind 36 Prozent weniger als 2018. Zudem werden die Autohersteller bis dahin voraussichtlich weit mehr als 200 neue E-Modelle anbieten und mit einem steigenden Anteil in der Mini- und Kompaktklasse weitere Käuferschichten ansprechen können.

Allerdings schrumpfen durch die Wirtschafts krise infolge der Corona-Pandemie in vielen Haushalten die verfügbaren Mittel für grössere Investitionen wie ein Auto. Gleichzeitig nimmt in der Bevölkerung der Wunsch nach geschützten Mobilitätsräumen zu, was sich positiv auf die Fahrzeugnachfrage auswirken kann. Staatliche Förderungs- und Stützungsmassnahmen könnten dem Markt kurzfristig weitere Dynamik verleihen – und bei entsprechender Ausrichtung der Massnahmen könnte insbesondere die Elektromobilität profitieren. «Die Kundenakzeptanz wird letztlich entscheidend sein für den Durchbruch der Elektromobilität», ist sich Bain-Partner und Studien-Co-Autor Marco Gerrits sicher. «Neben den bisherigen Käufern von EAutos, die oft aus gehobenen, progressiven Schichten stammen, müssen in Zukunft auch traditionelle Kundensegmente gewonnen werden.» Diese würden vor allem auf Funktionalität und Praktikabilität achten, sprich Reichweite, einfache und gut funktionierende Lade- sowie Bezahlvorgänge und – im Vergleich zu Verbrennern – günstige Gesamtkosten.

Autonomes fahren: Hürden überwinden
Für den langfristigen Erfolg des autonomen Fahrens sprechen die wachsende technologische Reife sowie aussichtsreiche Pilotprojekte mit Robotaxis und
Auto bahnpiloten auf Level-4-Niveau. Laut Bain-Studie wird der Anteil autonomer Fahrzeuge an den Neuzulassungen bis 2030 in Nordamerika auf neun Prozent steigen, in Europa auf sechs Prozent und im Raum Asien-Pazifik auf vier Prozent. Bis 2040 könnten sich diese Werte mehr als vervierfachen. Für den Massenmarkt müssen die Autohersteller allerdings noch einige Hürden wie Allwettertauglichkeit oder das Beherrschen von unübersichtlichem Verkehrsaufkommen nehmen. Zudem fehlen bislang weitgehend verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen.

Darüber hinaus müssen die Kosten für die autonomen Systeme signifikant reduziert werden. Diese belaufen sich für Robotaxis derzeit auf rund 65’000 Euro, könnten aber bis 2030 nach Bain-Analysen um mehr als 85 Prozent sinken, auf dann 8 000 bis 10’000 Euro. Zu diesem Preispunkt können ab 2024 urbane autonome Mobilitätssysteme realisiert werden. Innovative Städte werden versuchen, die Vorteile der Robo taxis zu nutzen und sie intelligent in den öffentlichen Personennahverkehr zu integrieren.

Geschäftsmodell effizienter gestalten 
Für die Automobilindustrie bedeutet die Entwicklung hin zu E-Autos und autonomem Fahren zunächst steigende Kosten. Ohne weitere Gegenmassnahmen könnte die Umsatzrendite der Fahrzeughersteller, insbesondere wegen der zunächst hohen Batteriekosten, über die nächsten Jahre im Schnitt um zwei bis drei Prozentpunkte sinken. Laut Bain-Studie lassen sich ab 2025 mit Elektroantrieben Gewinnspannen erreichen, wie sie mit Verbrennungsmotoren erzielt werden. Das wäre eine Option mit Zukunft.

Angesichts der Corona-Krise und der hohen Investitionen in automobile Zukunftsfelder müssen die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle auf Effizienz trimmen», betont Branchenkenner Gerrits. «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, alte Zöpfe abzuschneiden und die Komplexität bei Plattformen, Antrieben, Modellen und Derivaten drastisch zu senken sowie Skaleneffekte auch herstellerübergreifend zu nutzen.

Massnahmen Konsequent umsetzen
Hersteller und Zulieferer müssen die richtigen Weichen stellen. «Der fundamentale technologische Umbruch kann die Machtverhältnisse im Mobilitätssektor in den nächsten 15 Jahren radikal verändern», stellt Bain-Partner Stricker fest. «Belohnt werden am Ende Unternehmen, die ihr traditionelles Geschäft maximal effizient gestalten und die finanziellen Mittel dafür deutlich reduzieren, das Potenzial neuer Technologien erkennen sowie gemeinsam mit Partnern zum richtigen Zeitpunkt mutig investieren.

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