Digitale Angebote helfen bei der Überweisung aus der Ferne.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat durch die Pandemie weltweit einen kräftigen Schub erhalten. Auch in der Schweiz beschleunigt sich diese Entwicklung, neue Angebote liefern den Patienten und Versicherten viel Mehrwert.

Die Covid-19-Pandemie hat in vielen Ländern Schwachstellen im Gesundheitswesen
aufgezeigt. Gleichzeitig haben diese Extremsituation und die damit einhergehenden Lockdowns dazu geführt, dass digitale Gesundheitsleistungen schlagartig eine ganz neue Wichtigkeit erhalten haben. Vor Covid-19 diente die Digitalisierung im Gesundheitsbereich vor allem der Vereinfachung von Prozessen als Instrument zur Kostensenkung und der Verbesserung des Kundenerlebnisses. Doch während des Lockdowns und des reduzierten Angebots der Spitäler und Arztpraxen wurden digitale Konsultationen und andere Gesundheitsdienstleistungen für viele Patienten plötzlich zur einzigen Möglichkeit, medizinische Hilfe und Beratung zu erhalten.

Neue und effiziente Modelle ohne Arztbesuch
Die spezifischen Probleme und Entwicklungen sind von Land zu Land verschieden. In
China und anderen Ländern, wo sich zum Beispiel die Behandlung von Krebspatienten
auf wenige grosse Zentren beschränkt, gab es ausserhalb der grossen Städte keinen
Zugang zu Behandlungen und Medikamenten. Regierungen und Pharmaunternehmen
arbeiten dort nun mit Hochdruck daran, für Ärzte und Patienten digitale Angebote zu
entwickeln, damit Ärzte auch in abgelegenen Gebieten komplexe Behandlungen vornehmen
können. Solche «Remote-Lösungen » werden auch in Ländern mit hoch entwickelten Gesundheitssystemen angestrebt; digitale und kostengünstige Gesundheitsberatung
und -versorgung ist weltweit ein immer stärkerer Trend. Auch in der Schweiz war der Zugang zu Spitälern und Ärzten während des Lockdowns begrenzt. Die Anzahl der Telefon- und Videoberatungen ist in die Höhe geschnellt. Während Telefonmodelle vor einigen Jahren noch eher verpönt waren, nutzen nun immer mehr Patienten digitale Angebote.
Beim Telefonmodell beispielsweise verpflichtet sich der Versicherte, vor dem Arztbesuch per Telefon eine medizinische Beratungsstelle zu kontaktieren, was den Arztbesuch in manchen Fällen überflüssig macht. Im Gegenzug zahlt er niedrigere Krankenkassenprämien. Patienten gehen heute nicht mehr systematisch zum Hausarzt, sondern suchen vermehrt Medix- Zentren (Gruppenpraxen) auf oder wählen ein Telefon- oder Apothekenmodell.
Diese Dienstleistungen wurden in den letzten Jahren stark ausgebaut. Allgemein erfordern Bagatelluntersuchungen nicht zwingend einen Arztbesuch und einfache Überweisungen funktionieren auch per Videoberatung.

Diagnose und Datenaustausch per App?
Die Digitalisierung bietet in Sachen Diagnose von «einfacheren» Krankheiten grosses
Potenzial. Verschiedene Krankenkassen sind dabei, zusammen mit entsprechenden
Technologieunternehmen Geräte zu entwickeln, die eine einfache Messung verschiedener Werte ermöglichen. Instrumente, die der Patient an die Stirn halten kann, um die Temperatur zu messen, und Blutzuckermessgeräte sowie Diagnosegeräte für Entzündungen werden rasch weiterentwickelt und vereinfacht. Unzählige Personen, auch gesunde, tragen Uhren, welche die Herzfrequenz, den Blutdruck und den Sauerstoffgehalt im Blut messen.
Herzrhythmusstörungen und andere Anomalien können sofort erkannt und bei Wunsch direkt an den Arzt übermittelt werden. Gerade auch ältere Patienten mit  Gesundheitsproblemen können so «rund um die Uhr» überwacht werden, auch wenn
sie noch zu Hause wohnen.

Die Vorteile dieser neuen Anwendungen sind unbestritten. Zentral ist, dass solche Technologien und Geräte einfach zu bedienen sind – und dass der Datenschutz in jedem Fall gewährleistet ist. Je mehr Daten der Forschung zur Verfügung stehen, desto bessere Medikamente und Behandlungen können entwickelt werden, wie auch die aktuelle Suche nach einem Covid-19-Impfstoff zeigt. Doch beim Verkauf und der Auswertung von Gesundheitsdaten von beispielsweise Apple-Geräten stellen sich verschiedene, nicht zuletzt ethische Fragen – und ob die Patienten und Nutzer solcher Geräte und Apps wirklich wissen, was mit ihren Daten geschieht.

Davon zeugt in der Schweiz auch die Diskussion rund um die eHealth-Strategie und das elektronische Patientendossier. Mit der «Strategie eHealth Schweiz 2.0» wollen Bund und Kantone erreichen, dass von allen Einwohnern der Schweiz eine digitalisierte Krankengeschichte abrufbar wird. Im Mittelpunkt steht dabei das elektronische Patientendossier, das Spitäler, Pflegeheime und andere Anbieter von Gesundheitsleistungen
seit diesem Frühjahr allen Patienten anbieten müssen. Für Praxisärzte und Patienten ist die Datenerfassung zurzeit noch freiwillig wegen grossen Widerstands des Berufsverbands der Schweizer Ärzte FMH. Durch das Sammeln der Daten sollen die Gesundheitsleistungen verbessert, Doppelspurigkeiten vermieden und Kosten gesenkt werden. Das Thema Datenschutz ist aber noch nicht zufriedenstellend gelöst.

Medizin und Administration Digitalisieren
Einerseits ist das Ziel neuer Versicherungsmodelle und digitaler Angebote, die Notaufnahmen von Bagatellfällen freizuhalten und den Zugang zu Spezialisten
nur wenn medizinisch notwendig zuzulassen. Andererseits sollen die Interaktionen
zwischen den einzelnen Dienstleistungserbringern besser koordiniert und somit auch Kosten gespart werden. Auf rein administrativer Seite ist die Digitalisierung schon fortgeschritten, obschon es bei den einzelnen Krankenversicherern diesbezüglich noch grosse Unterschiede
gibt. Bei fast jeder Krankenkasse ist es inzwischen möglich, Rechnungen, Arztzeugnisse und Anträge elektronisch oder per App abzuwickeln. Seit Covid-19 werden Versicherungsanträge fast ausschliesslich online abgewickelt; Aufnahmeentscheide erfolgen teilweise schon Minuten später. Der Mehrwert solcher Lösungen ist für die Patienten und Versicherten klar erkennbar. Die Pandemie hat der digitalen Krankenversorgung einen kräftigen Schub verliehen und die Akzeptanz in der Bevölkerung für digitale Konsultationen und Dienstleistungen ist deutlich gestiegen. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, entsprechende Modelle werden auch durch finanzielle Anreize gefördert. Viele Krankenkassen sind parat – und auch ihre erfolgreiche Umstellung auf Home Office verlief rasant und meist reibungslos. Das ist eine positive Entwicklung. Kosten können eingespart und Abläufe effizienter gestaltet werden. Zu bemerken ist allerdings, dass im Einzelfall gewisse Fehler oder Probleme, die ein Mitarbeiter erkennen würde, im automatisierten Workflow untergehen und zu suboptimalen Lösungen führen können.

Die Schweiz steht in puncto Digitalisierung im internationalen Vergleich sehr gut da. Zudem ist sie – vor allem die Region Basel – weltweit führend in der Entwicklung von neuen Medikamenten und Life-Science-Anwendungen. Das Schweizer Medtech-Ökosystem ist gross und dynamisch, und es zeichnet sich durch viele hoch interessante Start-ups aus. Diese Entwicklung wird einerseits durch die Nähe zu den traditionellen Pharmariesen
begünstigt, die das Know-how und viele hoch qualifizierte Arbeitskräfte liefern. Andererseits gehen viele Jungunternehmen aus dem universitären Umfeld hervor, wo Hochtechnologie erforscht und geschaffen wird.

Das Schweizer Gesundheitssystem ist nicht nur aus Kostengründen gefordert, die Digitalisierung voranzutreiben und das entsprechende Angebot auszubauen. Es muss von
den innovativen digitalen Möglichkeiten auch Gebrauch machen, um den sich verändernden Ansprüchen der Versicherten und Patienten gerecht zu werden.

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