Business Intelligence ist nicht nur eine Frage der Technik.

Die Wichtigkeit von Daten ist Unternehmensverantwortlichen bewusst. Sie ahnen auch, dass die Qualität und Menge ihrer Daten noch viel Luft nach oben haben. Die Herausforderungen sind theoretisch klar:
Einerseits soll der Nutzen von Business Intelligence (BI) für KMU quantifiziert werden, andererseits sollte die Geschäftsleitung die Zuständigkeiten regeln, das Know-how der Mitarbeiter fördern und die technischen Voraussetzungen ermöglichen. Die praktische Umsetzung steht aber noch am Anfang. Im folgenden Interview mit Prof. Dr. Evangelos Xevelonakis, dem Leiter Center for Data Science & Technology an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, erörtern wir die Situation.

Lassen Sie uns zunächst einen Blick in die Geschichte werfen. Nach meinem Kenntnisstand kommt das Business Intelligence aus der Controlling-Branche von vor über 20 Jahren. Welche Bedeutung hatte das spätere Trendwort?
Der Begriff «Business Intelligence» ist eigentlich noch viel älter. 1958 hat man ihn zum ersten Mal in einem IBM-Paper verwendet. Eingesetzt wurde er mit dem Ziel, mithilfe von internen und externen Daten etwas mehr Effizienz in der Unternehmung zu erreichen. Ziel war es, Kunden besser zu betreuen, zu verstehen und Prozesse optimaler zu gestalten. Schon damals versuchte man die Komplexität der Daten und deren Potenzial zu visualisieren. Mit der Zeit hat man realisiert, dass die Einbeziehung externer Daten weitere Fortschritte bringt. Dieses Konzept wurde mit den Jahren um zusätzliche Komponenten erweitert, wie zum Beispiel mit dem Einbezug von Machine Learning. Heutzutage spricht man von «Advanced Analytics». Es geht dabei nicht nur darum, Entscheidungen zu unterstützen, sondern auch darum, neue Businessmodelle zu entwickeln. Beispiele sind das Uber-Businessmodell oder das Modell von Airbnb. Akteure haben hier, basierend auf sehr vielen Daten, neue Businessmodelle kreiert.

Um welches zentrale Ziel geht es dabei?
Ziel ist es, den Entscheidungsfindungsprozess zu unterstützen. Dabei geht es nicht nur um die oben erwähnten neuen Businessmodelle. Ein weiterer Baustein ist die Verbesserung der Kundenorientierung. Unternehmensverantwortliche möchten ihre Kunden besser kennenlernen, um sie entsprechend optimal abholen zu können. Auch hier ist es das Ziel, die Prozesse effizienter zu gestalten. Es geht schliesslich darum, neue Ideen besser, schneller und effektiver umsetzen zu können.

Dazu braucht es erstens vermutlich strategische Konzepte, Datenhaltung
und dann Software-Tools. Wie sehen diese aus?
Wie sie richtig betonen, haben wir auf der einen Seite das Datenmanagement, und auf der anderen Seite haben wir Analytics. Das heisst, irgendwie muss ich die Daten, die anfallen, managen. Die Herausforderung liegt darin, dass das Datenvolumen entsprechend steigt. Wir haben eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit und eine grosse Vielfalt der Daten zu bearbeiten. Wenn ich heute Daten betrachte, dann habe ich neben strukturierten Daten noch viele unstrukturierte, wie Texte, Videos oder Bilder. Es ist klar, dass auch hier ziemlich viel Wissen vorhanden ist. Die Frage ist dann, wie gehe ich damit um? Da reicht die Technologie kaum noch aus. Man muss vermehrt versuchen, eine Datenkultur innerhalb der Unternehmung zu schaffen und agile Methoden des Projekt- Managements einzusetzen. Die zentrale Fragestellung lautet: Wie kann ich diese neuen Ansätze sinnvoll kombinieren und eine optimale Architektur in Bezug auf die anvisierten Ergebnisse designen?

Und auf der anderen Seite?
Auf der anderen Seite haben wir Analytics. Analytics bedeutet konkret, was kann ich jetzt analytisch tun? Zu diesem Zweck brauchen wir neben BI-Plattformen auch Data-Science-Plattformen, damit wir komplexere Sachverhalte analysieren können. Es geht schliesslich darum, dass man Predictive Modeling durchführt1 und unstrukturierte Daten entsprechend analysieren kann. Zum Beispiel geht ein Kollege nach Kreta und möchte das Hotel bewerten. Er schreibt hierzu Texte und in diesen Texten gibt es eine Menge atmosphärischer und emotionaler Aussagen. Da müssen wir einen Weg finden, auch diese Texte maschinell analysieren zu können, um Sentiment Analytics durchzuführen2.

Britischer Humor dürfte für Sie eine Herausforderung sein?
Ja, Sarkasmus ist kaum zu erfassen. Man muss eben etwas im Kontext betrachten, damit man eine sinnvolle Aussage entwickeln kann. Zu diesem Zweck versucht man, mit Machine Learning lernfähige Modelle zu bilden, um solche Situationen zu beurteilen3. Die KI-Systeme werden mit vielen langen Texten und weiteren Daten zum Gegenstand gefüttert, sodass sie Schritt für Schritt lernen und am Schluss eine brauchbare Bewertung abgeben können. Man versucht so, Nuancen und auch möglichen Sarkasmus zu erkennen. Wir stehen hier noch am Anfang einer Entwicklung und sind noch in der Forschung damit beschäftigt, bevor es in der Praxis relevante Lösungen gibt.

Die HWZ Zürich hat zum Thema BI eine Studie publiziert. Ein spannender Punkt dabei ist, dass die Bedeutung von Business Intelligence und Data Science für die Entwicklung eines Unternehmens eher von Mitarbeitenden als von der Unternehmensleitung erkannt wird. Wo liegen hier die Gründe?
Die zentrale Herausforderung ist, dass die Geschäftsleitung den Nutzen von Data
Science zu wenig quali- und quantifizieren kann. Die Verantwortlichen haben zwar
generelle Vorstellungen, doch diese geben keine Anhaltspunkte, wie man daraus einen Businesscase entwickelt, der aufzeigt, wo der reale Nutzen liegt.

Zudem betrachtet das Management das Thema BI meist nur durch die technische Brille. Nach dem Motto, darum kümmern sich unsere IT-Verantwortlichen, damit muss ich mich selber nicht auseinandersetzen. Solche Projekte sind aber soziotechnisch. Menschen spielen folglich eine wichtige Rolle. Last but not least geht es um das Thema Know-how. Oft werden auch die Fähigkeiten der Mitarbeiter entsprechend überschätzt.

Sicher ist Ihnen auch schon die Argumentationsfigur begegnet: «Das ist
doch nur etwas für grosse Unternehmen. » Was antworten Sie?
Viele Unternehmen – darunter sind auch KMU – haben ihre Daten nicht richtig im Griff. Sie haben eine ganze Menge an Daten, aber diese sind verteilt und in unterschiedlichen Systemen abgebunkert. Wir haben eine gewisse Heterogenität – und das ist ein zentrales Problem. Dazu kommt das Thema Datenqualität. Theoretisch können wir viele Kenntnisse gewinnen, aber praktisch ist die vorhandene Datenqualität zu schlecht. Da stellt sich die Frage, wie viel sollte ich als Unternehmer investieren? Was habe ich davon, wenn ich diese Investition mache. Man müsste im Prinzip die Frage beantworten, wie viel muss ich investieren und was erwarte ich von meiner Investition? Solange dies eine diffuse Gemengelage ist, agiert man zurückhaltend oder abwartend.

Wo und wie können Hochschulen wie die HWZ hier KMU-Verantwortungsträger unterstützen, und umgekehrt, wie lernt Ihre Fachhochschule aus der Praxis?
Wir haben entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten, wie Master-Studiengänge. Neben der Vermittlung von technischen Aspekten adressieren wir die Businessseite. Wie gehe ich vor, um den Nutzen zu quantifizieren? Das sollte im Vordergrund stehen. Auf der anderen Seite haben wir viele Dozierende, die auch in der Praxis tätig sind. Sie sind grundsätzlich in Projekte involviert und kennen beide Welten aus eigener Praxis.

Können Sie die grossen Herausforderungen des Geschäftsalltags abschliessend skizzieren?
Wenn wir von BI reden, gibt es eine Menge von Konzepten. Was noch dazukommt, ist das Thema Analytics und dann noch Künstliche Intelligenz. Es geht immer darum, Geschäftsprozesse interessanter und effizienter zu gestalten. Ein bewährtes Mittel ist das Predictive Modeling. Es gilt, zentrale Fragen punktgenau zu beantworten: Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde kauft, wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass er abwandert? Aktuell ist man unsicher, ob man Daten hat, die geeignet sind, um solche Advanced Analytics zu realisieren. Ein Abwarten ist nie ein zielführendes Szenario. Man muss wirklich aktiv werden. Das kann in unterschiedlichen Schritten passieren. Die Daten, die man hat, sollte man optimal nutzen. Daten-Monitoring ist hier das A und O. Wenn Unternehmensverantwortliche eine schlechte Qualität des Datensatzes zur Verfügung haben, befinden sie sich im Blindflug. Wenn man die Daten nicht braucht, werden sie qualitativ nicht besser. Man kann Risiken und Potenziale in seinem Markt schlicht nicht erkennen. Viele Unternehmungen geben zu, dass es bei Business Intelligence und Data Science viel ungenutztes Potential gibt. Handeln ist angesagt!

www.fh-hwz.ch

Die Qualität der Daten ist entscheidend.